Brexit-Entscheid May braucht die Zustimmung des Parlaments

Die britische Regierung darf den EU-Austritt nur mit Zustimmung des Parlaments beantragen, entschied jetzt ein Gericht. Ein Problem für Premierministerin May. Denn die Mehrheit im Parlament für den Brexit unsicher.

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Die europäische Flagge wird vor dem Londoner High Court geschwungen. Hier entschied das Gericht heute: Das britische Parlament hat ein Mitspracherecht bei der Brexit-Frage. Quelle: REUTERS

Die britische Regierung kann nach einem Gerichtsurteil den EU-Austritt nicht im Alleingang ohne Zustimmung des Parlaments auslösen. Der Londoner High Court gab am Donnerstag einer Klage in diesem hoch brisanten Verfassungsstreit statt, der den Brexit-Zeitplan und eventuell den Austritt an sich in Frage stellen könnte. Premierministerin Theresa May lehnt es ab, die Parlamentarier über einen Ausstieg aus der EU abstimmen zu lassen. Das Gericht erklärte, es akzeptiere die von der Regierung vorgebrachten Argumente nicht. May ließ umgehend ankündigen, in der Sache nun den Obersten Gerichtshof einzuschalten. Laut einem Anwalt der Regierung ist dort für eine Anhörung bereits ein Zeitfenster Anfang Dezember reserviert.

Die wichtigsten Infos zum Brexit-Referendum

Die Briten votierten im Juni in einem Referendum für den Brexit. May will den Antrag bei der EU bis Ende März 2017 stellen. Danach beginnt der zweijährige Austrittsprozess. Der Zeitplan könnte nun durcheinandergeraten. Eine Mehrheit im Parlament für den Brexit gilt nicht als sicher. "Die Tür zum Verbleib in der Europäischen Union hat sich damit ein stückweit geöffnet. Eine Mehrheit der Abgeordneten im britischen Parlament ist bekanntlich gegen den Brexit", sagte Ökonom Jens Kramer von der NordLB. Die Hoffnung auf einen Aufschub beim geplanten EU-Austritt trieb das Pfund Sterling erstmals seit drei Wochen wieder über 1,24 Dollar. Die britische Währung kletterte um bis zu 1,2 Prozent auf 1,2448 Dollar.

May hatte den Beschwerdeführern um die Fondsmanagerin Gina Miller vorgeworfen, den im EU-Austrittsreferendum geäußerten Volkswillen unterlaufen zu wollen. Handelsminister Liam Fox äußerte sich enttäuscht über die Entscheidung der Londoner Richter: "Die Regierung ist entschlossen, den Ausgang des Referendums zu respektieren." Sie werde ihr weiteres Vorgehen in dieser schwierigen Rechtsmaterie nun sorgsam abwägen.

In Großbritannien wird schon länger heiß diskutiert, ob die Regierung nach Beginn der geplanten Austrittsverhandlungen mit der EU noch einen Rückzieher machen kann. John Kerr, früher Botschafter des Landes bei der Europäischen Union (EU), hält das durchaus für möglich. Seinen Worten zufolge spricht rechtlich nichts dagegen, sich nach Beginn des Austrittsverfahrens doch noch für einen Verbleib zu entscheiden. "Man kann seine Meinung ändern, während der Prozess läuft", sagte Kerr dem BBC-Fernsehen. Er hat den Artikel 50 des EU-Vertrages von Lissabon entworfen, der die Ausstiegsmodalitäten regelt. Mit seiner Einschätzung widerspricht Kerr Generalstaatsanwalt Jeremy Wright. Dieser hatte zuletzt vor dem Londoner High Court gesagt, dass ein Austrittsgesuch nach Artikel 50 unwiderruflich sei.

Die Briten hatten sich in einer Volksabstimmung im Juni mit knapper Mehrheit überraschend für einen Austritt aus der EU ausgesprochen. Kerr plädiert laut BBC dafür, dass die Entscheidung in zwölf bis 18 Monaten auf den Prüfstand gestellt wird. Dies solle durch ein Parlamentsvotum, Neuwahlen oder ein zweites Referendum geschehen.

Im Anschluss an den Brexit-Antrag, der laut May bis Ende März gestellt werden soll, beginnen die konkreten Verhandlungen über den Ausstieg, die binnen zwei Jahren abgeschlossen sein sollen.

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