Rente
Hier haben beide Seiten heftig zugelangt, auf Kosten der Beitragszahler und der zukünftigen Generation. Die zwei Milliarden Zuschuss für die Rentenkasse werden nicht im mindestens ausgleichen, was die große Koalition an Leistungen draufpackt – vor allen an solchen, die zwingend per Steuern bezahlt werden müssten.
Aller Rhetorik zum Trotz: Die neue große Koalition relativiert die Reformgroßtat ihres Vorgängers (2005-2009), die Rente mit 67 wird eingeschränkt. Das ist fatal. Wer zukünftig 45 Beitragsjahre aufweisen kann (inklusive Zeiten der Arbeitslosigkeit), kann zukünftig mit 63 in Rente gehen – ein vollkommen überflüssiges Geschenk für treue SPD-wählende Facharbeiter. Bezahlt wird dafür später. Die höhere Mütterrente für Kinder, die vor 1992 geboren sind, ist ebenfalls beschlossene Sache. Kosten ab 2014: satte 6,5 Milliarden Euro pro Jahr. Wenigstens die inhaltlich ebenfalls fragwürdige Lebensleistungsrente für Geringverdiener wird auf 2017 verschoben und soll explizit aus Steuermitteln finanziert werden. Vielleicht wird sie nie kommen, wenn die Belastungen der Rentenkasse bis dahin offenbar geworden sind.
Fazit: Anstatt sich Gedanken über die individuelle Ausweitung der Lebensarbeitszeit zu machen, um das Umlagesystem stabil zu halten, nutzt Schwarz-Rot die volle Rentenkasse, um auszuteilen. Schwarz-Rot belastet sehenden Auges ein System, dass schon ohne neue Leistungen erheblich unter Druck steht. Das Rentenkapitel ist ein Tiefpunkt des neuen Vertrages.
Verkehr: Einig waren sich alle: Die Infrastruktur braucht mehr Geld. Insgesamt fünf Milliarden Euro werden nun „zusätzlich mobilisiert“, heißt es im Papier. Pro Jahr sind das damit 1,25 Milliarden Euro – deutlich weniger als die von der SPD geforderten zwei Milliarden Euro pro Jahr. Schiene, Straße und Wasserwege müssen sich den Betrag nun teilen – die Haushälter haben sich gegenüber den Verkehrspolitikern klar durchgesetzt. Denn eigentlich sehen die Verkehrspolitiker den Bedarf bei vier Milliarden Euro pro Jahr – so stand es vor kurzem noch schwarz auf weiß in einem der ersten Entwürfe. Mehr Geld als die 1,25 Milliarden Euro soll nun etwa über Nutzerfinanzierung wie die Ausweiterung der Lkw-Maut auf alle Bundessstraßen und die Einführung der Pkw-Maut kommen.
Wie es jetzt mit der Regierungsbildung weitergeht
In einer gemeinsamen Sitzung in München wollen CSU-Vorstand und -Bundestagsgruppe den Vertrag billigen
Geplante Abstimmung der knapp 475.000 SPD-Mitglieder
Ein kleiner CDU-Parteitag (Bundesausschuss) soll in Berlin über den Vertrag abstimmen
Die Briefe der SPD-Mitglieder werden - von der Post in Urnen versiegelt - aus ganz Deutschland nach Berlin gebracht
Hunderte Helfer zählen die Briefe aus. Bis zum Abend soll das Ergebnis vorliegen
Bei einer Zustimmung könnte Angela Merkel (CDU) im Bundestag zum dritten Mal zur Kanzlerin gewählt werden. Das neue schwarz-rote Kabinett würde am selben Tag die Arbeit aufnehmen.
Die Haushälter haben den Verkehrspolitikern in einem weiteren wichtigen Punkt den Wind aus den Segeln genommen. Ursprünglich war geplant, das Geld für Straßen, Schiene und Wasserwege in „verkehrsträgerbezogene Infrastrukturfonds“ zu legen – für Kosteneffizienz und Leistungstransparenz. Das hätte den Vorteil, dass das Geld über mehrere Jahre hinweg für die Infrastruktur gesichert wäre. Daraus wird nun nichts.
Fazit: Innovative Ideen zur Finanzierung der Infrastruktur wurden gestrichen. Stattdessen investiert der Bund nun sogar weniger als erforderlich. Bröckelnde Brücken bleiben damit auch ein Thema für die nächste Bundesregierung 2017.
Pkw-Maut. Die Forderung der CSU hat tatsächlich Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. „Zur zusätzlichen Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahnnetzes werden wir einen angemessenen Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen PKW erheben (Vignette) mit der Maßgabe, dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute“, heißt es dort. „Die Ausgestaltung wird EU-rechtskonform erfolgen. Ein entsprechendes Gesetz soll im Verlauf des Jahres 2014 verabschiedet werden.“ Das klingt nach einem Punktsieg der Christsozialen. Doch in Wahrheit zeigt sich, dass man in der Sache keinen Millimeter vorangekommen ist. CSU-Parteichef Horst Seehofer brüllt diese Forderung in gleichem Wortlaut seit Monaten von München gen Berlin. Allein ein Konzept steckt nicht dahinter. CDU-Vizechefin Julia Klöckner ließ daher im Morgenmagazin des ZDF schon mal verlauten: "Ich sehe es noch nicht, dass es wirklich am Ende dazu kommt, aber es wird überprüft." SPD-Verkehrspolitiker Florian Pronold twitterte: „kommt nie“.
Fazit: Placebo-Maßnahme Pkw-Maut beruhigt die Bayern – mehr Geld bringt sie nicht.