Bis zur Wahl im April ist es noch Zeit. Aber schon Ende November entscheiden die konservativen Republikaner in – für alle Bürger offenen – Vorwahlen über ihren Kandidaten. Vom Ausgang hängen wesentlich die Chancen und Optionen anderer Parteien ab: ob der glücklose sozialistische Amtsinhaber François Hollande noch einmal antritt. Ob Exwirtschaftsminister Emmanuel Macron seinen Hut in den Ring wirft. Ob ein Linksaußen wie Arnaud Montebourg mit seinen Forderungen nach weniger Haushaltsdisziplin punkten kann. Oder ob gar die Rechtsnationalistin Marine Le Pen vom Front National in den Élysée-Palast einzieht. Gegen Juppé etwa hätten Umfragen zufolge weder Le Pen noch Hollande Siegesaussichten. Der erfahrene Verstandesmensch ist bei Wählern der Mitte beliebt. Vor allem Rentner und Führungskräfte sprechen sich für ihn aus – zuverlässige Wähler.
Um Frankreichs lahme Wirtschaft flottzumachen, will Juppé die Vermögensteuer abschaffen und den Staatshaushalt, der 57 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschlingt, um bis zu 100 Milliarden Euro kürzen. Die Sozialabgaben sollen sinken, die Unternehmenssteuern auch. Für Abfindungen bei Kündigungen, bislang oft sündhaft teuer, soll es eine Höchstgrenze geben.
Sarkozys Plan für die Wirtschaft unterscheidet sich nicht wesentlich. Ausnahme: Er will höhere Staatsschulden in Kauf nehmen. Doch mit markigen Sätzen wie „Ich bin der Präsident, der die Staatsmacht wieder etabliert“, umgarnt er geschickt rechtskonservative Wähler, die sich vor allem um die innere Sicherheit sorgen – und bislang Le Pen favorisierten.
Das ist Marine Le Pen
Marine Le Pen, Tochter des Politikers und FN-Gründers Jean-Marie Le Pen wurde am 5. August 1968 in Neuilly-sur-Seine geboren. Als Kind überlebte sie ein Attentat, das 1976 gegen das Wohnhaus der Familie verübt wurde. Die 46-Jährige war mit Geschäftsmann Franck Chauffroy verheiratet. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Nach der Scheidung heiratete sie den FN-Funktionär Éric Lorio. Auch diese Ehe scheiterte. Marine Le Pen studierte in Paris Jura und erhielt 1992 die Anwaltszulassung. Bis 1998 war sie als Anwältin tätig. Besonders markant ist ihre dominante und und für eine Frau sehr tiefe Stimme.
Seit Marine Le Pen den Parteivorsitz inne hat, versucht sie frischen Wind in den „Front National“ zu bringen. So hat sie sich zum Ziel gesetzt, Anspielungen auf das Dritte Reich zu vermeiden, um das Bild einer rechtsextremen Partei loszuwerden. Dazu passt auch, dass sie sich stärker auf die Alltagsprobleme der Bürger fokussiert. Die hohe Arbeitslosigkeit und steigende Preise sind nun die neuen zentralen Themen. Ihre Rezepte zur Überwindung der Krise: Heimische Investoren sollen von einer Abwanderung abgehalten werden, Franzosen sollen bei der Jobsuche bevorzugt werden und das Land aus dem Euro austreten. Feindbild ist die "wilde Globalisierung".
Von 1998 bis 2004 war Marine Le Pen Abgeordnete im Parlament der Region Nord-Pas-de-Calais. Über ihren Wahlkreis Île-de-France zog sie 2004 ins Europaparlament ein. Nach Stationen im Regionalparlament der Île-de-France wurde sie 2011 an die Parteispitze des Front National gewählt. Bei der Präsidentenwahl 2012 wurde sie nach Hollande und Sarkozy drittstärkste. Zeitweise sahen Umfrageergebnisse, die im Magazin „Le Nouvel Observateur“ erschienen sind, den Front National als stärkste französische Partei. Seit der Europawahl im Mai 2014 ist sie Abgeordnete im Europäischen Parlament.
Eine explizite Feindschaft zum Islam gehört zu den zentralen Positionen Le Pens und ihrer Partei. Eine entsprechende Äußerung in einer Wahlkampfrede im Dezember 2010 brachte Le Pen ins Visier der Staatsanwaltschaft. Sie verglich öffentliche Gebete von Muslimen mit der deutschen Nazi-Besatzung. "Sicher geschieht dies ohne Panzer und ohne Soldaten, aber trotzdem ist es eine Besatzung, und betroffen sind die Einwohner", so Le Pen.
Siegt Sarkozy bei den Vorwahlen, droht aber innerparteilicher Zoff. Dann wird ihn mindestens ein weiteres Parteimitglied bei der offenen Präsidentschaftswahl herausfordern. Der Zentrumspolitiker François Bayrou hat diesen unfreundlichen Akt bereits angekündigt. So würde sich die gemäßigte Rechte selbst zerfleischen. Was der stramm rechten Le Pen wiederum nützte. Meinungsforscher sehen sie bei der Konstellation in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl schon als Siegerin.
Außerdem könnte die linke Opposition frecher werden. So würde der höchst populäre, gerade erst zurückgetretene Macron wohl auch Juppé als Minister dienen. Provokateur Sarkozy hingegen dürfte Macron als Kandidat entgegentreten.
Und was ist mit Hollande, dem amtierenden Präsidenten? In Umfragen ist er das unbeliebteste Staatsoberhaupt aller Zeiten: Er zögert die Frage seiner erneuten Kandidatur hinaus. Doch das ist beinahe egal. Die nächste Präsidentschaftswahl, so scheint es, wird in Frankreich rechts entschieden. Die entscheidende Frage ist: Wie weit rechts?