Personalberaterin Arlt-Palmer über die CDU: "Große Ideen zu diskutieren, wurde verlernt"

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Das Mysterium im Kanzleramt

Der Kontrollverlust an den Grenzen 2015 hätte nicht passieren dürfen, sagten Sie auf dem Parteitag. Wie erklären Sie es sich, dass die Kanzlerin die Kontrolle mehr oder weniger freiwillig hingab und niemand in Partei oder Kanzleramt ihr das ausreden konnte?
Das ist ein großes Mysterium. Dafür gibt es für mich bisher keine plausible Erklärung. Wir geben als Volk die Macht an eine politische Führung ab, die dafür zu allererst die Aufgabe hat, uns zu schützen, weil kleine Einheiten das für sich nicht organisieren können im Inneren wie im Äußeren. Wenn man diese vornehmste Pflicht außer Acht lässt und auch noch in aller Öffentlichkeit verkündet, die 6000 Kilometer unserer Grenzen könne man nicht kontrollieren und sichern, dann macht mich das sprachlos, zumal es vorrangig nur um einen kleinen Grenzabschnitt zu Österreich ging.

„Angela Merkel ist nicht mehr unschlagbar“
CSU-Chef Horst Seehofer„Es ist gut, dass jetzt Klarheit herrscht und dass sie sich entschieden hat. Auf dieser Grundlage können wir jetzt zwischen CDU und CSU – so wie immer beabsichtigt – klären, mit welchen politischen Themen wir gemeinsam in den Wahlkampf gehen und wo möglicherweise eine eigene Position der CSU erforderlich ist. (...) An der gemeinsamen Kanzlerkandidatin können Sie ja jetzt nicht ernsthaft zweifeln.“ Quelle: dpa
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann„Die Bundestagswahl ist offen, Angela Merkel ist nicht mehr unschlagbar. (...) Bis zu Beginn des Wahlkampfes erwarten die Bürger zu Recht, dass wir das Land gut regieren.“ Quelle: dpa
SPD-Vizechef Ralf Stegner via TwitterAngela Merkel tritt als Spitzenkandidatin für CDZ/CSZ Christlich Demokratische/Soziale Zwietracht an. Weder unterschätzen noch überbewerten.“ Quelle: dpa
CDU-Generalsekretär Peter Tauber via Twitter„Ich freue mich, für und mit Angela Merkel in den Bundestagswahlkampf zu ziehen. Hurra!“ Quelle: REUTERS
Grünen-Chef Cem Özdemir Quelle: dpa
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter„Ich bin mal sehr gespannt, wie Angela Merkel ihren eigenen Laden zusammenhalten will. Wir werden Frau Merkel mit Blick auf die Wahl 2017 für das kritisieren, was ihre Regierung unterlassen oder falsch gesteuert hat.“ Quelle: dpa
Linken-Chef Bernd Riexinger„Die erneute Kandidatur von Angela Merkel ist ein Signal dafür, dass sich nichts im Land ändern soll. Es droht erneut eine große Koalition und damit ein „Weiter so“ der Politik der sozialen Spaltung.“ Quelle: REUTERS

Es gab in Sitzungen der Bundestagsfraktion nach meiner Kenntnis gegen diese Politik schon offenen Widerstand. Aber die CDU denkt halt zunächst staatstragend. Und die eigene Kanzlerin im Regen stehen zu lassen, bedeutet die Aufgabe von Macht und hätte das Land in eine schwere politische Krise in ohnehin schwierigen Zeiten gestürzt. Das ist schon eine nachvollziehbare Haltung. Viele dachten vermutlich: Der Fehler ist nun mal passiert, rückgängig können wir es eh nicht machen, jetzt müssen wir halt das Beste draus machen, damit nicht alles noch viel schlimmer wird.

Jetzt hat die CDU eine de-facto-Wende vollzogen. Aber ohne das zuzugeben. Sie kritisieren, dass man in der CDU so tut, als habe man nicht 2015 völlig anders gesprochen und gehandelt als im aktuellen Leitantrag. Bei Top-Managern ist es ja durchaus üblich, dass man nach Skandalen vor der Öffentlichkeit zu Kreuze kriecht. Kann man als Regierungspolitiker nicht sagen: Ich habe etwas völlig falsches getan, verzeiht mir, jetzt mach ich das richtige?

Die ganz klare Sprache kann man da vermutlich nicht wählen. Ein großer Teil der Bevölkerung wäre dadurch wahrscheinlich schockiert. Dennoch hätte man den Wechsel in der Politik deutlicher benennen können und müssen.

Vor Ihnen sprach der schleswig-holsteinische Spitzenkandidat Günther und dankte Merkel für den "Rückenwind" für die anstehenden Landtagswahlen. Je höher jemand in der Parteihierarchie steht und je wichtiger das angestrebte politische Mandat, desto geringer scheint die Neigung zu offener Kritik zu sein?
Ja klar. So eine Landtagswahl gewinnt man nicht zwingend leichter in offener Konfrontation mit der eigenen Bundesparteiführung. Es geht jedoch auch anders. Nach meiner Rede, in der ich auf unsere jüngsten Wahlniederlagen hinwies, sagte die Tagungsleiterin als Replik, immerhin hätte ja Reiner Haseloff in Sachsen-Anhalt gewonnen. Fakt ist jedoch: Ministerpräsident Haseloff hatte Merkels Flüchtlingspolitik von Anfang an kritisiert, aber in einer sehr angemessenen, nicht eifernden Wortwahl.

Sie haben durch Ihren Mann Christoph Palmer, der in Baden-Württemberg Landesminister war, das Ende der Ära Erwin Teufels aus nächster Nähe mitbekommen. Warum konnte Teufel von machthungrigen Parteifreunden gestürzt werden und Merkel nicht? Was ist das Geheimnis dieser Alternativlosigkeit im Konrad-Adenauer-Haus?
Zum einen war die Kanzlerin letztes Jahr unangefochten, sie ist es de facto in der CDU bis heute noch. Zum anderen spielten und spielen die Medien eine entscheidende Rolle. Es gibt eben einen veröffentlichen Mainstream, gerade in den öffentlich-rechtlichen Medien. Und der stützte Merkel 2015/2016 massiv. Regierungshandeln und Medienmeinung waren in den entscheidenden Zeiten eins. Kritischer Journalismus fand im Herbst 2015 ja fast nicht statt. Das war bei Erwin Teufel ganz anders.

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