Wilhelmshaven Eine Stadt im Flüssiggas-Fieber

Bald sollen die Bauarbeiten für die zweite Ostsee-Pipeline zwischen Russland und Deutschland beginnen. Wilhelmshaven schaut skeptisch auf das Projekt und arbeitet an einer Alternative: einem Flüssiggas-Hafen.

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Ein LNG-Tankschiff vor der japanischen Küste (2012). Quelle: REUTERS

Am liebsten würde John H. Niemann in einigen Jahren wieder hier an der Küste in Wilhelmshaven stehen – und weinen. Denn immer, wenn Niemann weint, hat er geschafft. Dann hätte er sich erneut mit einer seiner Ideen durchgesetzt, die andere für teuren Wahnsinn halten. Die Idee, dass in Wilhelmshaven Deutschlands erstes Terminal für flüssiges Erdgas entsteht.

Niemann, Präsident der Wilhelmshavener Hafenwirtschaft, bläst ein rauer Wind ins Gesicht, es nieselt, ein normaler Sommertag an der Nordsee. Vor über 30 Jahren zog er die Stadt, die erst 150 Jahre alt ist. Niemann, Jahrgang 1947 und mit blau-gelber Krawatte, die an seine schwedischen Vorfahren erinnern soll, schaut einige hundert Meter in die Ferne.

Dort, zu seiner linken Seite, liegt der Jade-Weser-Port. Der war ebenfalls seine Idee. Als Deutschlands einziger Tiefwasser-Containerhafen vor fünf Jahren eröffnet wurde, konnte Niemann seine Emotionen nicht mehr kontrollieren. Er weinte los.

Zum Weinen war zwischenzeitlich auch den Betreibern, allerdings nicht wegen Glückgefühlen. Vom Pleitehafen war die Rede, einem Milliardengrab, einer Investitionsruine. 2,7 Millionen Container sollten hier pro Jahr umgeschlagen werden, letztes Jahr waren es nur eine halbe Million. Der Hafen entwickelt sich, allerdings viel zu langsam. Für Niemann ist der Jade-Weser-Port dennoch eine Erfolgsgeschichte, seine Erfolgsgeschichte. „Ein solches Projekt machen Sie eigentlich nur einmal im Leben.“

Aber Niemann hat noch nicht genug. Er, der sich selbst als „Visionär“ bezeichnet, hat nur noch drei Buchstaben im Kopf: LNG. Die Abkürzung steht für liquefied natural gas, verflüssigtes Erdgas, das von überall auf der Erde mit Schiffen über die Weltmeere transportiert werden kann. Bei minus 160 Grad verringert sich das Volumen des Gases um den Faktor 600. Große Mengen können also auf kleinem Raum transportiert werden. „Wir müssen uns unabhängig vom russischen Gas machen“, sagt Niemann. Doch dafür bräuchte es ein Terminal, an dem LNG-Schiffe anlegen und ihr Flüssiggas in normales Gas umwandeln können. 200 solcher Terminals gibt es weltweit, zwei Dutzend in Europa, aber kein einziges in Deutschland.

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