Türkei im Ausnahmezustand Erdogan erklärt 15. Juli zum "Gedenktag für Märtyrer"

Der 15. Juli soll in der Türkei nach dem gescheiterten Putsch zum "Gedenktag für Märtyrer" werden, wie Staatspräsident Erdogan mitteilt. Den kurz zuvor verhängten Ausnahmezustand sehen deutsche Politiker kritisch.

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Erdogan erklärte den 15. Juli zum Gedenktag. Quelle: REUTERS

Der 15. Juli, an dem der Putschversuch in der Türkei begann, ist zum „Gedenktag für Märtyrer“ erklärt worden. Dies teilte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in der Nacht zum Freitag in einer Pressekonferenz in Ankara mit.

„Kommende Generationen werden die Helden des Kampfes für die Demokratie nie vergessen“, sagte Erdogan laut der Nachrichtenagentur Anadolu an seinem Amtssitz. Bei dem Putschversuch waren mehr als 260 Menschen ums Leben gekommen.

Erdogan betonte, es sei notwendig, dass man sich weiterhin gegen den „hinterlistigsten und niederträchtigsten Putschversuch in der Geschichte des türkischen Volkes“ zur Wehr setze. Er rief dazu auf, die von der Regierung als „Demokratie-Wachen“ bezeichneten Versammlungen in den türkischen Städten fortzuführen. Die Bürger sollten sich versammeln und die zentralen Plätze der Städte besetzen, „bis unser Land diese schwere Phase vollständig hinter sich gelassen hat“.

Lammert sieht Einschränkung der Grundrechte mit Sorge

Bundestagspräsident Norbert Lammert sieht die zunehmende Einschränkung von Grundrechten in der Türkei mit Sorge. „Die Türkei entfernt sich immer weiter von den europäischen Mindeststandards, auf die sie sich als Mitglied des Europarats ausdrücklich verpflichtet hat“, sagte der CDU-Politiker der „Schwäbischen Zeitung“. Man müsse damit rechnen, dass die seit Monaten zu beobachtende Einschränkung von Grundrechten fortgesetzt werde. Besorgniserregend seien vor allem die Massenverhaftungen und Amtserhebungen, „die erkennbar lange vorbereitet gewesen sein müssen“, sagte Lammert.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte fünf Tage nach dem gescheiterten Militärputsch den Ausnahmezustand verhängt. Er trat in der Nacht zum Donnerstag in Kraft. Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus kündigte zudem am Donnerstag an, dass die Türkei die Europäische Menschenrechtskonvention vorübergehend aussetzen werde.

Der Vorsitzende der Jungen Union (JU), Paul Ziemiak, verlangte ein klares Signal von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren EU-Kollegen: „Wer noch von einem EU-Beitritt der Türkei träumt, sollte aufwachen“, sagte er dem „Spiegel“. „Ich fordere ein Treffen der EU-Regierungschefs. Die Verhandlungen zum EU-Beitritt sollten abgebrochen werden.“ Auch aus der CSU wird die Forderung nach einem entschiedeneren Auftreten Merkels laut. Der CSU-Außenpolitiker Florian Hahn verlangte im „Spiegel“, „klare Kante“ zu zeigen. Man dürfe sich „nicht auf ein Spiel einlassen, bei dem unsere demokratischen Prinzipien ad absurdum geführt werden“.

Wie wirkt der Ausnahmezustand in der Türkei über die Grenzen hinaus?

Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin forderte von der Bundesregierung ebenfalls, klarer Stellung zu beziehen. Massenweise Verhaftungen, Suspendierungen, weitere Einschränkung der Pressefreiheit und die offene Drohung mit der Wiedereinführung der Todesstrafe dürften nicht schweigend hingenommen werden, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag). Nach dieser Woche der Repression durch Erdogan stünden die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nur noch auf dem Papier.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sieht dies genauso. „Diese Türkei, diese Erdogan-Türkei kann keinen Platz in einer Europäischen Union haben, die wertefundiert ist und die Grundrechte akzeptiert“, sagte er am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“.

Der Fraktionschef der EVP im Europäischen Parlament, Manfred Weber (CSU), sieht ebenfalls keine Chance mehr, dass die Türkei eines Tages Vollmitglied in der EU wird. Im beidseitigen Interesse sollte man sich vom Ziel der EU-Vollmitgliedschaft verabschieden, sagte er der „Rheinischen Post“ (Freitag). „Dieses Ziel ist nicht realistisch.“

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl befürchtet, dass die Zahl der Asylsuchenden aus der Türkei bald deutlich steigen wird. Vor allem zahlreiche Intellektuelle und Wissenschaftler suchten sich bei andauernden Repressalien eine Zukunft im Ausland - auch in Deutschland. „Die Entlassungen und Verfolgungen bedeuten für viele praktisch eine Existenzvernichtung“, sagte Bernd Mesovic von Pro Asyl der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (Freitag).

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