Und selbst die Gegner scheinen nicht so recht an einen Erfolg in Karlsruhe zu glauben. „Der politische Kampf um Ceta wird unabhängig von der juristischen Auseinandersetzung weitergehen“, ließen Foodwatch, Campact und Mehr Demokratie vorab verkünden.
Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle betonte zum Verhandlungsauftakt, Ceta sei „ein sehr komplexes Abkommen“. Befürworter und Gegner des Abkommens neigten häufig zu Vereinfachungen. Die verfassungsrechtliche Bewertung von Ceta habe „der Komplexität des Gegenstandes jedoch hinreichend Rechnung zu tragen“. Im Eilverfahren sei ein strenger Maßstab anzulegen. Das gelte insbesondere, wenn es um eine Maßnahme mit völkerrechtlichen und außenpolitischen Auswirkungen gehe. Es werde deshalb ganz zentral um die Frage gehen, ob die Bundesrepublik die vorläufige Anwendung nach einer endgültigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen Ceta wieder beenden könne. Kurzum: Voßkuhle macht den Ceta-Gegnern wenig Hoffnung.
3. Wie geht es nach dem Urteil weiter?
Sollte das Bundesverfassungsgericht überraschend zu dem Ergebnis kommen, dass Ceta gegen das Grundgesetz verstößt, wäre das eine schwere Niederlage für die Bundesregierung. Jahrelange Verhandlungen zu den Freihandelsabkommen wären vergebens gewesen. Der Bundeswirtschaftsminister warnte vor einem Scheitern. „Für Europa wäre das eine Katastrophe“, sagte SPD-Chef Gabriel am Mittwoch in Karlsruhe. Es sei fraglich, ob Europa noch ernst genommen werde, wenn es mit einem ihm nahestehenden Land wie Kanada kein Abkommen zustande bekäme.
Gibt Karlsruhe dem Eilantrag nicht statt, geht die Auseinandersetzung weiter. Bereits am 18. Oktober wollen die Wirtschaftsminister der EU-Mitgliedsstaaten Ceta verabschieden. Erst in einem späteren Hauptsacheverfahren klärt das Verfassungsgericht abschließend, ob der Vertrag in allen Punkten mit dem Grundgesetz konform ist.
4. Welches sind die größten inhaltlichen Knackpunkte?
Die Ceta-Gegner haben die Sorge, dass der europäische Gesetzgeber künftig erst Kanada um Erlaubnis fragen muss, wenn er ein Gesetz erlassen will, dass für kanadische Unternehmen potentiell schädlich sein könnte. Tietje sieht diese Gefahr nicht. „Ceta schränkt Staaten in ihrer Gesetzgebung nicht ein“, sagt der Völkerrechtler.
Bestes Beispiel sei kürzlich die Klage von Tabakkonzern Philipp Morris gegen Uruguay gewesen. „Das Schiedsgericht stellte fest, dass Staaten weitreichende regulative Maßnahmen ergreifen dürfen, die nicht unmittelbar zu einer Entschädigung führen.“ In seiner Begründung hatte sich das Gericht sogar auf den europäisch-kanadischen Vertragstext bezogen. „Ich kenne kein Freihandelsabkommen, das dieses Recht so unterstreicht wie Ceta“, sagt Tietje.
Die Freihandelsabkommen
Ceta ist die Abkürzung für das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada. Es steht für „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ (Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen). Die technischen Verhandlungen begannen 2009, beendet wurden sie 2014. Am 27. Oktober soll Ceta unterzeichnet werden. Ziel des Abkommens ist es, durch den Wegfall von Zöllen und „nichttarifären“ Handelsbeschränkungen wie unterschiedlichen Standards und Normen das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.
Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums ist die EU für Kanada nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner. Ceta gilt auch als Blaupause für das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP), das den weltgrößten Wirtschaftsraum mit rund 800 Millionen Verbrauchern schaffen würde. Kritiker sehen durch beide Abkommen unter anderem demokratische Grundprinzipien ausgehöhlt.
TTIP ist ein sich in der Verhandlung befindendes Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA. Seit Juli 2013 verhandeln Vertreter beider Regierungen geheim – auch die nationalen Parlamente der EU erhalten keine detaillierten Informationen.
In dem Abkommen geht es um Marktzugänge durch den Abbau von Zöllen. Zudem sollen globale Regeln entwickelt werden – etwa zur Vereinheitlichung von Berufszugängen innerhalb der Handelszone. Auch Gesundheitsstandards und Umweltstandards sollen angeglichen werden.
Als Blaupause für das Abkommen gilt CETA.
Zweites Streitthema sind die Schiedsgerichte: Die Gegner argumentieren, dass für ausländische Unternehmen eine Sonderbehandlung geschaffen würden, die inländische Unternehmen benachteiligen. Aus Sicht Tietjes ist auch dieses Argument nicht stichhaltig. Ausländische Unternehmen seien anders als inländische vom Grundgesetz nicht geschützt. Ceta würde somit eine Rechtsschutzlücke für ausländische Unternehmen schließen.
Auch der Verhandlungsführer der Bundesregierung, Franz Mayer, macht sich in diesem Punkt keine Sorgen: Weltweit gebe es etwa 3000 Freihandelsabkommen. Bei manchen sei der Investitionsschutz verbesserungswürdig. „Ceta bietet aus unserer Sicht den fortschrittlichsten Investitionsschutz, den es je gegeben hat“, sagt Mayer.