Investitionsoffensive Bund schüttet Milliarden für Kommunen aus

Deutschlands Infrastruktur ist vielerorts marode. Brücken und Straßen sind kaputt, Schulen verfallen, das Internet lahm. Jetzt nutzt Schwarz-Rot die gute Wirtschaftslage, um die Investitionskraft der Kommunen zu stärken.

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Hier schmeißt der Staat das Geld zum Fenster raus
Das Schwarzbuch 2017/18, herausgegeben vom Bund der Steuerzahler Deutschland. Quelle: dpa
Münchner Maximilianeum Quelle: dpa
Schutzwürdige Bäume in Hameln Quelle: dpa
Wohncontainer für Flüchtlinge Quelle: dpa
Bundestag Quelle: dpa
Frankfurt am Main Quelle: dpa
Ehrenbürg-Gymnasium in Forchheim Quelle: dpa

Die große Koalition will mit einer Milliarden-Investitionsoffensive auch klammen Kommunen unter die Arme greifen. Wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Dienstag bekanntgab, wird der Bund neben seinem bereits bekannten Zehn-Milliarden-Paket den Kommunen im Jahr 2017 eine zusätzliche Finanzspritze in Höhe von 1,5 Milliarden Euro geben. Damit sollen Städte und Gemeinden ihre marode Infrastruktur sanieren.

Darüber hinaus wird Schäuble noch im laufenden Jahr ein Sondervermögen von 3,5 Milliarden Euro aufbauen, aus dem Investitionen in finanzschwachen Gemeinden bezahlt werden sollen. Unter dem Strich bekommen die Kommunen damit in den nächsten Jahren fünf Milliarden Euro extra.

Die 15 größten Steuergeld-Verschwendungen
1,3 Millionen Euro für mitdenkende FußbödenDas Bundesforschungsministerium (BMBF) kümmert sich um mitdenkende Fußböden in Wohnungen, Hotels, Seniorenheimen und Kreuzfahrtschiffen. „Sensfloor“ heißt das Subventionsprojekt. Entwickelt werden soll ein sensorischer Bodenbelag, „der Senioren unauffällig zu mehr Sicherheit und Komfort“ verhelfen soll. Dazu gehört „beispielsweise das automatische Anschalten des Lichts, sobald nachts jemand im Zimmer den Boden betritt“. 1,3 Millionen Euro fließen in den „Sensfloor“. Neben zwei Universitäten erhält die Future-Shape GmbH mit knapp 900.000 Euro den Löwenanteil. Aber auch die Meyer Werft GmbH, die unter anderem die AIDA-Kreuzfahrtschiffe baut, wird bezuschusst (rund 23.000 Euro). „Mit dem demografischen Wandel eröffnen sich für die Wirtschaft viele neue Marktchancen. Senioren sind eine wachsende und zum erheblichen Teil auch durchaus zahlungskräftige Zielgruppe, die genau weiß, was sie will“, heißt es in der Projektbeschreibung. Der Bund der Steuerzahler versteht deswegen nicht, warum hier Subventionen nötig sind. Quelle: dpa
1,4 Millionen Euro für maßgeschneiderte BusinesssoftwareBeim Projekt „ValueGrids“ geht es darum, Businesssoftware maßzuschneidern. Das soll den Megatrend „software as service“ (SaaS) unterstützen, bei dem Unternehmen für die individuelle Nutzung spezifischer Softwaredienstleistungen bezahlen, statt Lizenzgebühren für Standardsoftware zu entrichten. Anbieter und Kunden von SaaS sollen also leichter zueinander finden. Das Ganze wird mit 1,4 Millionen Euro vom Bundesforschungsministerium bezuschusst. Subventionsempfänger sind zwei staatliche Forschungsinstitutionen und drei Softwareunternehmen, darunter IBM (rund 78.000 Euro) und SAP mit dem größten Subventionshappen (rund 654.000 Euro). Der Bund der Steuerzahler hält es für problematisch, dass Konzerne mit Milliardengewinnen wie IBM und SAP in dieser Höhe Steuergelder erhalten. Quelle: dpa
1,4 Millionen Euro für die Produktion von SynthesegasDas noch bis Jahresende laufende Projekt „Dry-Ref“ soll erforschen, wie aus Kohlendioxid Synthesegas, also letztlich Chemierohstoffe und gegebenenfalls Kraftstoffe – hergestellt werden können. Die Grundidee ist nicht neu, verschiedene Verfahren mit unterschiedlicher Ausreifung sind bekannt. Das Projekt kostet knapp 1,4 Millionen Euro und wird vom Bundeswirtschaftsministerium bezahlt. Der Großteil fließt an die BASF (312.000 Euro) und an die BASF-Tochter hte AG (485.000 Euro) sowie an die Linde AG (45.000 Euro). Der Rest – rund 533.000 Euro – geht an drei universitäre Einrichtungen. Der Bund solle lieber die Steuerzahler schonen, anstatt DAX-Unternehmen zu unterstützen, findet der Bund der Steuerzahler. Quelle: Reuters
1,4 Millionen Euro für einen Bundestags-FilmDie Bundestagsverwaltung initiierte den Image-Film „Dem deutschen Volke – Eine parlamentarische Spurensuche. Vom Reichstag zum Bundestag“, der im Frühherbst vergangenen Jahres rund zwei Wochen lang allabendlich, umrahmt von aufwendigen Licht-, Bild- und Toneffekten, auf das große Rundfenster des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses projiziert wurde. Kostenpunkt 376.544 Euro, also mehr als 22.000 Euro pro Tag. Das Projekt soll in diesem Jahr ausgebaut werden und im Sommer drei Monate lang vorbeigehende Touristen und Berliner beglücken. 1,4 Millionen Euro sollen die Steuerzahler hierfür berappen. Der Bund der Steuerzahler hält es für „unverhältnismäßig und überzogen, wenn für einen Selbstdarstellungsfilm 1,4 Millionen Euro quasi gegen die Wand gesetzt werden sollen. Bei Kosten von mehr als 15.000 Euro pro Tag müssen sich die Steuerzahler wie in einem schlechten Film vorkommen.“ Quelle: dpa
1,6 Millionen Euro für die BierproduktionDeutschlandweit und ressortübergreifend fördert die Bundesregierung auch die Bierproduktion mit Steuergeldern. Die Warsteiner-Brauerei in Nordrhein-Westfalen bekommt derzeit 83.000 Euro vom Bundesforschungsministerium, damit per Funksensoren große Brauereiprozessanlagen besser überwacht werden können. Die Bayerische Erdinger Weißbräu GmbH erhält vom Bundeswirtschaftsministerium über 1,4 Millionen Euro für den Einsatz einer Brennstoffzelle zur Energieversorgung einer Braustätte mit direkter Nutzung von eigenem Biogas. Die Brauerei Landsberg GmbH in Sachsen-Anhalt darf sich über knapp 95.000 Euro freuen, damit Bierreifungsprozesse optimiert werden. Der Steuerzahlerbund sieht das Geld anderswo besser aufgehoben. Quelle: obs
1,6 Millionen Euro für ein Messgerät für dichte FensterMit mindestens 1,6 Millionen Euro fördert das Bundeswirtschaftsministerium die Entwicklung eines neuen mobilen Messgeräts, welches den Wärmeverlust von bereits verbauten Fenstern messen soll. Die Entwicklung übernimmt ein Konsortium unter Beteiligung von acht namhaften Unternehmen der Branche wie Roto, das zudem auch ein Bewertungstool für Sanierungsmaßnahmen im Fensterbereich anfertigen und den Alterungsprozess von Fenstern bewerten soll. Das Thema energieeffiziente Gebäudesanierung steht bei der Bundesregierung hoch im Kurs. Bei der Wärmedämmung von Gebäuden bilden insbesondere Fenster eine Quelle des Wärme- und damit Energieverlustes. Allerdings sei es nicht Aufgabe der Steuerzahler, ein solches Messgerät öffentlich zu fördern, sagt der Steuerzahlerbund. Quelle: Pressefoto
2,2 Millionen Euro für leichtere AutosIm April 2011 startete das Bundesforschungsministerium ein Förderprojekt für mindestens drei Jahre, Fördervolumen rund 2,2 Mio. Euro. Ziel sind leichtere Autos. Beteiligt sind Evonik Industries AG, Johnson Controls GmbH, Jacob Plastics GmbH, Toho Tenax Europe GmbH sowie die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen. Der Steuerzahlerbund findet es die Subventionierung einzelner Autoteile „grotesk“. Die Autoindustrie und ihre Zulieferer würden es auch alleine schaffen, neue Werkstoffe und Konstruktionstechniken zu entwickeln, um Autos leichter und dadurch verbrauchsärmer zu machen. Quelle: dpa

Zuvor hatten sich die Regierung und die Koalitionsspitzen darauf geeinigt, wie das von Schäuble schon im November angekündigte Zehn-Milliarden-Paket des Bundes auf die Ministerien verteilt wird. Die Hilfen für die Kommunen haben mit diesem Topf nichts zutun.

Nach Angaben von Schäuble will der Bund nun zwischen 2016 und 2018 insgesamt sieben Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen in die Verkehrswege, für Energieeffizienz und Klimaschutz, schnelles Internet sowie den Städtebau ausgeben. Die restlichen drei Milliarden Euro, die Schäuble aus einer aufgelösten Rücklage für das Betreuungsgeld nimmt, werden auf die Bundesministerien verteilt. Deutschland liegt bei den Investitionen seit Jahren unter dem Durchschnitt großer Wirtschaftsnationen.

Woher kommt der plötzliche Geldsegen? Dank der guten Wirtschaftslage, weiter sprudelnder Steuereinnahmen und Mini-Zinsen hat Schäuble finanziellen Spielraum gewonnen, ohne die „schwarze Null“ zu gefährden. Im Vorjahr hatte der Bund zum ersten Mal seit 1969 einen ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden erreicht. Dieses Ziel dürfe „durch die Investitionsinitiative des Bundes nicht infrage gestellt werden“, bekräftigten die Spitzen von Koalition und Regierung.

Monatelang hatten sich Union und SPD gestritten, welche Ministerien wie viel vom Kuchen abbekommen. Am Montag fanden dann Schäuble, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) sowie Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) und sein SPD-Kollege Thomas Oppermann eine Lösung.

Wie die „Ruhr-Nachrichten“ unter Berufung auf Koalitionskreise berichteten, sollen mit 4,5 Milliarden Euro besonders von der Union geführte Ministerien von dem Geldsegen etwas haben. Vor allem das Ministerium für Verkehr und Digitales, das Verteidigungsministerium sowie das Bildungs- und das Innenressort profitierten. Schäuble will den für die Investitionsoffensive nötigen Nachtragshaushaushalt sowie weitere erforderliche Gesetzesänderungen am 18. März dem Kabinett vorlegen.

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