60 Jahre Bundesrepublik Die glückliche Generation

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Friedrich Lürssen, Lürssen-Werft

Schiffsbauer Friedrich Luerssen

1949 wird die Bundesrepublik gegründet, 1949 kommt Friedrich Lürssen auf die Welt – „und zwar hier, in einer kleinen Wohnung auf dem Werftgelände, als Hausgeburt", erzählt der Firmenchef, der stolz ist, dass er „sein ganzes Leben" hier in Bremen-Vegesack an der Weser zugebracht hat. Und auch sonst ist das Jahr ein gutes Jahr: Der Onkel des neugeborenen Friedrich, Fritz-Otto Lürssen, ist aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt und darf endlich wieder Schiffe bauen, auch große Schiffe. 1949 lassen die Bremer Werft-Arbeiter das Frachtschiff Stella zu Wasser. Ein Bremerhavener Fabrikant hat es bestellt. Die ersten Jahre nach dem Krieg hatte es schlecht ausgesehen für die Werft: Die Sieger planten zunächst die De-Industrialisierung Deutschlands und verboten den Bau von größeren Schiffen.So jung ist die Bundesrepublik im Oktober 1949 noch, dass sie nicht einmal eine Flagge hat. Die Stella fährt unter der Signalflagge „C", erst 1951 wurde lässt sich ein schwarzrotgoldenes Banner besorgen.

Während Friedrich als Nachkriegskind auf dem Werftgelände aufwächst, helfen die politischen Weichenstellungen der 50er Jahre seinem Vater Gert und seinen Onkel Fritz-Otto, wieder richtig in den Schiffsbau einzusteigen: Bundeskanzler Konrad Adenauer setzt die Wiederbewaffnung Deutschlands durch und den Beitritt zur NATO. Von jetzt an entwickelt sich Bundeswehr-Marine zum Hauptauftraggeber der Bremer Werft. Auch aus anderen Ländern kommen Anfragen. Während des Krieges hatte Lürssen sich einen guten Ruf beim Bau schneller Marineschiffe erworben. Die schwedische Marine bestellt sechs Motortorpedoboote. Auch die Royal Navy und die Franzosen ordern Lürssen-Schiffe. Indonesien kauft 26 Zollboote. 

"Meine Frau macht ziemlich was mit"

In den 60er Jahren floriert das Geschäft. Die Bundeswehr bleibt ein wichtiger Auftraggeber. Daneben stellt Lürssen auch Frachtschiffe her. Der eine oder andere Multimillionär ordert auch schon mal eine Motorjacht. Der Industrielle Herbert Quandt etwa kauft 1965 die „Seebär", und Kaufhausbesitzer Helmut Horten 1971 die „Carinthia V", die allerdings gleich bei ihrer Jungfernfahrt vor der griechischen Insel Kephalonia auf eine Untiefe lief und sank - kein Problem: Horten gibt sofort eine noch größere Yacht als Ersatz in Auftrag. 

Der junge Friedrich Lürssen muss Ende der 60er Jahre zur Bundeswehr. „Ich war bei der Marine, auf dem Schnellboot S 11 GEIER, einem Schiff, das wir selbst gebaut hatten", erinnert er sich. „Das hat mich schon stolz gemacht. Als das Schiff einmal zur Reparatur hier in die Werft kam, hatte ich Wache und musste das ganze Wochenende an Bord bleiben. Ich weiß noch, dass das ein komisches Gefühl war, aber als Soldat musste man gehorchen."

Nach dem BWL-Studium in Hamburg tritt Lürssen 1977 in das Unternehmen ein. „Auf einmal hatte ich viel mit Verteidigungsministerien und Millionären zu tun" erinnert sich der Werft-Chef und lacht. „Mein Leben ist seitdem schwer planbar – meine Frau macht ziemlich was mit". Bis heute. Neulich erst hatte das Ehepaar Karten für eine Operngala, aber Herr Lürssen musste kurzfristig ins Ausland, und Frau Lürssen alleine ins Konzert. „Da bekomme ich dann nachmittags einen Anruf, dass ich morgen zum Frühstück in Dubai oder sonst wo sein soll, und unsere Auftraggeber dulden dann auch keinen Aufschub."

Abrüstung bedeutet für Lürssen Probleme

In den ersten Jahren als Mitinhaber der Werft machte der frisch verheiratete Juniorchef mit den damals obligatorischen halblangen Haaren und dem Seitenscheitel auch schwierige Momente mit: Die Ölkrise 1973 lässt die Nachfrage nach großen Frachtern und Tankern auf Null sinken. Die darauf folgende Rezession tut ihr übriges, die Auftragsbücher bleiben leer. „Aus einer Art Verzweiflung heraus haben unsere Väter dann vorübergehend Fertigbauteile für Schulen und Reihenhäuser produziert", erinnert sich Lürssen. Hinzu kommt, dass Ende der 70er die Asiaten erstmals als Konkurrenz im Schiffsbau auf den Weltmarkt traten. „Zum Glück war uns damals schon klar: Gegen die Wettbewerber mit ihren niedrigen Löhnen haben wir im Frachtschiffbau keine Chance, denn das kann jeder. Deshalb konzentrierten wir uns auf das Geschäft mit dem Besonderen: Bis heute ist jedes unserer Schiffe ein Unikat." 

In den 80er Jahren folgt die Zeit der Abrüstung. Was die meisten Deutschen begrüßen, bedeutet für Lürssen Probleme. „Damals demonstrierten manchmal Menschen mit Transparenten unten am Werkstor, wenn wir ein Schiff für die Marine zu Wasser ließen", erzählt Lürssen. „Rüstungsfirma" wird zum Schimpfwort, der junge Firmen-Mitinhaber muss sich oft rechtfertigen. Ausgerechnet unter der CDU-Regierung Kohl ist Abrüstung das große Thema. Bei Lürssen merkt man immer deutlicher, dass die künftigen Etats der Verteidigungsminister kleiner ausfallen würden.  

Kurz vor dem Fall der Mauer beschließen die Bremer Schiffbauer daher, sich künftig zusätzlich auf exklusive Motoryachten zu konzentrieren. Eine weise Entscheidung, wie sich bald zeigen wird. Anfang der 90er Jahre ist der Dollar stark, und so kauften vor allem vermögende Amerikaner ihre Luxusschiffe bei Lürssen. „Yachting" ist „in", das neue Statussymbol der Reichsten wird die Yacht, und hier gilt: Je länger, desto prestigeträchtiger. Ab 2000 lösen reiche russische Milliardäre die Amerikaner ab, heute gehören zu den Kunden auch arabische Potentaten, die Luxusyachten lieben.  

Bis zu 300 Millionen Euro kostet solch ein schwimmendes Luxusdomizil. Da werden 2000 Quadratmeter edelster Teakholzboden verlegt und Marmorkacheln im „VIP"-Badezimmer, von denen das Stück mehr als tausend Euro kostet. Manche Auftraggeber wünschen sich Schaufenster in den Seitenwänden, um die vorbei springenden Delphine zu beobachten, andere bevorzugen ein meterdickes Guckloch aus Glas im Schiffsboden. In eine Yacht installierte Lürssen ein lederverkleidetes Kino mit Sesseln, die sich passend zum Geschehen auf der Leinwand bewegen. Die Auftraggeber sind natürlich streng geheim, da ist man bei Lürssen diskret. 

„Das ist doch ein prima Konjunkturprogramm", sagt der Werften-Chef. „Mit einem Auftrag kann ich ein paar hundert Leute ein bis zwei Jahre lang beschäftigen. Das ist doch viel besser, als wenn die Superreichen ihr Geld in Aktien anlegen." Die nächsten Jahre könnten allerdings schwierig werden. Yachten sind Luxusgüter, an denen selbst die Superreichen in schlechten Zeiten sparen. 

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