Untersuchungsausschuss Hartmann widerspricht Edathy

Wer wusste was - und sagte es wem weiter? Dieser Frage in der Affäre Edathy geht ein Untersuchungsausschuss im Bundestag nach. Am Donnerstag sagte ein wichtiger Zeuge aus: Edathys ehemaliger Parteifreund Hartmann.

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Der Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann (SPD) sitzt als Zeuge in der Sitzung des Untersuchungsausschuss des Bundestages in Berlin. Quelle: dpa

Berlin Ein Untersuchungsausschuss soll klären, ob Edathy über die Kinderpornografie-Ermittlungen gegen sich informiert wurde, wie der frühere SPD-Abgeordnete behauptet. Das Leck soll der damalige Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, gewesen sein. Außerdem sei der Kreis der Mitwisser in der SPD um Fraktionschef Thomas Oppermann größer gewesen als bisher bekannt, behauptete Edathy am Donnerstag in Berlin.

Er hatte am Morgen vor der Presse erklärt, der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann habe ihn unter Berufung auf Ziercke mit Informationen versorgt. „Ich bin laufend unterrichtet worden, wo die Akte sich befindet“, so Edathy.

Als Zeuge widersprach der SPD-Bundestagsabgeordnete Hartmann den Aussagen Edathys. Hartmann erklärte, er habe 2013 vom früheren BKA-Präsidenten Ziercke keine Informationen über laufende Kinderporno-Ermittlungen gegen den damaligen Abgeordneten Edathy erhalten. Deshalb habe er Edathy auch nicht - wie von diesem behauptet - über den Stand der Ermittlungen gegen ihn auf dem Laufenden halten können, betonte Hartmann. Damit steht in dieser brisanten Frage Aussage gegen Aussage.

Hartmann sagte, nicht er, sondern Edathy selbst habe ihn am Abend des 15. Novembers am Rande des SPD-Bundesparteitags auf Ermittlungen gegen einen Filmehändler in Kanada angesprochen, bei dem auch er (Edathy) aus seiner Sicht legale Filme mit nackten Minderjährigen bestellt habe.

Hartmann betonte, er habe weder mit dem heutigen SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann noch mit anderen führenden SPD-Politikern über den Kinderporno-Verdacht gegen Edathy gesprochen. Hartmann sagte, er habe damals versucht, mit Oppermann über den schlechten Zustand Edathys zu sprechen. Dieser habe ihn jedoch zweimal „brüsk“ zurückgewiesen und ihm aufgetragen, er solle sich selbst um Edathy kümmern und ihn damit nicht behelligen.


Hartmann kann sich an SMS nicht erinnern

Der 45-jährige Edathy setzt darauf, dass sein anstehendes Gerichtsverfahren gegen eine Geldbuße eingestellt wird: „Ich habe sicher Fehler gemacht, aber es war legal.“ Ein Wort des Mitleids für Kinder, die für Fotos und Filme missbraucht werden, fand er nicht.

Die Affäre hatte im Frühjahr den Start der großen Koalition aus Union und SPD überschattet. Der CSU-Bundesminister Hans-Peter Friedrich stürzte, weil er Informationen zu drohenden Ermittlungen gegen Edathy an SPD-Chef Sigmar Gabriel weitergegeben hatte. Ob und von wem Edathy gewarnt wurde, prüft ein Untersuchungsausschuss des Bundestages.

Dort erschien Edathy am Donnerstag erstmals seit Bekanntwerden der Vorwürfe vor zehn Monaten als Zeuge. Er verteilte Listen seiner SMS-Kommunikation mit führenden Sozialdemokraten.

Dazu sagte Hartmann am Abend im Untersuchungsausschus, er könne sich nicht erinnern, ob die SMS tatsächlich von ihm stammen. „Ob die (SMS) vollständig sind, ob das die waren (.) Ich kann mich so genau nicht erinnern. Meine Erinnerung ist auch nicht so besonders gut. Die Sprachführung scheint mir bei manchen dieser Nachrichten authentisch zu sein. Wenn sie mir zuzuordnen sind und ich bestreite das nicht (...)“.


Linke fordert Ermittlungen wegen Geheimnisverrats

Edathy machte am Morgen zudem eine Eidesstattliche Versicherung öffentlich, in der er unter anderem Oppermann unterstellt, die Unwahrheit verbreitet zu haben. Oppermann selbst stellte klar: „Ich habe mein Wissen über den Fall Edathy keinem meiner Mitarbeiter anvertraut.“

Irene Mihalic von den Grünen erwartet nun auch von Oppermann „volle Transparenz“. Der CDU-Obmann im Ausschuss, Armin Schuster, kritisierte Edathys Presseauftritt: „Es bleibt eine tief irritierende, selbstgerechte Darstellung des Herrn Edathy.“ Edathy sei kein Opfer des Rechtsstaats. Opfer seien die Kinder.

Edathy bedauerte allgemein, dass er viele Menschen enttäuscht habe. Zu einer Entschuldigung an die Opfer der Kinderporno-Industrie konnte er sich nicht durchringen. Er habe Verständnis dafür, dass die Öffentlichkeit sein Verhalten kritisch sehe.

„Ob ich pädophil bin oder nicht - es geht Sie nichts an, was ich bin.“ Er habe einen hohen Preis bezahlt, seine bürgerliche Existenz sei vernichtet. Edathy muss sich ab Februar vor Gericht verantworten. Dabei geht es um das Herunterladen von Bildern und Filmen nackter Kinder eines russischen Anbieters.

Warum aber soll Ziercke, SPD-Mitglied und damals Deutschlands oberster Polizist, die Informationen weitergegeben haben? Edathys Version: Hartmann habe ihm geschildert, Ziercke habe Schaden von der SPD abwenden wollen, die vor Jahren bereits einen Kinderporno-Fall am Hals gehabt hatte. Edathy räumte allerdings ein, keine Belege gegen Ziercke in der Hand zu haben. Es seien nur Indizien.

Der Linke-Politiker Frank Tempel verlangte Ermittlungen gegen Ziercke: „Wenn das stimmt, was Edathy gesagt hat, dann war das mindestens Geheimnisverrat, wenn nicht sogar Strafvereitelung im Amt.“ Eine Sprecherin der Wiesbadener Staatsanwaltschaft sagte der Tageszeitung „taz“: „Wir werden jetzt erst mal Material sammeln und dann entscheiden, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.“

Ob SPD-Fraktionschef Oppermann jetzt noch einmal in Bedrängnis gerät, hängt davon ab, ob dieser - wie von ihm behauptet - in einem Gespräch Ende November 2013 mit Hartmann tatsächlich nur über Edathys Gesundheitszustand und nicht über die Ermittlungen sprach. Edathy zweifelt das an.

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