Sozialversicherung Junge Generation verabschiedet sich vom Sozialstaat

Von der gesetzlichen Sozialversicherung erwarten die 30-Jährigen nichts mehr, daran ändert auch die neue Regierung nichts. Die junge Generation reagiert auf ihre Weise: Still und leise verabschiedet sie sich aus dem Sozialstaat.

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Macht des Alters: Politiker umgarnen vor allem die Senioren, die Jugend geht leer aus Quelle: Laif/Zenit

Vermutlich hätte Tanja zu Waldeck jeden Job haben können. Ausbildung an einer Elite-Uni, Promotion, fünf Jahre bei McKinsey: Mit diesem Lebenslauf hätte sie in die Strategieabteilung eines Konzerns wechseln, sich ganz nah an die Vorstandsetage eines großen Konzerns andocken können, aufsteigen nach ganz oben. Aber Tanja zu Waldeck wollte nicht rein in irgendein Karriereschema, schon gar nicht in einen festen Job. Sie wollte raus. Raus aus ihrem Angestelltenvertrag, raus dem Sozialsystem.

Vor fast drei Jahren kündigte Tanja zu Waldeck ihren Beraterjob und startete noch einmal völlig neu. Sie mietete ein Altbaubüro in der Kölner Innenstadt an, kaufte ein paar Schreibtische bei Ikea und schob einen Wasserspender in die Ecke des Büros. Mit zwei Freunden gründete sie hier das Unternehmen Netmoms, ein Internet-Portal für Mütter.

Innere Kündigung einer ganzen Generation

Der Umstieg hat sich gelohnt. Inzwischen ist Netmoms das größte Mütter-Netzwerk im deutschsprachigen Internet. Und dass Tanja zu Waldeck sich aus dem deutschen Sozialsystem verabschieden konnte, war „ein positiver Nebeneffekt“, wie sie selber sagt. Von Rente, Pflegeversicherung & Co. habe ihre Generation sowieso nichts mehr zu erwarten, schätzt die 31-Jährige. Die meisten ihrer Freunde hätten das eingezahlte Geld längst abgeschrieben. „Und wer kann, steigt aus.“

Es ist die innere Kündigung einer ganzen Generation, der Abschied vom System Bundesrepublik. „Die Lasten sind nicht mehr gleich verteilt“, sagt Tanja zu Waldeck. „Kaum eine Partei fragt, wie eigentlich unsere Rente aussehen wird und die Altersvorsorge unserer Kinder.“ Es ist noch nicht einmal so, dass sie das besonders überraschen würde. Vielmehr hat sie resigniert, denn das Ganze erklärt sich am Ende doch mit politischer Arithmetik: Die Rentner seien eine mächtige Wählergruppe, „unsere Generation dagegen schrumpft“. Die Jungen, sagt Tanja zu Waldeck, hätten einfach keine Lobby.

Von Vater Staat hat die junge Generation kaum noch etwas zu erwarten, von den Älteren erbt sie vor allem Hypotheken. Die Staatsverschuldung erreicht in diesem Jahr einen neuen Rekord, was vor allem damit zu tun hat, dass im nächsten Jahr so viel Geld wie nie zuvor in den Sozialstaat fließen wird. Und doch bleibt das schale Gefühl, dass die junge Generation zwar wacker einzahlt in die Sozialkassen, später aber doch nichts mehr herausbekommt. Dass die eigene Rente noch sicher wäre, glaubt niemand mehr. Dass die gesetzliche Krankenkasse noch ein Rundum-sorglos-Paket anbiete, übrigens auch nicht. Und am Ende der Arbeitslosenversicherung wartet doch nur Hartz IV.

Wer von der neuen Regierung Besserung erwartet hatte, wird enttäuscht. Genau 26-mal beschwört der Koalitionsvertrag den Ausgleich der Generationen. Doch er ist ein Vertrag zulasten Dritter. Die Rentengarantie, mit der noch die große Koalition die Alten milde stimmen wollte? Wird verlängert, notfalls auch mit höheren Beitragssätzen. Die Gesundheitsreform? Ist erst einmal in eine Kommission vertagt, notfalls schrumpft man sie einfach klein. Steuererleichterungen, 24 Milliarden Euro teuer? Werden durchgepeitscht, notfalls auf Pump. Das Kindergeld? Wird erhöht, notfalls kann der Nachwuchs es später selbst zurückzahlen. Die Kurzarbeit? Wird verlängert, notfalls werden die Jobs für ältere Facharbeiter konserviert. Irgendwer wird schon dafür geradestehen. Später. Irgendwann.

Grafik: Alterspyramide1964

Der Koalitionsvertrag habe „mit Nachhaltigkeit nichts zu tun“, klagt Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Eher besteche die Regierung durch „Kurzsichtigkeit“. Da wirkt es wie ein Feigenblatt, dass die Bundeskanzlerin ihren Innenminister Thomas de Maizière nun beauftragt hat, eine „Demografie-Strategie“ zu entwickeln. Um die Sozialsysteme geht es laut Weisung nicht – nur um die Vergreisung Ostdeutschlands.

Für die Älteren mag der Sozialstaat sich noch lohnen, für die Jungen steckt er in der Sinnkrise. Nach dem brandneuen Rentenversicherungsbericht, den die Bundesregierung am vergangenen Mittwoch vorstellte, dürfen Ruheständler sich freuen. Und nur die. Ihre Rente wird in den nächsten Jahren um durchschnittlich 1,6 Prozent pro Jahr steigen. „Der Generationenvertrag funktioniert“, brüstet sich Sozialminister Franz Josef Jung, CDU.

Für alle Jüngeren klingt das wie Hohn. Heute noch bekommen Rentner durchschnittlich 52 Prozent des Durchschnittseinkommens der Erwerbstätigen. Bis 2023 fällt das Rentenniveau aber auf 46,2 Prozent – auch diese Daten finden sich im Regierungsbericht, nur redet der Sozialminister darüber weniger gern.

Immerhin ist die Jugend realistisch

Immerhin ist die Jugend realistisch: Nach einer Studie der Deutschen Bank rechnet die Hälfte der 18- bis 29-Jährigen damit, dass sie später einmal nicht mehr als 30 bis 40 Prozent ihres Bruttogehaltes aus der Rentenkasse erhalten wird. Wenn überhaupt. Ein Durchschnittsverdiener muss heute 27 Jahre lang Beiträge in die Rentenkasse einzahlen, um später doch nur eine Altersvorsorge auf Sozialhilfeniveau zu erreichen, wie die Deutsche Rentenversicherung eingesteht.

Grafik: Alterspyramide 2030

Sie hält zwar tapfer daran fest, dass ihre Renditen im grünen Bereich lägen. Eine Frau, die in den Siebzigerjahren zur Welt kam, könne mit einer Rendite von rund 3,3 Prozent rechnen, ein Mann noch mit 2,8 Prozent. Allerdings monieren Ökonomen, dass die Rentenversicherung sehr positive Annahmen unterstelle.

Satte Renditen seien ein Irrtum, glauben auch die Wissenschaftler vom Forschungszentrum Generationenverträge der Universität Freiburg. Sie sehen die realen Renditen der Rentenversicherung für dieselben Fälle eher bei rund 1,5 Prozent für Frauen und ungefähr 0,5 Prozent für Männer. Und für alle Jungen, die heute geboren werden, rutscht der Wert sogar ins Negative.

In der gesetzlichen Krankenversicherung ist die Lage kaum besser. Mehrere Kassen werden nicht darum herumkommen, von Januar an Zusatzbeiträge zu erheben. Gleichzeitig bleibt die bittere Erkenntnis, dass die Leistungen schmaler werden. Der Kassenzuschuss für die Brillen ist längst abgeschafft, Grippe-Medikamente zahlen Versicherte heute selbst, der Zahnersatz kostet extra, und umsonst gibt es beim Zahnarzt ohnehin nur noch die Amalgam-Füllung. Kein Wunder, dass viele Junge sich fragen, ob sie später einmal noch das bekommen, das sie heute für die Älteren mitfinanzieren.

Gänzlich unverblümt verwies Angela Merkel noch in ihrer Regierungserklärung auf die Macht der Alten. Schon heute lebten in Deutschland „mehr über 65-Jährige als unter 20-Jährige“, hatte die Bundeskanzlerin gesagt. Das Dumme ist nur: Alle über 65-Jährigen können wählen. Die meisten unter 20-Jährigen nicht.

Seit Jahren macht Berlin Politik auf Kosten der Jungen. 1700 Milliarden Euro wird der Schuldenberg hoch sein, den Deutschland Ende des Jahres angehäuft hat, allein im laufenden Jahr kamen 120 Milliarden Euro hinzu. Und es ist nicht abzusehen, wie er je wieder schrumpfen sollte. Die neue Koalition hat sich zwar auf ein Verbot neuer Schulden geeinigt. Das greift aber erst ab 2020. Um ernsthafte Sparvorschläge kann sich Schwarz-Gelb noch Jahre herumdrücken.

Grafik: Rendite der Rente

Fraßen Zinszahlungen und Sozialausgaben 1964, im geburtenstärksten Jahr der Nachkriegsgeschichte, schon ein Drittel des Gesamthaushaltes auf, so ist es heute schon ungefähr die Hälfte. Bleibt also kaum Spielraum für Investitionen in die Zukunft. Und während die Regierung sich in der vergangenen Woche zur Teambildung traf, die Rentengarantie feierte, die jährlich acht Milliarden Euro kostet, und über weitere milliardenschwere Steuersenkungen nachsann, blockierten Tausende Studenten die Hochschulen. „Mehr Geld in das Bildungssystem“, stand auf ihren Transparenten.

Umso tragischer, dass die unsichtbare Staatsverschuldung sogar noch höher ist, als die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes ausweisen. Die Herren der Zahlen verschweigen nämlich, dass den Einzahlungen der Jungen in die Sozialkassen irgendwann auch Ansprüche gegenüberstehen. Addiert man aber alle künftigen Lasten, auf die sich die Politik heute schon einstellen müsste, ist die Staatsverschuldung sogar viermal so hoch, rechnet der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen vor.

Eine Handvoll Studierender hat vor 13 Jahren einen Thinktank der Jungen gegründet, die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen mit Sitz in Oberursel. Geschäftsführer Patrick Wegner verfolgt den Start der neuen Regierung aufmerksam. Nachhaltige Pläne kann er aber nur an einer einzigen Stelle entdecken: bei der Einführung einer privaten Säule in der Pflegeversicherung. „Allerdings trifft das meine Generation doppelt“, sagt der 25-Jährige. „Wir müssen Beiträge zahlen und gleichzeitig privat vorsorgen.“ Jeder junge Mensch müsse die Sozialversicherung daher „rational überdenken“. Als Möglichkeit.

Bindung bleibt, Rückkehr ausgeschlossen

Guido Schmitz-Krummacher zum Beispiel hat alle Möglichkeiten höchst rational überdacht. Früher einmal hat der Jurist für einen Finanzdienstleister gearbeitet. Jahrelang hat er dabei die Sozialversicherung analysiert. Und was er sah, bereitete ihm Kopfzerbrechen: Nicht nur, dass er, seine Frau und vor allem seine beiden Kinder von der gesetzlichen Rente kaum noch etwas erwarten könnten, wie er glaubt: „Ich rechne damit, dass die privat angesparte Altersvorsorge so stark besteuert wird, dass man kaum noch etwas davon hat.“ Allein schon, weil längst klar sei, dass die Sozialsysteme „auf ein demografisches Desaster“ zusteuerten.

Grafik: Bundesausgaben

Vor einem Jahr beschloss Schmitz-Krummacher, ein eigenes Unternehmen zu gründen und damit das Sozialsystem zu verlassen. Sein Schritt war doppelt radikal: Zugleich verließ er nämlich auch das Land. „Mir war das Risiko zu groß, dass ich im Alter nicht mehr für mich selbst sorgen kann“, sagt er. So räumte er seine Wohnung und zog nach Zürich. In der Schweiz, so seine Hoffnung, bleibe ein größerer Teil der eingezahlten Rentenbeiträge übrig. „Deutschland hält an einem Generationenvertrag fest, von dem jeder weiß, dass er bald gesprengt wird.“

Heute leitet Schmitz-Krummacher das Startup Talentory, das eine Personalvermittlungsplattform für Geschäftskunden betreibt. Inzwischen führt er auch erste Gespräche mit Dax-Konzernen, um Kooperationen auszuloten. Die Bindung an Deutschland also bleibt. Eine Rückkehr aber schließt er aus. Für immer.

Über Jahre war der Sozialstaat Symbol des Systems Bundesrepublik, eine stabilisierende Errungenschaft, um die viele Länder die Deutschen beneideten. Eine urdeutsche Erfindung, die auf Solidarität baut, darauf, dass die Starken für die Schwächeren und die Jungen für die Alten einstehen. Heute allerdings verliert er seine jungen Finanziers. „Es droht eine Flucht aus den sozialen Sicherungssystemen“, mahnt Ökonom Clemens Fuest, der auch Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesfinanzministerium ist. Viele junge Menschen mieden inzwischen sozialversicherungspflichtige Berufe und wichen in die Selbstständigkeit aus – auch, um den Sozialkassen zu entkommen.

In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Selbstständigen von 3,5 auf rund 4,5 Millionen gestiegen. Dieser steile Anstieg sei ein Beleg für eine Abwanderung aus den Sozialsystemen, sagt Oxford-Ökonom Clemens Fuest – genau übrigens wie die steigende Zahl der 400-Euro-Jobber, die selber keine Sozialabgaben zahlen. Zwar ändere niemand sein Leben, weil ihm die Rendite in der Rentenversicherung nicht passe. Und niemand gebe deswegen eine Festanstellung auf. „Aber es gibt ja Menschen, die schon aus anderen Gründen mit der Selbstständigkeit geliebäugelt haben“ und bei denen der Frust über die Sozialversicherung den Ausschlag geben könne, sagt Fuest.

Allerdings ist es gar nicht so einfach, Vater Sozialstaat vollständig den Rücken zuzudrehen – ganz abgesehen davon, dass sich ein Ausstieg auch nicht per se für jeden lohnt und sehr gut überlegt sein will. Das Solidarsystem funktioniert nur, wenn es genügend Beitragszahler hat. Daher ist die Sozialversicherung für Normalverdiener eine Pflichtveranstaltung, damit sich nicht zu viele Einzahler aus dem Staube machen. Für alle, die im Sozialsystem bleiben wollen oder müssen, wird es nämlich mit jeder Abmeldung teurer. Wer aussteigen will, muss daher sehr gute Gründe haben. Und die Politik macht die Flucht ständig schwerer.

Berater Stephan Nickel, 35:

Halbwegs simpel ist ein Wechsel noch bei der Krankenversicherung. Wer drei Jahre in Folge mehr verdient hat, als die sogenannte Versicherungspflichtgrenze (derzeit 48 600 Euro im Jahr), darf sich privat krankenversichern. Über Jahre hinweg verabschiedeten sich immer mehr jüngere Menschen aus dem gesetzlichen System. Noch 1993 zählten die Privatkassen 132 000 Neuzugänge, 1998 waren es 173 000 und 2003 sogar 186 600.

In den vergangenen Jahren ging die Zahl der Wechselfreudigen vor allem deshalb leicht zurück, weil Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) die Hürden nach oben schraubte – aus Sorge, gerade die jungen Finanziers könnten zu den Privaten fliehen. Vor zehn Jahren etwa lag die Versicherungspflichtgrenze noch unter 40 000 Euro, und es reichte aus, sie in einem einzigen Jahr zu überbieten. Letzteres zumindest soll ab Januar wieder gelten. Die privaten Versicherer kalkulieren mit einem Versichertenstrom.

Sich aus der Rentenversicherung abzumelden ist dagegen viel schwieriger. Offizielle Zahlen über die Deserteure des Sozialstaates gibt es nicht. Annäherungswerte liefert aber eine Statistik der Deutschen Rentenversicherung. Im Jahr 2007, nach den letzten verfügbaren Daten, stellten 30 984 Personen einen „Antrag auf Beitragsrückerstattung“, wie es offiziell heißt, weil sie die Sozialkassen verlassen haben. Da aber nicht jeder Renten-Flüchtling sein Geld zurückfordern kann, dürfte die Zahl in Wahrheit noch viel höher liegen. Ein Berliner Regisseur zum Beispiel kämpft derzeit für eine dauerhafte Befreiung vom Solidarsystem. Seinen Namen möchte er lieber nicht in der WirtschaftsWoche lesen, das Ganze ist ihm dann doch ein wenig zu intim. „In der privaten Krankenversicherung bin ich schon, dort kriege ich definitiv mehr für mein Geld als in der gesetzlichen“, sagt der 37-Jährige.

Wirrwarr um den Ausstieg aus der Sozialversicherung

In die Rentenkasse allerdings muss er noch einzahlen – immer dann, wenn er einen weisungsgebundenen Auftrag hat. Bei der Sozialversicherung, der Knappschaft, hat er nun ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren beantragt, weil er dauerhaft als Freiberufler anerkannt werden will. „Ich sorge lieber privat für mein Alter vor. Da kann ich mir einigermaßen sicher sein, dass etwas zurückkommt. An die gesetzliche Rente glaube ich nicht. Bis ich in das Alter komme, funktioniert das System doch nicht mehr.“

Gründerin Tanja zu Waldeck, 31,

Ein gutes Einkommen allein reicht nicht aus, um sich von der gesetzlichen Rente zu verabschieden, denn eine Versicherungspflichtgrenze gibt es nicht. Es sind die Lebensumstände, die zählen – und die müssen sehr speziell sein. So speziell, dass sie zur sehr freien Auslegung einladen. Freiberufler wie Rechtsanwälte oder Architekten etwa dürfen sich aus der Sozialversicherung abmelden und über ihre berufsständischen Versorgungswerke absichern. Für ihre Kollegen mit Festanstellung gilt das nicht, was in der Realität allerdings dazu führt, dass fest angestellte Juristen sich um eine Zulassung als freiberuflicher Anwalt im Nebenjob bemühen, nur um in das Versorgungswerk der Rechtsanwälte zu gelangen.

Grundsätzlich gilt: Wer sich selbstständig macht, darf oder kann privat für das Alter vorsorgen. Aber nicht alle Selbstständigen sind gleich, dafür hat schon der Gesetzgeber gesorgt. Freiberufliche Fitness-Coaches beispielsweise können aus der Rente aussteigen, Tennislehrer nicht. Wer nur einen Auftraggeber hat, muss in der gesetzlichen Versicherung bleiben; wer mindestens zwei hat oder Existenzgründer ist, darf gehen. Selbstständige PR-Berater können sich privat versichern, selbstständige Journalisten zahlen in die gesetzliche Künstlersozialkasse ein. Und nicht jeder ist davon begeistert.

Das Wirrwar um den Ausstieg aus der Sozialversicherung nährt inzwischen eine eigene Beraterszene. Zusammen mit seiner Frau hat Stephen Nickel vor acht Jahren das Unternehmen Financial Networx gegründet, inzwischen hat er an die 1300 Kunden „von der Sozialversicherungspflicht befreit“, wie er selber sagt. Viele junge Menschen seien es gewesen.

Der 35-Jährige setzt dabei auf einen besonderen Trick: Die Familie muss stimmen. Ehegatten, Töchter oder Söhne, die in einem Familienbetrieb arbeiten, dürfen sich von der Sozialversicherung abmelden. Eine Möglichkeit, die auch Stephen Nickel genutzt hat, vor Jahren schon.

Das Geschäft läuft gut. Für den Softwaredienstleister Datev schult er bundesweit Steuerberater, beinahe 40 Seminare leitet er pro Jahr. Die Fragestellung ist immer gleich: „Lohnt sich die Rentenversicherung noch?“ Der Bedarf ist so groß wie der finanzielle Erfolg. Inzwischen sind die Nickels nach Mallorca umgezogen. In diesem Herbst erfüllt sich das Paar einen Traum: Es baut eine Villa.

So ganz können die Nickels von good old Germany aber nicht lassen. Ihr Traumhaus haben sie einschiffen lassen. Aus Deutschland.

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