EZB und WiWo im Streitgespräch Müllschlucker EZB – wie gefährlich sind Draghis Geschäfte wirklich?

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Beleihung der Sicherheiten

Bindseil: Die beschriebenen Regeln und Absicherungen haben dazu beigetragen, dass das Eurosystem bei Kreditgeschäften mit den Geschäftsbanken noch nie einen Euro Verlust erlitten hat. Das war selbst in der schwersten Finanzkrise seit vielen Jahrzehnten und der Insolvenz von Lehman Brothers nicht der Fall. Banken tendieren sogar dazu, weitaus mehr Sicherheiten einzureichen als sie in Form von Krediten von den Zentralbanken im Eurosystem in Anspruch nehmen. Das zeigt die Graphik zu Sicherheiten und ausstehenden Krediten auf unserer Website

Fischer: Dass es noch nie zu Verlusten des Eurosystems bei den Leihgeschäften mit den Geschäftsbanken gekommen ist, ist nicht in erster Linie den angeblich soliden Regeln der EZB für Sicherheiten zu verdanken, sondern der Tatsache, dass die EZB sich in der Finanzkrise zum oberster Banken- und Staatenretter aufgeschwungen hat. Faktisch betreibt die EZB damit eine Rettungspolitik in eigener Sache. Denn käme es zu Banken- und Staatspleiten ,erlitte sie riesige Verluste, weil ihre Forderungen an die Banken und die unterliegenden Sicherheiten wertlos würden. Die Rettung von Staaten - etwa durch das Versprechen, notfalls unbegrenzt deren Anleihen zu kaufen – ist aber nicht die Aufgabe der EZB. Sie bewegt sich außerhalb ihres Mandats.

Bindseil: Ein weiterer Sicherheitsaspekt, den Sie, Herr Fischer, nicht erwähnen, ist die Beleihung der Sicherheiten zum Beleihungswert und nicht zum Nennwert. Die Kreditsumme, die mit einem Wertpapier besichert werden kann, wird täglich neu ermittelt. Beliehen wird der gegenwärtige Marktwert von Anleihen abzüglich der Sicherheitsabschläge, die abhängig von Laufzeit, Rating und Wertpapierklasse mehr als 80 Prozent betragen können.

Wie Europas Währungen ohne Euro auf- oder abwerten müssten
Das SzenarioDer US-Finanzriese Bank of America Merrill Lynch (BoA) wollte es genauer wissen: Analyst Athanasios Vamvakidis hat den Euro-Währungsraum unter der Maßgabe genauer unter die Lupe genommen, dass die Euro-Zone auseinanderbricht und der Euro abgeschafft wird. Hintergrund sind neben den hohen Staatsschulden einzelner Peripheriestaaten vor allem das absehbare Ende der massiven Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB), das sogenannte OMT-Programm, und in der Folge wieder steigende Zinsen. Nur die Geldpolitik der EZB hat 2012 eine Eskalation der Staatsschuldenkrise verhindert, in dem die Kreditkosten für die Peripheriestaaten auf ein historisches Tief gedrückt wurden. Was also passiert, wenn das OMT-Programm endet? Quelle: dpa
Schatten-WechselkurseDie BoA-Experten erwarten, dass die EZB das OMT-Programm im kommenden Jahr reduziert und schrittweise auslaufen lässt. Dadurch würden auch die Finanzierungskosten der Staaten wieder ansteigen, obwohl es länger dauern dürfte, die Leitzinsen wieder anzuheben. Insgesamt rechnet die BoA dann mit höheren Schuldenquoten in Italien, Spanien, Portugal und Griechenland als 2012 auf den Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise. Ohne einschneidende Reformen steigt somit das Risiko, dass die Euro-Zone auseinanderbricht. Dies vor Augen hat BoA-Analyst Vamvakidis Schattenwechselkurse für die nationalen Nachfolgewährungen gegenüber dem heutigen Euro berechnet. Diese legen Währungsunterschiede zwischen den Euro-Staaten offen, die derzeit durch die Gemeinschaftswährung verborgen sind. Quelle: dpa
GriechenlandGriechenland bleibt das Sorgenkind der Euro-Zone. Trotz spürbarer Fortschritte liegt die Überbewertung Griechenlands zusammen mit der Spaniens an der Spitze. Die griechische Drachme müsste deshalb nach heutigem Stand um 7,5 Prozent abwerten. Immerhin: Vor der Krise lag der Abwertungsbedarf eher bei 30 Prozent, insofern war die Verbesserung deutlich. Nur ein Land der Euro-Zone ist aktuell so stark überbewertet wie Griechenland. Quelle: dpa
SpanienMüsste Spanien zur Peseta zurückkehren, wäre laut BoA eine Abwertung der spanischen Währung um 7,5 Prozent erforderlich. Gegenüber dem Abwertungsbedarf vor der Krise von rund 14 Prozent ist das schon eine Stabilisierung. Allerdings haben sich Spaniens Staatsschulden seit 2008 nahezu verdreifacht. Dank der Geldpolitik der EZB hat sich die Zinsbelastung des Staates jedoch nur um 80 Prozent erhöht. Quelle: Fotolia
FrankreichBräche der Euro heute auseinander, müsste der Franc um fünf Prozent abwerten – und damit deutlich mehr als zu Vorkrisenzeiten. Damals lag die Überbewertung bei nur zwei Prozent. Insgesamt, so Studienautor Vamvakidis, sei die Überbewertung jedoch zu gering, um die Forderungen der Rechtspopulistin Marine Le Pen nach einem Frexit und einer anschließenden Abwertung des Franc zu rechtfertigen. Quelle: dpa
ItalienItalien bleibt etwas überbewertet, so dass die italienische Lire nur um drei Prozent abwerten müsste, um einen angemessenen Wechselkurs zu erreichen. Vor der Krise betrug die Überbewertung noch 7,5 Prozent. Seit 2012 ist die Zinsbelastung des Staates deutlich gesunken. Quelle: dpa
PortugalAuch in Portugal hat sich die wirtschaftliche Lage deutlich gebessert, so dass der Escudo nach heutigen Maßstäben nur noch leicht, nämlich um ein Prozent abwerten müsste, um im Gleichgewicht mit den übrigen Euro-Staaten zu notieren. Quelle: dpa

Fischer: In meinem Artikel bin ich ausführlich auf die Sicherheitsabschläge eingegangen, die die EZB bei der Beleihung von Wertpapieren anwendet. Das Problem ist, dass die EZB die Höhe der Abschläge selbst festsetzt. In der Eurokrise hat sie sich dabei nicht gerade mit Ruhm bekleckert. So setzte sie für italienische und spanische Staatsanleihen die gleichen Bewertungsabschläge an wie für deutsche Staatsanleihen – obwohl das Ausfallrisiko für die Anleihen der Südländer schon damals deutlich höher war als für Bundespapiere. Das legt den Verdacht nahe, dass politische Überlegungen eine Rolle spielen, wenn es um die Höhe der Abschläge geht.    

Bindseil: In Ihrem Artikel sprechen Sie von „Ramschanleihen“, die als Sicherheit akzeptiert würden; außerdem stellen Sie weitere unbelegte Behauptungen auf, raunen von „Ungereimtheiten“ oder schreiben „viele der Wertpapiere, die die EZB als sicher einschätzt, sind es in Wahrheit nicht; die EZB gibt sich mit fragwürdigen Zahlungsversprechen zufrieden“. Für all diese schwerwiegenden Anschuldigungen wird kein Beleg erbracht.

Fischer: Die EZB akzeptiert zum Teil Sicherheiten, die noch nicht einmal das Rating einer Agentur aufweisen. Die Liste dieser Kollaterale ist der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Wenn die EZB behauptet, keine fragwürdigen Zahlungsversprechen als Sicherheiten zu akzeptieren, warum veröffentlicht sie diese Liste dann nicht? Ebenso gern würde die Öffentlichkeit erfahren, was die nationalen Zentralbanken, etwa die griechische Zentralbank, auf dem Höhepunkt der Euro-Krise für ihre  Notfallkredite an die Geschäftsbanken des Landes an Sicherheiten akzeptiert hat. Mehr Transparenz in diesem Bereich täte der Glaubwürdigkeit des Eurosystems und dem Vertrauen der Bevölkerung in das gemeinsame Geld gut.

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