So kann Trump seine Vorstellungen umsetzen – und seine Gegnerin Yellen mürbe machen. Zudem hat Trump bald gleich mehrfach Gelegenheit, ihm genehme Währungsexperten in höchste Fed-Posten zu hieven. Zwei weitere Sitze im siebenköpfigen Topgremium der Bank, dem Board of Governors, sind derzeit vakant. Barack Obama versuchte noch, die freien Posten zu besetzen, doch die Republikaner im Kongress verweigerten die Zustimmung. Das dürfte für Trump-Vorschläge nicht gelten. In kürzester Zeit könnte der Präsident also drei neue Gouverneure benennen, die Yellens Politik mehr oder weniger offen ablehnen.
„Diese Machtverhältnisse erinnern mich an die Endphase der Amtszeit von Paul Volcker“, sagt Exnotenbanker Plosser. Der langjährige Fed-Chef Volcker hatte Anfang der Achtzigerjahre erfolgreich die Inflation bekämpft, aber rasch an politischer Rückendeckung verloren, da die USA nicht aus der Rezession fanden. Damals wurden Gouverneure ernannt, die zu Gegenspielern mutierten. Volcker, eine höchst selbstbewusste Persönlichkeit, hielt das aus. Heute hingegen, meint Plosser, sei die Fed aufgrund des Drucks durch Finanzmärkte, Medien und Politik auf mehr Einigkeit angewiesen. „Gegenstimmen von Gouverneuren werden leicht als Niederlage der Vorsitzenden interpretiert.“
Zwar könnte Yellen nach ihrer Zeit als Fed-Chefin theoretisch ins zweite Glied rücken und den Rest ihrer Amtszeit als einfache Gouverneurin absitzen. Doch das ist nach dem offenen Streit mit Trump wohl keine Option. „Die Chance, dass Yellen nach einer Absetzung an der Spitze bei der Fed bleibt, liegt in meinen Augen bei weniger als 20 Prozent“, sagt Experte Wessel.
Freie Bahn für Trump
Dem Präsidenten wäre das nur recht, er könnte gleich den nächsten Posten besetzen. „Dass ein US-Präsident so viel Gestaltungsmacht bei der Fed hat, ist einzigartig“, sagt Wessel, der die Notenbank als Journalist über 30 Jahren beobachtet hat. Was der US-Präsident damit macht? Charles Plosser schwant nichts Gutes. Er fürchtet um die Unabhängigkeit der Fed, gepaart mit einer neuen Phase der Geldschwemme. „Ich hoffe inständig, dass die neuen Notenbanker ihre Eigenständigkeit verteidigen.“ Sicher aber sei er sich nicht, sagt Plosser.
Als möglicher neuer Notenbank-Chef gilt Stanford-Professor Kevin Warsh. Der 46-Jährige war bereits von 2006 bis 2011 Fed-Mitglied – und bewarb sich vor wenigen Wochen in einem Gastbeitrag um ein Comeback bei der Notenbank. Er kritisierte, der Fed fehle es derzeit an einer längerfristigen Strategie. Und: Die Notenbank sei zu technokratisch ausgerichtet – ein klarer Angriff auf Yellen, die sich stets auf Inflation und Jobs konzentriert hatte.
Trumps Amerika: Die Pläne des neuen US-Präsidenten
Trump will sich ganz von amerikanischen Interessen, vor allem den Sicherheitsinteressen leiten lassen. Höchste Priorität soll der Kampf gegen islamistische Terrororganisationen wie den Islamischen Staat (IS) haben. Russland wird in den Eckpunkten nicht direkt erwähnt, es gibt aber einen Satz, der als Botschaft an Russland verstanden werden kann. „Die Welt muss wissen, dass wir keine Feinde suchen, dass wir immer froh sind, wenn alte Feinde zu Freunde werden, und wenn alte Freunde zu Verbündeten werden.“ Internationale Bündnisse und Organisationen wie die Nato, die Europäische Union und die Vereinten Nationen kommen in den Eckpunkten nicht vor.
Trump setzt auf „harte und faire“ Handelsabkommen, die vorrangig der US-Wirtschaft nutzen sollen. Darauf will er seine „härtesten und klügsten“ Leute ansetzen. Erstes Ziel: „Rückzug aus der transpazifischen Partnerschaft.“ Das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta der USA mit Kanada und Mexiko will er neu verhandeln und aufkündigen, wenn es keinen „fairen Deal“ gibt. Verstöße anderer Länder gegen Handelsabkommen will er „mit allen Mitteln“ bekämpfen.
Die Kürzungen bei den US-Streitkräften will Trump rückgängig machen. „Unsere militärische Dominanz darf nicht infrage gestellt werden.“ Kein Land dürfe die USA militärisch überholen. Trump kündigt ein Raketenabwehrsystem zum Schutz vor Angriffen des Iran und Nordkoreas an. Dem Cyber-Krieg soll Priorität eingeräumt werden. Dabei sollen sowohl die defensiven als auch die offensiven Fähigkeiten der Streitkräfte gestärkt werden.
„Die Trump-Regierung wird eine Law-and-Order-Regierung (Recht und Ordnung) sein“, heißt es in den Eckpunkten. Vor allem die Gewaltkriminalität will der neue US-Präsident durch effektivere Polizeiarbeit, konsequentere Anwendung von Strafgesetzen und mehr bürgerliches Engagement bekämpfen. Das Recht auf Waffenbesitz soll nicht angetastet werden, um es jedem US-Bürger zu ermöglichen, sich selbst zu verteidigen.
Ein Grenzwall nach Mexiko soll illegale Einwanderung stoppen. Außerdem will Trump Migranten, die straffällig geworden sind, abschieben.
In zehn Jahren will Trump 25 Millionen Arbeitsplätze schaffen und vier Prozent Wachstum pro Jahr erreichen. Er will die Steuern für Bürger und Unternehmen senken sowie das gesamte Steuersystem vereinfachen. Staatliche Regulierung will die neue US-Regierung so weit wie möglich zurückfahren.
Trump will Energie für die Bürger möglichst billig machen und unabhängig sein von ausländischem Öl. Dafür will er Gesetze zum Klima- und Wasserschutz zurücknehmen, die Obama durchgesetzt hat. Stattdessen setzt er auf Fracking, also die Förderung von Erdgas aus Gesteinsschichten. Die US-Kohleindustrie will er „wiederbeleben“. Die Umweltbehörde EPA soll sich auf den Luft- und Wasserschutz konzentrieren. Trump hat früher abgestritten, dass es den menschengemachten Klimawandel gibt.
Aussagen, die bei Charles Plosser die Alarmglocken klingen lassen. „Die Fed muss vor allem die Preise stabil halten; politischer Einfluss führt zu Fehlentscheidungen“, sagt er und verweist einmal mehr auf die Geschichte. Mitte der Sechzigerjahre lud der damalige US-Präsident Lyndon Johnson den Fed-Chef William McChesney Martin auf seine Ranch in Texas ein. Er bearbeitete ihn, die Zinsen niedrig zu halten. Schließlich mussten der Vietnamkrieg und Johnsons Sozialprogramme finanziert werden. Martin hörte auf den Präsidenten. Es folgten zweistellige Inflationsraten und Massenarbeitslosigkeit, bilanziert Exnotenbanker Plosser. Je mehr Distanz es zwischen Politik und Zentralbank gebe, desto besser.
Eine Position, die Janet Yellen – trotz aller Vorwürfe von Donald Trump während des Wahlkampfs – stets vertreten hat. Die Unabhängigkeit der Fed wird sie nach ihrer Amtszeit als oberste Währungshüterin schwerlich weiter verteidigen können. Wohl aber kann sie eisern ihre Politik bis zum Ende fortsetzen, indem sie konsequent an der Zinsschraube dreht. Je schneller und aggressiver sie dies tut, desto eher bremst Yellen einen drohenden Anstieg der Inflationsrate aus – und verschafft einem möglichen Nachfolger mehr Luft im Machtkampf mit Präsident Trump.