Sozialistisch, christlich, solidarisch - so sieht Präsident Daniel Ortega sein Land. Tatsächlich gängelt der Ex-Guerillero die Opposition, fährt einen neoliberalen Wirtschaftskurs und soll Millionen Dollar Entwicklungshilfe über dunkle Kanäle auf die Konten seiner Familie umgeleitet haben.
Trotzdem will ihn die Mehrheit der Nicaraguaner weiterhin in Amt und Würden sehen. Bei der Wahl am Sonntag stimmten über 70 Prozent für den Staatschef, das Wahlamt erklärte ihn zum Sieger. Künftig wird Ortega die Regierungsgeschäfte ganz offiziell gemeinsam mit seiner Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo führen.
Die First Lady mit Hang zur Esoterik galt schon zuvor als die starke Frau in Nicaragua. Der fast 71-jährige Ortega soll schwer krank sein. Müsste er sein Amt aus gesundheitlichen Gründen niederlegen, würde seine Frau übernehmen. „Sie wollen unbedingt sicherstellen, dass die Macht im Familienkreis bleibt“, sagt die Ex-Guerillera Dora María Téllez von der Dissidentenpartei MRS.
Nach Einschätzung von Kritikern hat sich der Ortega-Clan das Land längst zur Beute gemacht. Die Familie ist an zahlreichen Unternehmen beteiligt, kontrolliert die Öl-Importe aus dem befreundeten Venezuela und steuert eine Reihe von Fernsehsendern. Sieben ihrer Kinder haben Ortega und Murillo an Schaltstellen in Politik, Wirtschaft und Medien platziert.
Nicaraguas Herrscher Daniel Ortega im Kurzporträt
Ortega kam am 11. November 1945 in La Libertad in Zentralnicaragua zur Welt. Als junger Mann schloss er sich den linken Sandinisten an und beteiligte sich am Kampf gegen Diktator Anastasio Somoza. Nach dessen Sturz wurde Ortega Mitglied der Regierungsjunta und trieb eine Bildungskampagne und den Ausbau des Gesundheitswesens voran. 1984 wurde er zum Präsidenten gewählt. Seine erste Amtszeit war vom Krieg gegen die von den USA unterstützten Contras geprägt.
In seinen fast vier Jahrzehnten in der Politik hat Daniel Ortega eine erstaunliche Entwicklung vom idealistischen Rebellen zum autoritären Alleinherrscher durchgemacht. Nach dem Sieg der Revolution gegen die Somoza-Diktatur 1979 war Nicaragua das Sehnsuchtsland der internationalen Linken, mittlerweile hat sich Ortega mit dem Großkapital verbündet und fährt einen neoliberalen Wirtschaftskurs. Viele öffentliche Gelder sollen über dunkle Kanäle in die Taschen seiner Familie geflossen sein.
1990 verlor Ortega die Präsidentenwahl gegen Violeta Chamorro und ging in die Opposition. 2006 kehrte er an die Staatsspitze zurück und wurde 2011 wiedergewählt, obwohl dies laut Verfassung nicht zulässig war. Ortega söhnte sich mit der katholischen Kirche aus und schloss einen Pakt mit der konservativen Unternehmerschaft.
Im Kampf gegen den Drogenhandel kooperiert Ortega mit den USA, militärisch arbeitet Nicaragua auch mit Russland zusammen. Wegen seines autoritären Regierungsstils und zahlreicher Korruptionsvorwürfe haben sich viele Weggefährten von dem Ex-Guerillero abgewandt.
Ortega hat in seinen bislang drei Amtszeiten durchaus Erfolge erzielt. Zwar ist Nicaragua nach Haiti noch immer das zweitärmste Land der westlichen Hemisphäre. Aber der Zugang zu Bildung, Gesundheitsleistungen und Wohnraum wurde deutlich verbessert. Umfangreiche Sozialprogramme machen Ortega zu einem der populärsten Politiker der Region. Seine Strategie: „Verteile und herrsche.“
Arme Nicaraguaner bekommen von der Regierung immer mal wieder bescheidene Häuser, ein wenig Baumaterial oder ein paar Hühner geschenkt. „Unser Präsident ist verantwortungsbewusst und demütig“, sagte eine Regierungsanhängerin bei der Siegesfeier ihrer Partei FSLN. „Er hat uns Fortschritt, Sozialprojekte und Arbeit gebracht.“