Gabriels Fiasko bei Edeka/Tengelmann Die Ministererlaubnis muss weg

Sigmar Gabriel hat sich für die Übernahme Edeka/Tengelmann eingesetzt – und verhoben. Es ist höchste Zeit, die Ministererlaubnis abzuschaffen.

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Sigmar Gabriel: Minister ohne Erlaubnis Quelle: REUTERS

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wusste genau, welcher Sprengsatz da auf seinem Schreibtisch tickte. Sollte er persönlich per Ministererlaubnis die Übernahme der Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann (16.000 Beschäftigte) durch Marktführer Edeka (327.900) ermöglichen, die größte Fusion im deutschen Einzelhandel seit vielen Jahren? Gegen das Votum des Bundeskartellamts? Gegen die Bedenken der Wettbewerbshüter, der so geschaffene Riese könne den Kunden Preise „diktieren“?

Der Herr Minister brütete und ging auf Tauchstation. Baten Medien, darunter die WirtschaftsWoche, um Einsicht in die Korrespondenz und Unterlagen „zur Terminierung von Gesprächen“ im laufenden Fall, stießen sie im Ministerium immer wieder auf Ablehnung. Das rechtsstaatliche Verfahren solle „nicht durch ein vorzeitiges Bekanntwerden verfahrensrelevanter Informationen“ beeinträchtigt werden, so lautete die Begründung.

Gericht erklärt Gabriel für "befangen"

Rechtsstaatliches Verfahren? Die Ministererlaubnis, die Gabriel schließlich im März 2016 erteilte, hat zumindest das Oberlandesgericht Düsseldorf nicht überzeugt. Es habe kein „transparentes, objektives und faires Verfahren“ und keine „unverzichtbare, gleichmäßige Einbeziehung aller Verfahrensbeteiligten“ gegeben, ließen die Richter am Dienstag verkünden. Freimütig erklären sie Gabriel, immerhin Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland, für „befangen“ – er hätte die Entscheidung nicht treffen dürfen, weil er voreingenommen agierte.

Autsch. Das Düsseldorfer Urteil ist zwar noch nicht die Entscheidung in der Fusions-Hauptsache, doch diese dürfte ähnlich ausfallen. Schon jetzt ist die Entscheidung aber ein Super-GAU für den wahrscheinlichen SPD-Kanzlerkandidaten, der am Mittwoch eigens aus dem Urlaub nach Berlin eilte und vor der Hauptstadtpresse die Feststellungen des Gerichts empört zurückwies. Dann werde er eben vor den Bundesgerichtshof ziehen, sagte ein zutiefst gekränkter Minister.

"Das ist undemokratisch und intransparent"

Aber der Richterspruch ist mehr als eine persönliche Klatsche. Er wirft auch die grundsätzliche Frage auf: Ist das Instrument der Ministererlaubnis nicht das wahre Problem? Schließlich stellt sie eine grobe Einmischung in den freien Wettbewerb dar, sie erinnert in ihrer Intransparenz und dem Zuschnitt auf einen Entscheider an Gnadenrechte, wie sie Königen vorbehalten sind, nicht aber gewählten Politikern.

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

„Eine Person darf alleine entscheiden und muss sich dabei niemandem erklären. Das ist undemokratisch und intransparent“, sagt Katharina Dröge, Wettbewerbsexpertin der Grünen im Bundestag. Künftig solle eine Entscheidung des Bundeskartellamtes nur dann noch von der Politik revidiert werden, wenn das Parlament ein Mitspracherecht erhalte. „Die Ministererlaubnis ist ein Relikt“, meint FDP-Chef Christian Lindner. Auch in der Union denkt man über eine Reform nach, bei der die Stellung des Wirtschaftsministers geschwächt würde.

Und selbst in der SPD gibt es einige, die so ein Instrument gerade für Politiker mit Hang zum Interventionismus für verhängnisvoll halten – einen Hang, den Gabriel gerade erst wieder zeigte, als chinesische Investoren nach der Macht beim Roboterhersteller Kuka griffen. Da forderte er lautstark besseren Schutz europäischer Unternehmen vor unliebsamen Übernahmeversuchen. Doch deutsche Konzerne und auch die Öffentlichkeit werteten die Offerte des chinesischen Haushaltsgeräteherstellers Midea eher als normale marktwirtschaftliche Transaktion.

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