Der Tropensturm "Harvey" entwickelt sich zu einer der teuersten Naturkatastrophen in den USA. Der wirtschaftliche Schaden werde zwischen 51 und 75 Milliarden Dollar liegen, schätzte der US-Finanzdienstleister Moody's. Den Wiederaufbau erschweren dürfte, dass offenbar viele Geschädigte nicht versichert sind. So vermutet das Analysehaus Corelogic, dass rund 70 Prozent der Zerstörungen durch Überschwemmungen durch keine Police abgedeckt sind. Große Teile von Texas waren auch am Freitag überschwemmt, die Flusspegel blieben wegen weiterer Regenfälle auf Rekordniveau. Befürchtungen nahmen zu, dass die Flutwasser mit Bakterien und Schadstoffen verunreinigt sind.
Mehr als eine Million Menschen mussten sich vor dem schwersten Sturm in Texas seit 50 Jahren in Sicherheit bringen. Zehntausende harrten weiter in Notunterkünften aus. Die Behörden befürchten, dass mindestens 44 Menschen starben. Besonders stark wurde Houston getroffen, die viertgrößte Stadt der USA.
Der Berater von US-Präsident Donald Trump, Tom Bossert, kündigte an, den Flutopfern rasch zu helfen. Die Regierung in Washington werde sich in Kürze an den Kongress wenden, um die Finanzierung sicherzustellen. Dabei geht es zunächst um 5,9 Milliarden Dollar. Der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, hatte erklärt, sein Bundesstaat werde für den Wiederaufbau womöglich mehr als 125 Milliarden Dollar Hilfe aus Washington benötigen. Die Summe, die 2005 New Orleans nach dem Hurrikan "Katrina" zur Verfügung gestellt worden war, werde wohl nicht ausreichen, denn das betroffene Gebiet sei größer als das vor zwölf Jahren.
Wirtschaft will langsam zur Tagesordnung zurückkehren
Teile der Wirtschaft fahren unterdessen ihre Aktivitäten langsam wieder hoch. In Corpus Christi sollte der Hafen bis Montag wieder vollständig nutzbar sein. Experten erwarten, dass auch viele Betreiber von Öl-Raffinerien schrittweise ihr wieder Geschäft aufnehmen. Den Hafen nutzen zu können, sei entscheidend, sagte Cleo Rodriguez Jr., Chef der Handelskammer von Corpus Christi: "Es ist der Wirtschaftsmotor für die gesamte Region." Güter im Wert von rund 100 Millionen Dollar werden dort für gewöhnlich jeden Tag umgeschlagen.
Während der deutsche Chemiekonzern BASF an den großen Standorten in Port Arthur und Freeport weiter mit reduzierter Kapazität produziert, werden einer Sprecherin zufolge an anderen Standorten Vorkehrungen getroffen, den Betrieb in den nächsten Tagen wieder aufzunehmen. Im Gegensatz dazu dürfte die von Total in Port Arthur betriebene größte US-Raffinerie wegen der großen Schäden laut Insidern noch bis zu zwei Wochen lang geschlossen bleiben.
Trump ist in der US-Klimapolitik nicht der einzige Akteur
US-Präsident Donald Trump hat den Abschied der USA aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt. Trotzdem: Die US-Regierung in Washington ist in der amerikanischen Klimapolitik bei weitem nicht der einzige Akteur.
Drei große Akteure können von der Bundesregierung unabhängige, eigene Wege gehen und haben dies auch schon angekündigt: Es sind die Wirtschaft, Bundesstaaten und die großen Städte.
Quelle:dpa
Großunternehmen wie General Electric, Coca-Cola oder Apple - sie alle wollen sich an höhere Klimaziele halten, sogar der Energiegroßanbieter Exxon, dem einst der heutige Außenminister Rex Tillerson vorstand. Die Aktionärsversammlung entschied, das Geschäft stärker am Klimaschutz auszurichten. Die Branche der erneuerbaren Energien beschäftigt in den USA mehr Menschen als die der fossilen. Und gerade Technologie-Unternehmen wie Facebook oder Google fordern von den Energieversorgern Strom aus erneuerbaren Energien.
Neben Kalifornien mit seinen allein 40 Millionen Einwohnern gibt es noch eine Reihe anderer Bundesstaaten, die sich stärker in die internationale Klimapolitik einbringen wollen. Darunter sind Oregon oder Hawaii, aber auch Washington und New York. Kalifornien hat 2016 ein Gesetz mit den USA-weit strengsten Treibhausgasauflagen verabschiedet. Der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase soll bis 2030 um mindestens 40 Prozent verglichen mit 1990 sinken.
Allein sechs große US-Städte haben ein Abkommen unterzeichnet, in dem sie sich zum Pariser Abkommen bekennen - 21 Millionen Menschen leben dort. Unterzeichnet haben etwa die Bürgermeister von New York, Chicago, Orlando und Los Angeles. Sie haben ihr Dekret als offenen Brief 71 Bürgermeistern zur Unterschrift vorgelegt. In Amerikas Städten leben 80 Prozent der Bevölkerung.
"Harvey" dürfte nach Einschätzung eines führenden US-Notenbankers die Wirtschaftsentwicklung des Landes aber nur kurzfristig schwächen. Danach werde es aber wohl wieder die gewohnten Wachstumsraten geben, sagte Robert Kaplan von der Fed in Dallas. Bei ähnlichen Katastrophen in der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass es zunächst eine kurzfristige Schwäche gebe, der eine Phase des Wiederaufbaus und schließlich eine Rückkehr zum normalen Trend folge.
Allerdings könnten die USA größere Haushaltsprobleme bekommen. Wegen des Unwetters würden hohe Kosten auf die Behörden zukommen, die zum Teil schon im September anfielen, sagte Finanzminister Steven Mnuchin dem Sender CNBC. Daher werde der Zeitpunkt, bis zu dem der Kongress einer Anhebung der Schuldenobergrenze zustimmen müsse, wohl einige Tage vor dem bislang angepeilten 29. September liegen müssen. Gelingt dies nicht, droht eine Art Zwangsschließung der Behörden - und damit Chaos.