Gazprom EU geht auf Konfrontationskurs mit Moskau

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager verschärft das Verfahren gegen den russischen Energieriesen Gazprom. Wie im Fall des Internetkonzerns Google zeigt die Dänin, dass sie keine Angst vor starken Gegnern hat.

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Wo Gazprom in Deutschland seine Finger im Spiel hat
Des russische Energieversorger Gazprom liefert nicht nur Erdgas in verschiedene Länder, er investiert auch in Erdgastankstellen. So hat das Unternehmen im September 2013 zwölf Erdgastankstellen des bayerischen Energieversorgers FGN in Süddeutschland übernommen. „Mit der Übernahme erweitern wir unser Erdgastankstellennetz in Deutschland und bekräftigen unser Engagement für den umweltschonenden Einsatz von Erdgas als Kraftstoff“, sagte Vyacheslav Krupenkov, Hauptgeschäftsführer der Gazprom Germania GmbH. Mit der Übernahme baute GAZPROM Germania ihr bundesweites Netz von acht auf 23 Erdgastankstellen bis Ende 2013 aus. Quelle: dapd
Auch bei der Verbundnetz Gas AG (VNG) in Leipzig ist Gazprom investiert. Gleiches gilt für die W&G Beteiligungsgesellschaft in Kassel, die ebenfalls im Erdgastransport tätig ist. Gazprom öffnet aber auch für den Sport seinen Geldbeutel. Quelle: dpa
Gazprom spendete der Christoph Metzelder Stiftung 20.000 Euro für sozial-benachteiligte Kinder. Auf Initiative des ehemaligen Fußballnationalspielers engagiert sich das russische Energieunternehmen für das Projekt „Bildungstankstelle“ am Firmenstandort Berlin. Das außerschulische Angebot des Vereins Straßenkinder e.V. fördert sozial schwache Schüler in Marzahn-Hellersdorf mit individueller Lernbetreuung. Die Kooperation zwischen GAZPROM und der Christoph Metzelder Stiftung startete bei der offiziellen Saisoneröffnung des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04. Quelle: Presse
Seit 2007 ist Gazprom einer der Hauptsponsoren des Vereins Schalke 04. Rund 17 Millionen Euro macht der russische Gaskonzern jährlich für den Verein locker. Der hat jetzt eine Einladung in den Kreml angenommen, die angesichts der Ukraine-Krise in der Politik auf Kritik gestoßen sind. "In der momentanen Lage eine Einladung in den Kreml anzunehmen und sich so instrumentalisieren zu lassen, zeugt nicht wirklich von Fingerspitzengefühl", sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber der "Bild"-Zeitung . Neben Schalke fördert Gazprom auch Zenit St. Petersburg, Roter Stern Belgrad und den FC Chelsea. Quelle: AP
Ganz aktuell fördert Gazprom die Fotoausstellung des russischen Künstlers Yurgis Zanarevsky im Berliner "Café des Artistes". Quelle: Screenshot
Auch für die Deutsch-Russischen Festtage macht Gazprom Geld locker, statt. "Gazprom Germania unterstützt die Deutsch-Russischen Festtage seit ihren Anfängen als zuverlässiger Partner. Mit unserer Förderung ermöglichen wir allen Besuchern den kostenfreien Besuch des Kulturfestes und viele Begegnungen zwischen Menschen aus Russland und Deutschland", heißt es seitens des Unternehmens. Quelle: AP
Außerdem bezuschusst Gazprom die Deutsch-Russischen Filmtage und die Russische Filmwoche in Berlin. "Wir sorgen dafür, dass das weltberühmte Mariinski-Theater aus St. Peterburg das Berliner Publikum verzaubert", heißt es im Geschäftsbericht. Quelle: Presse

Genau vor einer Woche kündigte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ihre harte Linie im Fall Google an. Statt wie ihr Vorgänger Joaquín Almunia einen Vergleich zu suchen, verschärfte sie das laufende Wettbewerbsverfahren und steuert auf hohe Strafen zu. Im Fall von Gazprom geht sie nun genauso vor. Am heutigen Mittwoch verschärfte sie das seit 2012 laufende Wettbewerbsverfahren, indem sie Gazprom die konkreten Beschwerdepunkte zustellte. Almunia hatte mit dem Unternehmen ebenfalls über einen Vergleich verhandelt.

Sorgt der Fall Google schon für transatlantische Verstimmung auf der politischen Ebene, so ist Gazprom erst recht dafür prädestiniert, das Klima zwischen Brüssel und Moskau zu belasten. Seit Beginn der Ukraine-Krise im vergangenen Jahr hatte die Kommission den Fall Gazprom mehr oder weniger auf Eis gelegt, um eine politische Provokation zu vermeiden. Russland sieht das Wettbewerbsverfahren eindeutig als politische Waffe.

Nun schreitet Vestager beherzt voran und versucht das Verfahren zu entpolitisieren – soweit das irgendwie möglich ist. Sie sagt ausdrücklich: „Wir haben kein Problem mit Ländern, uns geht es um das Verhalten von Betrieben.“ Wenn diese europäische Wettbewerbsregeln nicht einhalten, will sie einschreiten, unabhängig vom Herkunftsland. Sie argumentiert, dass sie im Interesse von Konsumenten handelt: „Verbraucher verlassen sich auf uns, damit wir sicherstellen, dass Wettbewerb gerecht und offen stattfindet. Es ist meine Aufgabe das sicherzustellen.“

Vestager unterstrich am Mittwoch auch, dass die EU-Kommission ähnlich gelagerte Fälle untersuche, etwa gegen die staatseigene Bulgarian  Energie Holding. Sie gestand indes ein, dass viele Beobachter den Fall Gazprom als politisch einstuften.

Das Unternehmen bezeichnete die Vorwürfe aus Brüssel am Mittwoch als „unbegründet. Gazprom-Chef Alexey Miller hat jedoch verstanden, dass er es mit einer entschlossenen Gegnerin zu tun hat. Vergangene Woche schlug er in Berlin versöhnliche Töne an. „Gazprom ist bereit, mit der Europäischen Kommission zusammenzuarbeiten“, unterstrich er. „Wir werden die Regeln des Europäischen Markts einhalten.“ Beobachter sehen darin die Bereitschaft der Russen, weiter über einen Vergleich verhandeln zu wollen – womit Brüssel den Energiemulti aus dem Osten allerdings brüsk abblitzen ließ.

Ein herber Schlag für den russischen Energieriesen

Konkret wirft die Wettbewerbskommissarin Gazprom vor, seine dominante Stellung im europäischen Gasmarkt auszunutzen. Ihre Beamte haben festgesellt, dass Gazprom in acht Mitgliedsstaaten (Bulgarien, der Tschechischen Republik, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen und der Slowakei) den Kunden territoriale Beschränkungen aufzwingt, so dass geliefertes Gas nicht ausgeführt werden darf. Außerdem hat die EU-Kommission Beweise, dass Gazprom in Bulgarien, Estland, Lettland und Polen eine unlautere Preispolitik betreibe. Teilweise sei das Problem, dass diese sehr hohen Preise an den Ölpreis gekoppelt seien. Gazprom ist der marktbeherrschende Erdgaslieferant in allen mittel- und osteuropäischen Ländern. In den meisten dieser Länder liegt der Marktanteil nach Angaben der EU-Kommission bei weit über 50 Prozent.

Die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas und Öl

Gazprom hat nun zwölf Wochen Zeit, um auf die Vorwürfe zu reagieren. Theoretisch ist ein Vergleich immer noch möglich, aber durch die Verschärfung des Verfahrens eher unwahrscheinlich. Sollte die EU-Kommission zu dem Ergebnis kommen, dass ein Verstoß gegen Wettbewerbsrecht vorliegt, kann sie eine Strafe von zehn Prozent des Umsatzes erlassen. Das wäre ein herber Schlag für den russischen Energieriesen, dessen Gewinn im vergangenen Jahr vor allem wegen des niedrigen Rubelkurses und der günstigen Rohstoffpreise um 70 Prozent eingebrochen war.

Im Februar hatte die EU-Kommission das Projekt Energie-Union vorgelegt, mit dem die 28 Mitgliedstaaten unabhängiger von Energieimporten werden sollen. Obwohl nicht explizit erwähnt, zielt dies auf Russland ab. Führende Energieexperten wie der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Friedbert Pflüger bremsen aber die Erwartungen, dass sich die Europäer in nennenswertem Umfang von Gasimporten aus Russland abkoppeln können. „Es wird bei einer gegenseitigen Abhängigkeit bleiben“, so Pflüger.

Allerdings bemüht sich Moskau seinerseits, die Abhängigkeit von Rohstoff-Exporten in die Europäische Union zu reduzieren: Gazprom hat mit China Verträge über Gaslieferungen abgeschlossen, die zwar vorerst wenig lukrativ, aber sehr umfangreich sind. Allerdings müssen für geschätzte 55 Milliarden Euro zunächst Pipelines durch Sibirien gebaut und neue Gasfelder erschlossen werden. Letztere werden technisch nicht mit den für Europa bestimmten Vorkommen verbunden sein. Somit tun sich beide Seiten schwer mit ihren krampfhaften Versuchen, sich strategisch unabhängiger vom jeweiligen „Partner“ zu machen.

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