Brexit Auf die jungen Briten wird es ankommen

Seite 2/3

Polarisierte Debatte um den Brexit

Die kürzlich ermordete Labour-Abgeordnete Cox hatte leidenschaftlich für den Verbleib Großbritanniens in der EU geworben. Ob der Mord die unentschlossenen Wähler beeinflusst, ist schwer zu sagen. Auf jeden Fall ist nun aber eine Debatte über die Verrohung des Umgangstons im politischen Diskurs entbrannt.

Cox selbst hatte vor einigen Monaten über aggressive Kommentare mit Anti-Immigrations- und Anti-EU-Rhetorik in den sozialen Medien geklagt. Beide Lager hatten sich öffentlich der Lüge bezichtigt.

Am heutigen Montag kommt das Unterhaus zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, um der Verstorbenen seine Ehre zu erweisen. „Ich hoffe, dass wir angesichts des tragischen Todes von Jo künftig eine weniger polarisierende Debatte führen werden“, so Finanzminister George Osborne. UKIP-Chef  Nigel Farage sprach von einer Auswirkung auf alle Beteiligten, machte aber gleichzeitig deutlich, dass die Brexit-Befürworter den größeren Schaden erlitten hätten, denn „bis zu dieser schrecklichen Tragödie“ habe seine Seite von einer guten Dynamik profitiert.  

Kampagne gibt Extremisten ein Forum

Der Attentäter Thomas Mair hatte – so berichteten verschiedene Sonntagszeitungen – offenbar Kontakte in die rechte Szene und war auch Abonnent einer rassistischen Publikation aus Südafrika. Außerdem wurden ihm Verbindungen zur amerikanischen Neonazi-Szene nachgesagt. Als er am Samstag erstmals einem Untersuchungsrichter vorgeführt wurde sagte Mair auf die Frage nach seinem Namen „Tod den Verrätern, Freiheit für Großbritannien“. Gleichzeitig aber heißt es in britischen Medien, Mair habe psychische Probleme gehabt.

Labour-Chef Jeremy Corbyn warnt, die Kampagne der EU-Gegner habe rechtsextremistischen Ansichten ein öffentliches Forum gegeben. Als Beispiel nannte er ein von Farage enthülltes Plakat auf dem unter der Überschrift „Breaking Point, the EU has failed us all“ (in etwa: „Bis zur Belastungsgrenze – die EU hat uns allen geschadet“) eine Schlange von Flüchtlingen an einer Grenze zu sehen war. Auch Finanzminister Osborne kritisierte, das Plakat erinnere ihn an Nazi-Propaganda aus den 30er Jahren.

Premierminister David Cameron stellte sich am Sonntagabend ein letztes Mal den Fragen der Fernsehzuschauer in der BBC. Cameron warb mit bisher ungekannter Leidenschaft für den Verbleib in der EU:  “Wenn wir rausgehen, dann war es das, es gibt keinen Weg zurück“ so der Premier, der sogar den legendären Kriegspremier Winston Churchill für seine Sache bemühte. Cameron warnte, es werde im Falle eines Brexit keine zweite Chance geben, über die Rolle Großbritanniens in der EU zu entscheiden.

Den EU-Kritikern gab er teilweise Recht, mahnte aber auch: „Nur wer am Verhandlungstisch sitzt, kann für Veränderung kämpfen – wer nicht im Zimmer ist, wird nicht gehört“. Wie so oft betonte er aber vor allem die wirtschaftlichen Vorzüge der EU-Mitgliedschaft: Die Dienstleistungen trügen mittlerweile 80 Prozent zur Wertschöpfung bei und „wir verkaufen heute mehr Dienstleistungen an Luxemburg als an ganz Indien. Die Idee, dass wir uns mit einem Austritt aus der EU von unserem wichtigsten Markt abschotten würden, ist wirtschaftlicher Wahnsinn“, beteuerte er.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%