Autobahnbau Bund und Länder streiten um Macht und Geld

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"Wer bestellt, bezahlt"

Generalsekretär Wolfgang Steiger spricht von einem „Befreiungsschlag für Deutschland“. So koste der Neubau eines einzigen Kilometers Autobahn 27 Millionen Euro. Allein die Bürokratiekosten lägen in Deutschland bei 56 Prozent. „Österreich und die Schweiz bauen deutlich billiger – trotz der schwierigen Geografie“, so Steiger.

Wo Autofahrer bezahlen müssen
Österreich: Mautpflicht auf allen AutobahnenIn Österreich besteht für die Benutzung des gesamten Autobahnnetzes Vignettenpflicht. Die Vignette wird entweder für zehn Tage, zwei Monate oder das ganze Jahr verkauft. Die Preise liegen hierbei zwischen 8,50 Euro für die 10-Tages-Vignette, 24,80 Euro für die Zwei-Monats-Vignette und 82,70 für die Jahres-Vignette. Übergangsregelungen, wie bei der Benutzung des Pfändertunnels der die Reise nach Italien oder in die Schweiz verkürzt, gibt es nicht mehr. Quelle: dpa
Schweiz: Mautpflicht auf allen AutobahnenAuch für die Benutzung der Autobahnen in der Schweiz besteht Vignettenpflicht. Anders als in Österreich gibt es hier nur eine Vignette zu kaufen. Die Jahres-Vignette kostet 33 Euro, bei der Benutzung einzelner Tunnels fallen Extragebühren an. Wer ohne gültige oder mit manipulierter Vignette unterwegs ist, muss mit hohen Bußgeldern rechnen. Quelle: AP
Italien: Zwei verschiedene MautsystemeIn Italien wird die Autobahngebühr auf zwei verschiedene Arten berechnet. Für einen Großteil der Autobahnen  gilt das „geschlossene“ System, in dem die Gebührenhöhe nach Streckenlänge berechnet wird, hier werden etwa 5 Euro pro 100 Kilometer fällig. Im „offenen“ System wird an einer Mautstation ein Pauschalbetrag gezahlt.  Dieses System kommt jedoch nur auf einzelnen Strecken in Italien zur Anwendung, beispielsweise von Como am Comer See nach Mailand. Quelle: AP
Frankreich: Mautpflicht auf dem Großteil der Autobahnen Der Großteil der Autobahnstrecken in Frankreich ist mautpflichtig. Auch hier lassen sich etwa 5 Euro pro 100 Kilometer berechnen. Wie in Österreich oder der Schweiz kostet die Benutzung einzelner Tunnels extra. So werden beispielsweise für den Mont-Blanc-Tunnel  einfach 32,30 Euro fällig, für die Hin- und Rückfahrt werden 40,30 Euro berechnet. Einige wenige Autobahnen bzw. Autobahnabschnitte sind gebührenfrei, hierzu gehören die Stadtumgehungsautobahnen von Paris, Lyon, Marseille und Bordeaux sowie der grenznahe Autobahnabschnitt Saarbrücken bis St.Avod. Quelle: AP
Spanien: Überwiegend gebührenpflichtige Autobahnstrecken Auf allen Autobahnstrecken die mit „AP“ und „R“ ausgewiesen sind sowie verschiedene Tunnels und Brücken sind gebührenpflichtig. Die Gebühren in Spanien gehören zu den höchsten in Europa, hier kosten 100 Kilometer im Schnitt 8 Euro. In Madrid, Valencia oder Barcelona fallen auf Stadtumgehungsautobahnen keine Gebühren an. Sämtliche Autobahnstrecken auf den kanarischen und balearischen Inseln sind gebührenfrei.Bild: Matthias Schrader Quelle: dpa Picture-Alliance
Dänemark: Kostenpflichtige BrückenBei unseren dänischen Nachbarn sind einzelne Strecken, wie die Länderübergreifende Brücke zwischen Kopenhagen (Dänemark) und Malmö (Schweden), gebührenpflichtig. Der Preis liegt zwischen 29 und 34 Euro. Quelle: REUTERS
Griechenland: Wenige und günstige Autobahnabschnitte mit MautgebührAuf etwa zehn Autobahnabschnitten fallen Mautgebühren an, darunter die Strecke zwischen Thessaloniki und Athen. Für Autofahrer betragen die Preise zwischen 1 und 3,50 Euro, sie gehören zu den niedrigsten Gebühren europaweit. Quelle: dapd

Folgendes Modell soll das ändern:

  • Zentralorgan: Eine „Bundesverkehrsnetz AG“ übernimmt das „Sondervermögen Bundesverkehrswege“, also sämtliche Autobahnen, Bundesstraßen, Schienen und Wasserstraßen des Bundes.
  • Bauherr: Die Holding hält die Netze eigenverantwortlich in Schuss und baut, so es das Parlament beschließt, neue Verkehrsprojekte – das machen heute die Länder.
  • Eigenbudget: Aus der Maut wie Straßen-, Trassen- und Kanalgebühren finanziert die Gesellschaft den Unterhalt der Netze. Den Neubau bezahlt sie aus Steuermitteln.
  • Fremdkapital: Sie emittiert Anleihen, die sich Fonds, Versicherer und selbst Bürger kaufen können. Institutionelle Anleger investieren auch direkt in Projekte.

Der Vorteil laut Steiger: „In Zukunft muss das Motto lauten: Wer bestellt, bezahlt.“ Dadurch ließen sich 20 Prozent der Gesamtkosten allein beim Straßenbau einsparen. Über Bonus-Malus-Regeln ließen sich Anreize schaffen, schneller zu bauen.

Das Konzept hätte Charme – vor allem für den Verkehrsminister, der indirekt das Kommando übernähme. Deswegen regt sich Widerstand gegen solche Modelle – im Finanzministerium wie bei den Ländern.

Sie plädieren nach Informationen der WirtschaftsWoche für ein anderes Szenario: Der Bund finanziert und bestellt zwar weiterhin die Autobahnen, überweist aber nur einen Festbetrag an die Länder. Die wiederum übernehmen die Gesamtverantwortung für den Straßenbau. Der Vorteil für den Finanzminister: „Er wäre das Risiko los, dass Großprojekte wie Fahrbahnerweiterungen, Lückenschlüsse und Umgehungsstraßen finanziell aus dem Ruder laufen“, sagt Berater Schmid. Wolfgang Schäuble könnte sich weiterhin der schwarzen Null verschreiben. Die Länder aber hätten mehr Spaß am Bauen: Wenn es billiger wird, bleibt Geld übrig.

Für Dobrindt ist das kaum akzeptabel. Das BMVI müsste Kompetenzen abtreten. Doch die Länder haben einen Trumpf im Ärmel. Sie müssten für das Modell einer Bundesfernstraßengesellschaft oder Bundesverkehrsnetz AG, Rechte abtreten. Dem Bund gehören zwar die Straßen, aber die Länder übernehmen im Auftrag des Bundes Bau und Betrieb – inklusive Blankoscheck bei anfallenden Mehrkosten. So steht es im Grundgesetz, das mit Zustimmung der Länder geändert werden müsste.

Klares Signal

Der Disput könnte sich an der künftigen Rolle der Deutschen Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (Deges) fortsetzen. Die Berliner Gesellschaft könnte theoretisch die Aufgaben einer deutschen Asfinag übernehmen. Doch sie gehört nur zu 29 Prozent dem Bund, 71 Prozent teilen sich zwölf Bundesländer. Zuletzt kaufte sich NRW mit knapp sechs Prozent ein, ein Deges-Büro eröffnete im Januar in Düsseldorf. Klares Signal: Die Länder wollen beim Straßenbau eine gewichtige Rolle spielen.

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