Die Bundesländer ächzen zwar unter den kaum steuerbaren Milliarden-Kosten für die Unterbringung und Integration Hunderttausender Flüchtlinge. Doch an der Schuldenbremse, die ab 2020 eine Null-Neuverschuldung vorsieht, wollen sie nicht rütteln. Das ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa bei den jeweiligen Finanzministerien.
Dabei haben die Länder haben ihre Finanzmittel für die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge für 2016 teils kräftig aufgestockt. Das größte Bundesland Nordrhein-Westfalen plant im kommenden Jahr hierfür 4 Milliarden Euro ein - doppelt so viel wie 2015. Es folgen Bayern mit 3,31 und Baden-Württemberg mit 2,25 Milliarden Euro.
Eckdaten des Bundeshaushalts 2014 bis 2018
Geplant sind Ausgaben von 296,5 Milliarden. Die Steuereinnahmen werden mit 268,2 Milliarden Euro veranschlagt. Zur Deckung der Lücke zwischen den gesamten Einnahmen und Ausgaben werden 6,5 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Rechnet man Konjunktureffekte heraus, weist das Budget einen "strukturellen" Überschuss von 0,05 Prozent der Wirtschaftskraft aus.
Geplant sind Ausgaben von 299,5 Milliarden. Die Steuereinnahmen werden mit 278,5 Milliarden Euro veranschlagt. Erstmals seit 1969 muss der Bund keine neuen Schulden aufnehmen.
Auch in den kommenden Jahren will die Koalition ohne neue Kredite auskommen. Die Ausgaben steigen bis 2018 auf 329,3 Milliarden Euro. Die Steuereinnahmen dürften dann bei 311,8 Milliarden Euro liegen.
Die Investitionsquote sinkt in der mittelfristigen Finanzplanung weiter. Dieses Jahr sind 25,5 Milliarden Euro geplant. Gegen Ende des Finanzplans stagnieren sie zwischen 27 und 28 Milliarden Euro. Gemessen am wachsenden Ausgabenrahmen sinkt damit der Anteil der Investitionen im Haushalt.
Für Rentenkassen, Gesundheitssystem und Familienleistungen ist 2015 ein Anstieg auf gut 153 Milliarden Euro geplant, bis 2018 sollen es fast 172,3 Milliarden sein. Für Bildung, Wissenschaft und Forschung stehen 2015 insgesamt fast 21,3 Milliarden Euro bereit, 2018 sollen es fast 24 Milliarden Euro sein.
Überschüsse sind in der aktuellen Finanzplanung nicht vorgesehen. Die in den vergangenen Jahrzehnten aufgelaufenen Bundesschulden von rund 1300 Milliarden Euro werden sozusagen eingefroren. Weil zugleich das Bruttoinlandsprodukt steigt, geht die Schuldenquote gemessen an der Wirtschaftskraft aber zurück – von 76 Prozent 2014 auf unter 70 Prozent bis Ende 2017. Für Zinsen auf die Altschulden sind 2014 und 2015 rund 27 Milliarden Euro fällig. Das ist der zweitgrößte Etatposten. Am meisten Geld fließt ins Sozialsystem, vor allem in die Rente.
Der Bund will Länder und Gemeinden etwa bei der Bildung und der Kinderbetreuung um sechs Milliarden Euro entlasten. So übernimmt er ab 2015 alleine die Finanzierung der Ausbildungsförderung für Schüler und Studenten (Bafög). Zudem sollen in dieser Legislaturperiode zusätzlich fünf Milliarden Euro in die öffentliche Verkehrsinfrastruktur fließen und somit Straßen, Brücken und Schienen saniert werden.
Dabei sind die Ausgaben für die Flüchtlinge schwer abzusehen und nur bedingt vergleichbar. Rheinland-Pfalz etwa summiert unter diesem Haushaltsposten nur die Kostenerstattung für Kommunen und die Erstunterbringung. Andere Länder wie Brandenburg bilanzieren auch Personalkosten für Lehrer, Polizisten und Richter. Auch der Bundesanteil ist derzeit oft nicht eindeutig zu beziffern.
"Wir investieren zuerst in Menschen"
In Schleswig-Holstein werden die Ausgaben für Flüchtlinge 2016 mit 816 Millionen Euro veranschlagt (2015: 560 Millionen Euro). „Wir investieren zuerst in Menschen und dann in Beton“, brachte Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) die Grundhaltung vieler seiner Kollegen auf den Punkt.
Dies muss kein Widerspruch sein muss, meint die Deutsche Bank Research. Der Staatsverbrauch werde angesichts des Flüchtlingszuzugs und der daraus resultierenden Ausgaben expansiv bleiben. Aber das könne zu höheren Infrastruktur- und Bauinvestitionen führen. Zwar könnten die Staatsfinanzen unter Druck kommen. „Dank der hervorragenden Ausgangssituation bleibt ein ausgeglichener Haushalt aber möglich“, resümieren die Banker optimistisch.
Auch das „Dauer-Haushaltsnotlage-Land“ Bremen, das im ablaufenden Jahr rund 12.000 Flüchtlinge aufnahm (fast 2 Prozent seiner Bevölkerung), trägt das Kanzlerin-Mantra „Wir schaffen das“ im Grundsatz mit. Die rot-grüne Landesregierung sieht aber auch finanziellen Handlungsbedarf.
Saarland fordert mehr Hilfe vom Bund
„Je nachdem, wie sich die Flüchtlingssituation entwickelt, kann es sein, dass wir für die Kosten der Unterbringung und Integration von Flüchtlingen die Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen müssen“, sagte Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne). Bremen bekommt laut Sanierungsvertrag jährlich 300 Millionen Euro Konsolidierungshilfe von Bund und Ländern, wenn es die Neuschuldenreduzierung einhält. Die aktuelle Lage könnte das gefährden, deshalb strebt Bremen an, die Flüchtlingskosten gesondert auszuweisen.
Schützenhilfe kommt aus einem anderen Sanierungsland: „Das Saarland wird die Vorgaben zum Defizitabbau voraussichtlich nur dann dauerhaft einhalten können, wenn sich der Bund bei weiter steigenden Kosten der Zuwanderung an deren Finanzierung angemessen beteiligt“, warnte Saar-Finanzminister Stephan Toscani (CDU).
Doch selbst das mit 21,4 Milliarden Euro in der Kreide stehende Bremen rüttelt nicht an der Schuldenbremse. Baden-Württemberg ebenso wenig: „Wir werden die Schuldenbremse einhalten“, sagte der vor einer Landtagswahl stehende Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vor Kurzem.