Görlachs Gedanken

Warum Christen für die „Ehe für alle“ kämpfen sollten

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Rückfall in eine vor-moderne Staatsfrom

Was genau nehmen die homosexuellen Paare heterosexuellen weg? Nichts, denn es handelt sich ja um eine Gleichstellung, nicht um eine Privilegierung. Hier wird deutlich, dass es bei der biblischen Argumentation darum geht, eine bestimmte Identität zu präservieren. Aber die Gleichheit vor dem Gesetz stellt die wesentlichste Grundlage des aufgeklärten, liberalen Staates dar. Hier steht religiöse Identität gegen Aufklärung. Wenn in den USA Bäcker unter dem Verweis auf ihre Religionsfreiheit ablehnen können, homosexuelle Paare zu bedienen, dann ist das nicht ihr gutes Recht, sondern der Rückfall in eine vor-moderne Staatsform, die der Mehrheit erlaubt, eine Minderheit zu drangsalieren. Das bonum commune, ist das Gute, das eine Gemeinschaft braucht und für sich definiert, um ein Zusammenleben in Fairness und Gerechtigkeit zu gewährleisten. Religiöse Motive sind nur insofern relevant, als sie zur Etablierung und Erhaltung dieses Gemeinwohls beitragen. Nicht wenige würden sagen, dass ein Eintreten für die Rechte von Minderheiten christlich sei. In der Verfassungsordnung der Bundesrepublik ist die Gleichheit vor dem Gesetz zwingende Konsequenz aus der allen Menschen gemeinsamen Menschenwürde.

Der Philosoph Norbert Bolz über den ewigen Störenfried Martin Luther, das Versagen des deutschen Protestantismus und die Frage: "Was ist Sünde?"
von Christopher Schwarz

In einer säkularen Wertordnung hat der Verweis auf eine religiöse Quellen als Grundlage für Diskriminierung keinen Platz. Den Verfechtern der Ungleichheit ist das bewusst, weswegen sie mit einem postulierten Naturrecht Alternativlosigkeit in dieser Frage simulieren. Ihnen seien schlicht die Hände gebunden. Naturrecht heißt für sie: An der Anordnung der primären Geschlechtsorgane von Mann und Frau könne man empirisch ablesen, was der Plan der Natur  sei. Das Glied gehört in die Scheide. Deus lo vult, Gott will es. Es muss einmal gesagt werden, dass diese Versuchsanordnung noch nicht einmal im Naturkunde-Unterricht der Sexta überzeugen kann. Es gibt dicke, dünne, lange, breite, tiefe, kurze, Sie wissen schon. Die Wirklichkeit ist komplizierter als ein Merksatz aus dem Katechismus. Und die Sexualforschung weiß, dass Mann und Frau nicht einfach so auf wundersame Weise immer gemeinsam kommen. Es gibt keine naturrechtliche Vorlage für menschliche Sexualität. Auf keinen Fall in der von den Gegnern der „Ehe für alle“ propagierten Weise.

Das haben viele Länder um die Bundesrepublik herum bereits erkannt und die „Ehe für alle“ zur Rechtsnorm gemacht, darunter katholisch geprägte Länder wie Irland, Frankreich, Spanien und Italien. In Deutschland ist die „Ehe für alle“ bisher vor allem an der Union gescheitert. Ob CDU-Generalsekretär Peter Tauber sich von den Äußerungen der einen oder anderen Seite hat überzeugen lassen, ist nicht überliefert. 

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