Selbst auf seinen britischen Amtskollegen Osborne kann sich Schäuble nicht wirklich verlassen, obwohl beide Finanzminister die G20-Initiative gegen unfairen Steuerwettbewerb ins Leben gerufen haben. Das Vereinigte Königreich hat nämlich seine eigenen Steuerparadiese. Nicht nur die Britischen Jungferninseln in der Karibik, auch die Kanalinseln Jersey und Guernsey werben mit ihrer „Tax Neutrality“; steuerfreie Stiftungen („Trusts“) sind eine Inselspezialität. So viel Geld haben Jersey und Guernsey angezogen, dass sie auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 satte 300 Milliarden Pfund als Liquiditätshilfe in die Londoner City pumpten und diese vor einen Kollaps bewahrten. Das wird auch ein Finanzminister Osborne nicht vergessen.
Europa war, ist und bleibt steuerpolitisch zersplittert. Auch nach einem halben Jahrhundert EWG, EG und EU gibt es zwischen den mittlerweile 27 Mitgliedstaaten 280 Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), stellt EU-Generaldirektor Zourek frustriert fest. Selbst der Versuch, wenigstens eine gemeinsame Bemessungsgrundlage zur Besteuerung von Unternehmen (GKKB) zu finden, lief im vorigen Jahr ins Leere. Zourek: „Der Beifall war enden wollend.“ Auch die Deutschen hielten sich mit Applaus zurück – sie mögen nämlich nicht auf ihr Unikum der Gewerbesteuer verzichten.
Den Kampf gegen unfairen Steuerwettbewerb müssen die Länder am Ende mit nationalen Mitteln führen. Die Bundesregierung hat 2008 beispielsweise die Zinsschranke und die Besteuerung von Funktionsverlagerungen eingeführt, um Gewinnverschiebungen ins Ausland zu unterbinden. Der Erfolg ist begrenzt. Findige Konzerne sind damit kaum zu packen. Selbst Paragraf 42 Abgabenordnung, der sich gegen ausschließlich steuerlich motivierte Firmenkonstruktionen richtet, ist auf internationaler Ebene so zahnlos, dass er gar keine Anwendung findet, kritisiert Thomas Eigenthaler, Vorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. Das Problem seien vor allem ausländische Unternehmen, erläutert Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft, deren Mutterländer unfaire Steuerpraktiken tolerierten.
Welche Strafen Steuertricksern drohen
Hier wird in der Regel eine Geldstrafe verhängt, die in etwa einem Jahresnettoeinkommen des Steuerpflichtigen entspricht.
Die Strafverfolgungsbehörden ermitteln die Geldstrafe nach so genannten Tagessätzen. Der Geldbetrag für einen Tagessatz soll dem Tagesnettoeinkommen entsprechen.
Hat jemand ein Jahreseinkommen von 50.000 Euro brutto und Abzüge von 20.000 Euro für Steuern, Versicherungen und ähnlichem, so wäre der Tagessatz 82 Euro (gerechnet: 30.000:365).
Bei einer Hinterziehung von 10.000 Euro werden in der Regel 365 Tagessätze verhängt. Das bedeutet im Beispielsfall 365x82 = 29.930 Euro. Die Geldstrafe läge also bei rund 30.000 Euro.
Bei hohen Einkommen kann laut Experten die Strafe durchaus höher als die hinterzogene Steuer sein. Schließlich soll sich Steuerhinterziehung ja nicht lohnen.
Bei 20.000 Euro kommt man zu rund 440 Tagessätzen. Die Strafe läge im Beispielsfall dann 36.080 Euro.
Es ist bekannt, dass in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich streng bestraft wird. Eine interne Tabelle weist dies nach. Insofern gelten die hier genannten Strafrahmen nicht absolut, sondern sind lediglich Faustregeln.
Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Az. 1 StR 525/11) ist die Chance, auch bei schweren Steuervergehen um eine Haftstrafe herumzukommen, deutlich gesunken. Die Karlsruher Richter haben mit ihrer Entscheidung ein Urteil des Landgerichts Augsburg kassiert, das einen Unternehmer wegen 1,1 Millionen Euro hinterzogener Steuern nur zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt hatte. Dieses Strafmaß sei zu gering, entschied der BGH. Das Urteil liegt im Trend, glaubt Martin Wulf von der auf Steuerstrafrecht spezialisierten Kanzlei Streck Mack Schwedhelm: „In der Tendenz ziehen die Sanktionen an“, sagt der Jurist.
Dagegen will Bundesfinanzminister Schäuble nun vorgehen, indem er alle 90 Doppelbesteuerungsabkommen mit anderen Ländern korrigiert. Ursprünglich sollten sie eine zweifache Belastung von international aktiven Unternehmen verhindern. „Jetzt muss es darum gehen, eine doppelte Nichtbesteuerung zu verhindern“, sagt Schäuble. Dabei findet eine kleine Revolution statt. Bisher gilt das Freistellungsprinzip, wonach Deutschland auf sein Besteuerungsrecht verzichtet, wenn ein Unternehmen Gewinne bereits im Ausland versteuert. Angesichts von Ministeuersätzen anderer Länder geht das Bundesfinanzministerium nun zur Hinzurechnungsmethode über: Steuerzahlungen im Ausland werden vom deutschen Fiskus zwar anerkannt, Unternehmen müssen aber den Differenzbetrag bis zum hiesigen Steuersatz nachzahlen.
Gegen solche Steuersünder helfe nur Transparenz und öffentlicher Druck, sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Thomas Gambke und fordert: „Jedes Unternehmen muss offenlegen, wo und wie viel Steuern es zahlt. So wird sichtbar, welche Unternehmen Geld in Steueroasen parken.“ Dann könnte sich die Öffentlichkeit empören – wie in Großbritannien, wo Starbucks nach einem Sturm der Entrüstung Steuern nachzahlte. Auch der FDP-Finanzpolitiker Volker Wissing setzt auf die Kraft von Moral und Anstand und empfiehlt das Ideal des „ehrbaren Kaufmanns“ für alle Unternehmen.
Und was plant die OECD? Nicht viel, weiß deren Steuerabteilungsleiter Achim Pross schon vor Abschluss der BEPS-Gespräche. „Im Juni wird es keine klare Lösung mit einer Formel geben.“ Als Ziel gibt Pross an: die öffentliche Debatte. Das klingt wie – Hauptsache, wir haben darüber geredet.