FDP-Spitzenkandidatin Steiner „Geben Sie uns noch ein halbes Jahr“

Die Unternehmerin Lencke Steiner will die FDP zurück in die Erfolgsspur bringen. Im Interview erklärt die Spitzenkandidatin für die Bremer Bürgerschaftswahl, warum das trotz mieser Umfragewerte möglich ist.

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Lencke Steiner: Mit wirtschaftlichem Sachverstand die FDP zum Erfolg führen. Quelle: Marc-Steffen Unger für Handelsblatt

Lencke Wischhusen ist ein umtriebiger Mensch. Als Geschäftsführerin der W-Pack Kunststoffe GmbH & Co. KG (50 Mitarbeiter) in Bremen-Huckelriede führt sie den Verband „Die Jungen Unternehmer“ und ärgert die Politik mit spitzen Zitaten. Und auch in der Vox-Gründer-Show „Die Höhle der Löwen“ nimmt sie kein Blatt vor den Mund. Die Schlagfertigkeit der 29-Jährigen, die im August geheiratet hat und seitdem Steiner heißt, ist auch der FDP nicht verborgen geblieben. Die Liberalen konnten sie überreden, als Spitzenkandidatin für die Bürgerschaftswahl in Bremen ins Rennen zu gehen. Die Umfragen verheißen nichts Gutes. Lencke Steiner beeindruckt das wenig. Im Interview steckt sie sich selbstbewusst ihr Wahlziel: Mit acht Prozent will die Parteilose die FDP ins Parlament zurückführen. „Und wenn das alles klappt“, verspricht sie, „dann trete ich selbstverständlich auch in die FDP ein.“

Frau Steiner, Sie sind parteilos, engagieren sich aber jetzt an vorderster Front für die FDP – warum?

Parteilos bin ich geblieben, weil ich den Wählern und den Bürgern zeigen will, dass wieder Vertrauen in die Politik der Liberalen hergestellt werden muss. Deshalb glaube ich, dass es jetzt ganz wichtig ist ein Signal zu setzen, in erster Linie für Themen zu stehen und sich dafür zu engagieren. Und wenn das alles klappt, wovon ich ausgehe, dann trete ich selbstverständlich auch in die FDP ein.

Wann wäre dann der richtige Zeitpunkt?

Hoffentlich am 10. Mai.

… dem Tag der Bürgerschaftswahl in Bremen. War es immer schon ein Wunsch von ihnen, sich politisch für eine Partei zu engagieren?

Hätten Sie mich als Jugendliche gefragt, hätte ich es mir überhaupt nicht vorstellen können.

Warum?

Ich war früher eher jemand, der sich nicht so stark für Politik interessiert hat. Denn die junge Generation wird nicht mehr so sehr mit Politik konfrontiert. Es gibt zu wenig Politik- und Wirtschaftsunterricht in den Schulen. Das ist ein wirkliches Problem, was wir anpacken müssen. Junge Menschen sollten ans politische Geschehen herangeführt werden. Bei mir hat sich das mit meiner unternehmerischen Tätigkeit und meinem Engagement beim Verband „Die Jungen Unternehmer“ geändert.

Wie hat ihr persönliches Umfeld auf ihre FDP-Spitzenkandidatur für die Bremer Bürgerschaftswahl reagiert?

Zuerst eher zurückhaltend. Viele wollten wissen, warum ich das mache. Als ich dann erklärt habe, dass gerade jetzt eine starke liberale Stimme mehr denn je fehlt, weil die Große Koalition einen Einheitsbrei bietet, hat das jeder nachvollziehen können und gesagt. Ja, stimmt, mach das, wir stehen dahinter.


„Das Wasser, in dem wir sitzen, wird immer heißer“

Warum ausgerechnet die FDP?

Ich fühle mich mit meinen politischen Ansichten völlig unterrepräsentiert und finde mich gerade was Mittelstandsthemen betrifft in der Politik der Großen Koalition überhaupt nicht wieder. Da gibt es kaum jemanden, der sich dafür noch glaubhaft engagiert. Union und SPD machen lieber reine Klientelpolitik. Hier ist eine große Lücke entstanden, die die FDP wunderbar füllen kann. Da sehe ich sehr gute Chancen.

Und die Unternehmer in Ihrem Verband sehen das auch so?

Man kann die Unternehmer nicht alle über einen Kamm scheren.

Wie waren die Reaktionen auf Ihr FDP-Engagement?

Ich wusste zunächst nicht, wie das ankommen würde, weil ich ja schon deutlich Flagge zeige, obwohl ich parteilos bin. Ich habe aber viele positive Rückmeldungen bekommen.

FDP-Chef Christian Lindner sagte kürzlich über Sie: „Sie bringt alles mit, was der Politik in Bremen fehlt: Mut und Witz, wirtschaftliche Praxis und Kompetenz.“

Charmant, oder?

Wenn dem so ist, dann dürfte es ja kaum ein Problem sein, die Liberalen in die Bremer Bürgerschaft zurückzuführen. Wie ist Ihre Einschätzung?

Wir befinden uns ja in der Vorweihnachtszeit. Da darf man dann auch Wünsche äußern. Mein Ziel ist, 8 Prozent zu erreichen.

Sehr ambitioniert.

Warum soll das nicht klappen? Es geht ja nicht nur um Themen, sondern auch um Personen. Bei mir wissen die Bürger, was sie wählen. Dadurch, dass ich in den vergangenen Jahren den Verband „Die Jungen Unternehmer“ zunächst in Bremen, dann im Bund geleitet habe, ist bekannt, für welche Themen ich stehe. Die Menschen kennen meine politische Ausrichtung. Und sie wissen auch, dass ich mich generationenübergreifend engagiere. Ein Denken in Amtsperioden, wie bei vielen Politikern üblich, gibt es bei mir nicht. Die große Frage, die sich mir tatsächlich stellt, ist: Erkennen die Menschen, dass das Wasser, in dem sie sitzen immer heißer wird.

Was meinen Sie damit?

Wir befinden uns derzeit in einer Situation, in der es uns eigentlich gut geht. Auch in Bremen. Man sieht die erdrückende Verschuldung nicht. Das lässt sich schwer greifen. Meine Aufgabe wird sein, den Menschen in dieser Hinsicht die Augen zu öffnen. Wenn mir das gelingt, haben wir gute Chancen.


„Ich will dafür kämpfen, dass Bremen aus seinen Schulden kommt“

Bremen hat tatsächlich ein immenses Ausgabenproblem, weshalb der Senat im Sommer auch eine Haushaltssperre verhängt hat. Wie werden Sie im Wahlkampf damit umgehen?

Es muss sich mehr auf der Ausgabenseite tun und wir müssen die Wirtschaft Bremens stärken. Als Stadtstaat bietet Bremen viele Vorteile: große Flexibilität, kurze Wege. Wir sind zweitgrößter Hafen-Logistikstandort und damit auch lukrativ für die Industrie. Wir haben ja Einnahmen, nur werden sie falsch ausgegeben. Das Land und seine Kommunen müssen sich bei wirtschaftlichen Aktivitäten zurückhalten und die Verwaltung effizienter und damit günstiger machen. Auch Privatisierungen dürfen kein Tabu sein.

Von 2020 an dürfen die Bundesländer keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Auch deshalb setzen die Länder darauf, dass der Solidaritätszuschlag nach Auslaufen des Solidarpakts 2019 erhalten bleibt, damit sie ihre Haushalte sanieren können. Wie stehen Sie zum Soli?

Ich würde mir wünschen, dass der Soli abgeschafft wird, weil es auch ein Versprechen an die Bürger war. Im Moment wird dieses aber gebrochen, was das Vertrauen in die Politik beschädigt. Da ist jetzt die Große Koalition am Zug.

Die saarländische Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer meinte jüngst, ohne Übernahme der Altschulden könnten ärmere Bundesländer die Schuldenbremse nicht dauerhaft einhalten. Dann führe kein Weg an einer Neugliederung Deutschlands vorbei. Was halten Sie von Länderfusionen?

Das ist ein heikles Thema. Denn dann müssten die Bürger in den betroffenen Ländern diese ja gewissermaßen selbst abschaffen. Deshalb glaube ich nicht, dass es dafür Mehrheiten gibt. Ich will dafür kämpfen, dass Bremen aus seinen Schulden kommt.

Das wäre dann eher ein Projekt für die Zukunft. Sehen Sie Alternativen, die Schuldenlast für Bremen nicht weiter ausufern zu lassen?

Ich bin überzeugt, dass es den Länderfinanzausgleich weiter geben wird und reiche Länder, ärmere Ländern auch in Zukunft unterstützen müssen. Es wird nicht anders funktionieren. Aber wir brauchen mehr Wettbewerb unter den Ländern und mehr Eigenverantwortung.


„Ich möchte keine Quotenfrau sein. Ich finde das diskriminierend“

Womit die Länder auch umgehen müssen, ist die Politik der Bundesregierung – Stichwort: Energiewende. Aber auch die Rentenreform und der Mindestlohn.

Wenn Arbeitsplätze wegen des Mindestlohns ins Ausland verlagert werden, dann ist damit niemandem geholfen. Gerade Bremen würde das schwer treffen. Hier gibt es bereits die höchste Arbeitslosenquote in ganz Deutschland. Mit einem staatlich verordneten Mindestlohn wird arbeitslosen Menschen erst Recht die Chance genommen, auf den regulären Arbeitsmarkt zurückzukommen.

Der Mindestlohn ist jetzt nicht mehr aufzuhalten.

Das ist leider so. Deshalb hoffe, ich, dass die Große Koalition nicht noch mehr Schaden anrichtet. Flexible Arbeitszeitmodelle müssen erhalten bleiben. Befristete Arbeitsverträge sollten genauso weiterhin möglich sein wie Zeitarbeits- und Werkverträge. Diese Instrumente sind wichtig, um die Rekordbeschäftigung auch in Zukunft gewährleisten zu können. Das zurückzunehmen, wäre totaler Quatsch.

Die Rente mit 63 schlägt auch auf den Arbeitsmarkt durch.

Ja. Die Rente mit 63 ist eine Katastrophe und kostet Unsummen, die wir besser in Bildung und Infrastruktur investieren sollten. Und die Jungen müssen später für diese ungerechte Politik gerade stehen.

Was halten Sie von der Frauenquote?

Ich glaube, dass viele Frauen davon abgehalten werden Karriere zu machen, weil die Kinderbetreuungssituation für sie nach wie vor ein großes Problem darstellt. Selbst wenn es heißt, die Betreuung ist gewährleistet, kann es passieren, dass man als Eltern eine halbe Stunde zur Kita fahren muss. Und dann ist man auch noch mit Kita-Öffnungszeiten konfrontiert, die mit dem Büroalltag kollidieren. Das heißt: Vielen Frauen wird die Chance verwehrt, eine Familie zu gründen und Karriere zu machen. Hier muss mehr passieren. Und die Quote ist dafür der völlig falsche Ansatz. Ich möchte keine Quotenfrau sein. Ich finde das diskriminierend.


„Union und FDP können Sie in einen Pott schmeißen“

Trotz der Kritik an die Politik der Bundesregierung scheinen die Bürger der Union und der Großen Koalition aber nicht überdrüssig zu sein. In den Umfragen stehen Angela Merkel und die CDU gut da.

Uns geht es gut. Die Umstände sind derzeit so, dass die meisten ein vergleichsweise gutes Leben führen können. Diese Zufriedenheit schlägt sich nieder in der Zustimmung für Frau Merkel. Diese Zufriedenheit ist aber gefährlich. Wir – allen voran die Große Koalition - leben zu sehr im heute und denken viel zu wenig ans Morgen. Union und SPD verkörpern eine Einheitspolitik, die für die Zukunft keine Antworten hat.

Union und SPD arbeiten eben den Koalitionsvertrag ab.

Der wurde aber von zwei Partnern gemacht, die Sie in einen Pott schmeißen können. Gerade deshalb ist es wichtig, dass die FDP wieder stark wird und zeigt, dass es auch anders geht.

Aber die FDP will niemand.

Das glauben Sie. Ich glaube das nicht und die Rückmeldungen, die ich bekomme, sind auch andere.

Die Umfragen sprechen eine andere Sprache.

Geben Sie uns noch ein halbes Jahr. Ich glaube, Umfragen sind auch von der Konjunktur abhängig. Und die Prognosen für das kommende Jahr sehen eher düster aus, woran die Bundesregierung einen großen Anteil hat. Dadurch wird deutlich, dass die Große Koalition doch nicht so toll ist wie viele vielleicht meinen. Einige große Projekte können uns noch vor der nächsten Bundestagswahl um die Ohren fliegen. Dann wird es auch für die Union ungemütlich werden.

Die AfD kritisiert die Regierung auch, bewegt sich aber anders als die FDP in Umfragen deutlich über 5 Prozent.

Die AfD spielt mit den Ängsten der Menschen. Das kann ich nicht gutheißen. Die FDP geht einen anderen Weg, indem sie den Leistungsgedanken betont, den Menschen Chancen aufzeigt und nicht Vorurteile gegenüber Minderheiten schürt.

Welche Fehler von früher sollte die FDP vermeiden?

Jeder Politiker sollte zu dem stehen, was er und sie im Wahlkampf ankündigt hat und dieses dann auch umsetzen. Genau das werde ich in Bremen machen.

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