Beim Jubeln über BIP-Zahlen, Steuereinnahmen und Merkels internationales Ansehen wird in Deutschland offenbar völlig übersehen, dass allein schon das Fehlen einer atomaren Bewaffnung und der selbst im Vergleich mit anderen Mittelmächten ziemlich jämmerliche Zustand der deutschen Bundeswehr jeglichen Traum von einer über Europa hinausgehenden Führungsrolle zerplatzen lassen muss.
It’s the economy, stupid? Nein, ist es nicht. Der Westen wird eben nicht nur durch Wirtschaftskraft zusammengehalten, sondern durch die Fähigkeit und Bereitschaft, militärische Sicherheit zu gewähren. Das kann Deutschland nicht ansatzweise – im Gegensatz zu Großbritannien und Frankreich.
Selbst wenn man diesen ultimativen Ausweis globaler Bedeutung außer Acht lässt, gibt der deutsche Staat jenseits finanzieller Kreditwürdigkeit und karitativer Versorgungspotenz nicht gerade ein Bild der Stärke ab: Moralisch zwar hochgerüstet, zeigt der deutsche Staat schon beängstigende Schwäche bei seiner ersten und vornehmsten Aufgabe, nämlich der Bewahrung der Ordnung im eigenen Land. Kann man ernsthaft glauben, dass die Feinde der liberalen Weltordnung – wen immer man dazu zählen mag – vor einer Regierung in Ehrfurcht erstarren, deren Chefin weltöffentlich verkündete, dass man die eigenen Landesgrenzen nicht schützen könne und diese Aufgabe lieber dem türkischen Despoten Erdogan überantwortet? Und sollen sich die Verteidiger der liberalen Weltordnung ein Beispiel nehmen an Sicherheitsbehörden, die einen als islamistischen Gefährder bekannten Asylbewerber aus einem sicheren Drittland, wo er im Gefängnis saß und ausgewiesen wurde, einreisen und einen Asylantrag stellen ließen, ihm gestatteten, 14 Identitäten anzunehmen und ihn zwar beobachteten, aber nach einem einzigen Tag in Abschiebehaft frei ließen, so dass er ungehindert einen Massenmord auf dem Berliner Breitscheidtplatz begehen konnte?
Weder ein amerikanischer Präsident noch eine britische Premierministerin lassen sich von einer Bundesregierung beeindrucken, die sie über die Werte und die Institutionen des Westens belehrt. Es waren schließlich das Britische Empire mit der „Pax Britannica“ im 19. und als dessen Ablösung die Vereinigten Staaten im 20. Jahrhundert, die den Westen als feste politische Größe überhaupt erst schufen und darauf die liberale Weltordnung gründeten.
Welche Rolle unsere Ahnen dabei vor 1945 spielten, ist bekannt. Die beiden Weltkriege waren unter anderem auch ein Akt der Auflehnung gegen diese Ordnung. Und jetzt will das neue, bessere Deutschland die Führung übernehmen? Das ist ein Witz der Weltgeschichte.