Steinmeier übergibt an Gabriel „Mach' keinen Unsinn!“

Frank-Walter Steinmeier hat das Amt des Außenministers an Sigmar Gabriel übergeben. Dem bisherigen Chefdiplomaten fiel der Abschied schwer, er bekam Standing Ovations. Der Neue streckt die Hand Richtung Washington aus.

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Acht Monate hat Sigmar Gabriel nun Zeit, sich als Außenminister und würdiger Nachfolger zu beweisen. Quelle: AFP

Berlin Vor mehr als 1000 Mitarbeitern und geladenen Gästen hat Frank-Walter Steinmeier am Freitagnachmittag im Weltsaal des Auswärtigen Amtes den Stab des Außenministers an Sigmar Gabriel übergeben. Der lang anhaltende Beifall gleich zu Beginn zeigte, wie beliebt Steinmeier im Auswärtigen Amt war. Zweimal hat der 61-Jährige hier die Geschicke geführt: von 2005 bis 2009 und dann noch einmal seit 2013.

Seine Bilanz kann sich sehen lassen. Staatssekretär Markus Ederer erinnerte gleich zu Beginn an die wichtigsten Stationen: Ob in der Ukraine-Krise, bei den Verhandlungen über das Atomabkommen mit dem Iran bis hin zum OSZE-Friedensprozess hat Steinmeier nicht nur eine gute Figur gemacht, sondern ruhig und sachlich deutsche Interessen vertreten. „Dafür vielen Dank“, sagte Ederer unter großem Beifall. Dass Steinmeier dabei nicht immer die gewünschten Ziele erreichen konnte – das beste Beispiel ist die ungelöste Ukraine-Krise – liegt in der Natur der Außenpolitik.

„Diese Abschiedsrede fällt mir schwer“, sagte Steinmeier, „diesmal komme ich wirklich nicht zurück.“ Er empfinde Wehmut und Dankbarkeit. In den aktuellen Krisenjahren seien von außen „riesengroße“ Erwartungen an die deutsche Außenpolitik herangetragen worden. Sie habe sich nicht weggedrückt, trotz der Krisen in der Ukraine, Syrien, Türkei und in der EU. „Dabei haben wir in schwerer See auch noch das Schiff renoviert“, betonte Steinmeier.

Er spielte damit auf den „Review“-Prozess an, der die deutsche Außenpolitik auf eine gewachsene Rolle Deutschlands in der Welt vorbereiten soll. Dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen, aber dass Steinmeier ihn angestoßen hat, ist sein Verdienst. „Ich weiß nicht, ob ein einzelner Minister dieses Amt wirklich prägen kann“, sagte Steinmeier bescheiden. Das Auswärtige Amt sei zwar nicht „besenrein“, aber doch besser auf die in Unordnung geratene Welt vorbereitet als je zuvor. Sollte er zum Bundespräsidenten gewählt werden, werde er dem Amt verbunden bleiben. „Ihr seid ein großartiger Laden, ich werde euch vermissen“, sagte Steinmeier unter Standing Ovations an seine ehemaligen Mitarbeiter gewandt.

„Mir ist sehr bewusst, dass Sie vermutlich alles erwartet haben, nur nicht mich als Außenminister“, übernahm Gabriel den Stab. Er habe den Rat seines Vorgängers gut verstanden, sagte der neue Chefdiplomat augenzwinkernd: „Mach' keinen Unsinn!“

Die deutsche Außenpolitik dürfe sich nicht nur auf die Bundestagswahl im Herbst fokussieren, sagte der Vizekanzler. „Dazu sind die Zeiten zu unruhig. Wir sind Zeitzeugen einer Neuvermessung der Welt.“ Die autoritären Entwürfe seien auf dem Vormarsch, die liberalen Antworten leider auf dem Rückzug. Der Unterschied von Innen- und Außenpolitik löse sich auf. „Europa, die transatlantische Partnerschaft und der Multilateralismus bleiben die Pfeiler der deutschen Außenpolitik“, betonte Gabriel.

Er betonte auch, dass soziale Gerechtigkeit und internationale Sicherheit zwei Seiten der gleichen Medaille seien. „In keiner Region kann man freier und sicherer leben als in Europa. Wir werden darum kämpfen müssen“, sagte der neue Außenminister. Er werde deshalb seine erste Auslandsreise nach Paris machen. Aber er freue sich auch, mit dem designierten US-Außenminister Rex Tillerson zusammenzutreffen. „Die Hand muss ausgestreckt bleiben“, sagte Gabriel. Aber man werde auch selbstbewusst auftreten und auch die Zusammenarbeit mit China und Indien ausbauen.

Acht Monate hat Sigmar Gabriel nun Zeit, sich als Außenminister und würdiger Nachfolger zu beweisen. Ob der SPD-Politiker auch nach der Bundestagswahl im Herbst noch für ein Ministeramt infrage kommt, müssen dann die Wähler und – sollte die SPD an der neuen Regierung beteiligt sein – danach seine Partei entscheiden.

„Das Wichtigste ist, dass er als Außenminister überzeugt“, hat SPD-Fraktionsvize Kar Lauterbach seinem Parteigenossen mit auf dem Weg ins Auswärtige Amt gegeben.

Die Erwartungen sind also hoch, die Möglichkeiten, sich zu beweisen, sind jedoch schwierig. Seinen ersten großen Auftritt als deutscher Außenminister wird Gabriel am 16. Februar in Bonn haben, wo er als Gastgeber seine Kollegen aus den 20 führenden Industrie- und Schwellenländern begrüßen wird. Deutschland hat derzeit den Vorsitz der sogenannten G20 inne.

Mit dabei ist dann vermutlich auch der designierte US-Außenminister Tillerson. Gabriels Aufgabe wird es sein, einen Fahrplan zu entwerfen, wie die durch den neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump ziemlich in Unordnung geratene Welt wieder stabilisiert werden kann. Gabriel, ohnehin nicht für seine diplomatischen Töne bekannt, hatte Trumps Wahlsieg als Ergebnis einer „schlimmen Radikalisierung“ bezeichnet und die Europäer aufgefordert, „beinhart ihre Interessen zu vertreten.“ Anders als sein Vorgänger hat der neue deutsche Außenminister den US-Präsidenten zumindest noch nicht als „Hassprediger“ gebrandmarkt.

Gleich nach dem G20-Treffen in Bonn geht es für Gabriel zur Münchener Sicherheitskonferenz, wo der neue Chefdiplomat mit all den Problemen konfrontiert wird, die im Moment an der Weltordnung rütteln.

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