Einblick

Der XXL-Staat braucht jetzt eine Diät

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Das Wettrüsten der Wahlkämpfer hat seinen Preis. Die Staatsausgaben werden wachsen, die Spielräume für Steuersenkungen schrumpfen. Zeit, umzudenken.

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Die deutsche Flagge und der Bundesadler. Quelle: dpa

Unter 10.000 Meter Flughöhe macht es derzeit keiner. Die Nation staunt über jede Menge hochtrabende Deutschlandpläne, Zukunftsvisionen und großes Politkino. Schulz und Co. überbieten sich gegenseitig mit ihren Wahlversprechen. Alles Mögliche wollen sie fördern, ausbauen und regeln. Größer, schneller, besser und vor allem digitaler soll das Land werden.

Mitten in dieser Orgie der Wohltäter wirkt der Bund der Steuerzahler wie ein Verein schlecht gelaunter Kleinkrämer. Der hat nämlich ausgerechnet, dass die Bürger noch nie so lange für den Staat arbeiten mussten wie in diesem Jahr. Bis vergangenen Mittwochmorgen, um genau zu sein. Die Gesamtbelastungsquote liegt jetzt bei 54,6 Prozent des Volkseinkommens. „Von jedem verdienten Euro bleiben somit nur 45,4 Cent zur freien Verfügung übrig“, kritisiert Verbandspräsident Reiner Holznagel bei jeder Gelegenheit.

Dass es zwischen den Wahlprogrammen der Gönner und den Warnungen der Cent-Spalter einen Zusammenhang gibt, kriegen leider immer noch zu wenige auf die Reihe. Die Finanzierung der Wahlgeschenke muss ja irgendwo herkommen, was kollektiv gerne mal verdrängt wird. Solange die Wirtschaft derart hochtourig läuft, wie es gerade der Fall ist, kümmert das sowieso die wenigsten. Warum auch, die CDU verspricht ja zusätzlich zu allen Wohltaten 15 Milliarden Euro Steuererleichterungen, andere gar 30 Milliarden.

Doch diese scheinbar beste aller Welten wird nicht von Dauer sein. Und bevor der Staat dann den letzten Leistungsanreiz für Leistungswillige wegsteuert, sollte man sich vorher überlegen, wie der öffentliche Sektor mit weniger Geld auskommt. Welche Aufgaben besser ein Privater oder vielleicht gar keiner übernimmt, weil sie überflüssig sind oder nur für eine lobbystarke Bonsai-Interessengruppe eingeführt wurden.

Das böse Wort vom „schlanken Staat“ zu verwenden gilt heutzutage schon fast als Mutprobe, so verpönt ist inzwischen die Forderung nach einer effizienten Verwendung der Mittel. Mancher wähnt da schon den neoliberalen Totengräber des Gemeinwesens am Werk, den Brachialkapitalisten mit der Sehnsucht nach dem Nachtwächterstaat. Dabei geht es nur darum, den XXL-Staat auf L abzuspecken und so das Naturgesetz der steigenden Staatsausgaben zu durchbrechen.

Das hat viel auch mit der Einstellung jedes Einzelnen zu tun. Nicht alles im Leben muss irgendein Ministerium fördern. Manchmal kriegt man das auch alleine hin. Erst wenn gar nichts mehr geht, braucht es ein Auffangnetz.

Ohne Umparken im Kopf wird das nicht gehen. Zu groß scheint seit der Finanzkrise in der Bevölkerung der Glaube zu sein, dass im Zweifel der Gesetzgeber dem Markt überlegen ist. Das gilt besonders für ein Land, in dem sich laut einer Umfrage 54 Prozent der Studenten über eine Verbeamtung freuen würden. Doch erst wenn sich 54 Prozent über die Gründung der eigenen Firma freuen würden, wäre Deutschland einen Schritt weiter – und um ein kostenloses Zukunftskonzept reicher.

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