Gerhard Schröder Wie bei den Stachelschweinen

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„Sie ahnen gar nicht, wie recht Sie haben.“



Entspannt zeigt sich der Mann aus Hannover beim Thema Donald Trump, den er an diesem Abend nur den „gegenwärtigen Präsidenten“ nennt. Er hoffe auf Institutionen und Berater, die ihn einhegen, so Schröder. Auch über Ronald Reagan habe sich einst jeder mokiert („dieser Schauspieler!“), am Ende jedoch sei aus ihm ein in der Außenpolitik erfolgreicher US-Präsident geworden.

Im Übrigen lästert der Ex-Kanzler über Reisebeschränkungen und steuert eine persönliche Anekdote bei. So habe er für einen geplanten Vortrag in New York ein Visum gebraucht, doch dafür hätte er im US-Konsulat Auskunft über den Inhalt seiner Rede und die Bezahlung geben müsse.

Grund: Schröder war als Ehrenvorsitzender des Nah- und Mittelost-Vereins mehrmals im Iran gewesen. Der Sozialdemokrat mied also den anberaumten Termin und verzichtete auf New York, wo die Redneragentur „Harry Walker“ sitzt, die ihn gegen stattliches Honorar vermittelt. Das alles sei aber nicht durch Trump, sondern sei in der Ära von Barack Obama angeordnet worden, brachte er in Erfahrung.

Alles in allem zeigt sich Schröder in München über mehr als eine Stunde tatsächlich als jemand, der den „ Schulz-Effekt“ vollkommen vergessen lässt. Klar, er ist 73, doch in diesem Alter war auch Helmut Schmidt noch einmal für ein Comeback als Kanzler gehandelt worden. „Unser Elder Statesman“, wie ihn Diplomat Michael Steiner an diesem Europa-Tag auf offener Bühne lobt, geht selbst inzwischen einigermaßen fröhlich mit seinen alten Titeln um. Als er in München wieder und wieder als „Herr Bundeskanzler“ umschmeichelt wird, platzt es aus ihm heraus: „Lassen wir es bei Schröder! Es hat sich ausgekanzlert.“

Und doch ist er, bei aller Koketterie, derzeit so präsent wie in früheren Jahren. Die Leute fragen: Wo ist Schulz? und erleben: Hier ist Schröder. Er reist zu Unternehmern nach Bielefeld, adelt die Feier zu 150 Jahre Unterbezirk Wiesbaden, er gibt Interview auf Interview und empfiehlt etwa aktuell im „Münchner Merkur“ Ampelkoalitionen aus SPD, FDP und Grünen, er ist in einer großen TV-Dokumentation zu sehen und übernimmt zuhauf Aufsichtsratsmandate. So schaut er inzwischen bei Nord Stream, Hannover 96 und Martin Herrenknecht nach dem Rechten.

In München hat ihn Rechtsanwalt Stavros Konstantinidis, in Verbindung mit Sponsoren, zu den Unternehmern der IHK geholt: „Wir haben gute Verbindungen.“ Die beiden trinken öfter Rotwein zusammen, keinen griechischen, wie Schröder anmerkt. Seinen Zuhörern in München hinterlässt er noch ein Lob der politischen Führung, die wichtige Reformen ohne Rücksicht auf Wahlerfolge angehe, also quasi ein Selbstlob seiner „Agenda 2010“.

Das sei eine schmerzhafte, aber unausweichliche Reform gewesen, „auch wenn sie mich den Job gekostet hat“. Die bei einer Fragerunde im Saal deshalb gespendeten Lobeshymnen quittiert Schröder mit gespielter Ironie: „Danke für die Lorbeeren. Sie ahnen gar nicht, wie recht Sie haben.“ Und einen Fragesteller, der sich als SPD-Kandidat für den Bundestag präsentiert, bescheidet der Altkanzler in aller erhabenen Unabhängigkeit feixend: „Das muss ja nicht sein.“

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