Schröder bei Rosneft Das fossile Imperium schlägt zurück

Schröder ist nur das jüngste Beispiel für die Methoden des fossilen Imperiums. Da werden Promis eingespannt, um Angst zu schüren: Ohne Russland, ohne Kohle, Gas und Öl wäre nichts mehr, wie es war. Was für ein Quatsch.

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Schröder im Rosneft-Aufsichtsrat

Die Empörung ist groß: Gerhard Schröder wird fortan nicht nur für Gazprom, sondern auch für Rosneft tätig. Beklagt wird vor allem, dass der Altkanzler zusätzlich zu seiner staatlichen Politiker-Pension nun obendrein stattliche Konzernbezüge bekommt. Schröders Ausflug ins Schlaraffenland des Kapitalismus gilt als weiteres Beispiel für den unrühmlichen „Drehtüreffekt“, bei dem ehemalige Politiker in die Privatwirtschaft wechseln – und Macht gegen Geld tauschen.

Der zweite Kritikpunkt geht über Neid und Missgunst hinaus: Rosneft ist nicht irgendein Unternehmen. Es gilt als verlängerter Arm des Kremls, der Energie als politische Waffe nutzt, um Russlands politische Weltmacht-Ansprüche durchzusetzen. Im Rahmen des Ukraine/Krim-Konflikts unterliegt der Konzern derzeit schwerwiegenden EU-Sanktionen.

Ausgerechnet Deutschlands Ex-Kanzler unterminiert also mit seinem Engagement die europäische Außenpolitik. Was Schröder als Neuauflage friedenstiftender Ost-Politik darstellt, ist genau das Gegenteil: ein streitschürender Keil in den ausnahmsweise mal geschlossenen EU-Reihen.

Zur Person

Aus einem dritten Grund ist die Schrödersche Polit-Raupe Nimmersatt zu kritisieren – nämlich weil er längst als Köder an der Angel eines Großkonzerns hängt, der mit Hilfe der fetten Raupe noch fettere Fische fangen will. Rosneft ist der größte Ölkonzern der Welt und eine Supermacht im Kampf um die Vormachtstellung in der globalen Energieversorgung. Rosnefts Geschäft basiert auf gewaltigen Ölreserven in der russischen Erde, dem Rohstoff also, von dem die ölsüchtige Verbrennungsmaschinerie der industrialisierten Welt abhängig ist. Doch die Nebenwirkungen dieses Deals lassen sich nur mit größter Anstrengung leugnen: Die fossile Energiewirtschaft pumpt nicht nur jahrtausendealten Kohlenstoff aus dem Boden, sondern auch permanent Tonnen von CO2 in den Himmel.

Der menschengemachte Klimawandel und seine Folgen weckt die fossilen Junkies aus ihrem Drogenrausch. Die in Deutschland erdachte und erfolgreich erprobte Energiewende beweist: Ein hochindustrialisiertes Land könnte seine Leistungskraft und seinen Wohlstand allein mit erneuerbaren Energien sichern! Was vor zwanzig Jahren noch unvorstellbar war, ist hierzulande längst Gewissheit. Klar: Diese frohe Botschaft erfreut weder Rosneft, noch Gazprom, noch den Kreml. Denn das schwarze Gold von gestern wäre damit das Pech von morgen: zäh, klebrig, unverkäuflich. Die letzte russische Wirtschaftsressource wertlos? Was für ein Albtraum.

Und also werden keine Kosten und Mühen gescheut, um das Schicksal des eigenen Niedergangs abzuwenden. Das fossile Imperium sucht sich seine gleichgesinnten Handlanger: Klimaleugner und fossile Lobbyisten der Vergangenheit. Ob Trump, Le Pen oder überalterte Provinzpolitiker, wer auch immer sich gegen jede Art von Klimaschutz stellt, bekommt Rückenwind aus Moskau.

Der Altkanzler aus Hannover ist damit nur das jüngste Beispiel für die Marketingmethoden des fossilen Imperiums. Für die fake-basierte Polit-Propaganda werden prominente Wirtschaftswunder-Pensionäre eingespannt, die in ihren Peergroups das immer gleiche und angstschürende Märchen vergangener Tage erzählen (sollen): Ohne Russland, ohne Kohle, Gas und Öl wäre nichts mehr, wie es mal war. Der Refrain des fossilen Angstgesangs lautet: Die Energie-Versorgungssicherheit sei gefährdet.

Abschied von fossilen Energien erhöht Energieversorgungssicherheit

Doch so viel ist klar: Die Energieversorgung ist sicher, auch ohne Rosneft und ohne Gerhard Schröder. Nicht die Welt geht unter, sondern nur die eigene Macht.

Derzeit bezieht Deutschland etwa ein Viertel seiner Ölimporte und ein Drittel seiner Gasimporte aus Russland. Was bedrohlich klingt, ist bei Licht betrachtet harmlos. Denn Gazprom und Rosneft befinden sich in hartem Wettbewerb. Auf den internationalen Märkten gibt es massive Überkapazitäten und Überangebote sowohl an Gas als auch an Öl. Wir erinnern uns: Selbst die USA wollen ihr Fracking-Gas liebend gern nach Europa verkaufen, und nicht nur die. Es gäbe ausreichend Alternativen.

Die Klimaziele von Paris reduzieren das Risiko weiter: Wenn Europa – und allen voran Deutschland – entschlossen erneuerbare Energien ausbauen, Elektromobilität stärken und den Energieverbrauch von Gebäuden senken, nimmt der Bedarf an fossilen Energien immer weiter ab. Heimische Energieträger übernehmen die Versorgungssicherheit. Nur so wird ein Schuh draus: Der Abschied von fossilen Energien erhöht die Energieversorgungssicherheit – und nicht umgekehrt!

Mehr noch: Europa wird dadurch unabhängig von willkürlichen – und geopolitisch infiltrierten – Entscheidungen öl- und gasexportierender Länder. Genau deswegen hat sich Europa schon vor Jahren vorgenommen, die fossilen Energieimporte verstärkt zu diversifizieren. Deutschland widerspricht schon mit dem Bau das Ostseepipeline North Stream diesen Zielen und macht sich einmal mehr bei den Nachbarländern unbeliebt. Statt Europa zu stärken, konterkariert Deutschland die EU-Ziele.

Dieser Alleingang ist nicht mal wirtschaftlich zu rechtfertigen, weil Investitionen in fossile Infrastruktur in die falsche Richtung gehen. Nur mit Alters-Starrsinn oder betriebswirtschaftlicher Phantasterei ließe sich erklären, wenn jemand heute noch in eine Schreibmaschinen-Fabrik oder ein Postkutschensystem investierte. „Stranded Investments“, verschwendetes Geld, nennt man das in der Ökonomie.

Wem Rosneft gehört

Der Konzern Rosneft will in den deutschen Tankstellenmarkt expandieren. Das erscheint besonders wagemutig, weil existierende Tankstellen schon heute aufgrund von Überkapazitäten zu kämpfen haben und sich an den Einzelhandels-Strohhalm klammern, um zu überleben. Und im Zuge der Energie- und Verkehrswende benötigen wir derzeit eher Lade- als Zapfsäulen.

Doch die russischen Energieunternehmen, allen voran Rosneft, sind von den Sanktionen betroffen, was sie zu kurzfristigen Strategien nötigt und ihnen die Refinanzierungen von Investitionsgeschäften enorm erschwert. Die Konzerne sind allesamt wirtschaftlich angeschlagen, was paradoxerweise die – von Schröder & Co versprochene – Sicherheit der Energielieferungen gefährdet. Wäre Schröder ein langfristig denkender Aufsichtsratschef von Rosneft, müsste er schleunigst einen Strategiewechsel anraten.

Stattdessen macht er sich zum Kampagnen-Gesicht für eine Investition in die Vergangenheit statt in die Zukunft. Es steht zu befürchten, dass der Kanzler, dessen Name bislang mit wegweisenden Reformen verknüpft war, die Deutschland vom kranken Mann zum Motor Europas gewandelt haben, im Alter nun zum Gesicht des Niedergangs wird. Im Dienst des fossilen Imperiums setzt er unbeirrt auf Techniken der Vergangenheit. Es ist Zeit, dass junge, mutige und innovative Politiker Deutschlands Zukunft in die Hand nehmen – und tatsächlich für Energiesicherheit sorgen.

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