NATO-Gipfel in Warschau Europa braucht eine gemeinsame Rüstung - und droht zu scheitern

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Strategische Technologien sollen in deutscher Hand bleiben

Doch die Tücken lauern im Detail: Bislang sprengen die Kosten für Rüstungsprojekte, an denen europäische Konsortien beteiligt sind, regelmäßig die Vorgaben. Der Militärtransporter A400M, dessen Auslieferung 107 Monate hinter Plan liegt und mindestens sieben Milliarden Euro teurer wird als geplant, ist nur das jüngste Beispiel in einer Reihe zweifelhafter paneuropäischer Rüstungsprojekte. Dafür mitverantwortlich sind häufig nationale Extrawünsche. Zudem pocht so gut wie jede Regierung vor einer Bestellung darauf, dass heimische Unternehmen zum Zuge kommen, ganz gleich, ob sie qualifiziert sind oder nicht. „Über ein EU-weites Rüstungsprojekt zu verhandeln ist so kompliziert wie eine gemeinsame Uno-Resolution“, klagt ein Mitarbeiter im Verteidigungsministerium. Immerhin: Die Bundeswehr schrieb zuletzt den Bau einer Fregatte europaweit aus – ein Auftrag über vier Milliarden Euro, den EU-Staaten normalerweise national vergeben würden.

Die USA vervierfachen ihr Militärbudget für Osteuropa. Die Nato zeigt auf ihrem Gipfel mit Plänen für eine Truppenverlegung Stärke. Eine Multimedia-Story von Hannah Steinharter und Maximilian Nowroth.

Mit gutem Beispiel voran und allen Unstimmigkeiten ein Ende, so wünscht es sich von der Leyen. Sie verfolgt laut Weißbuch ein „möglichst einheitliches Design auf Basis einheitlicher Fähigkeitsforderungen“. Die Gestaltung solle einer „Leitnation“ überlassen sein – egal, ob sie nun Deutschland heißt oder nicht. Einzig für „strategische“ Technologien will Deutschland für die Bundeswehr die Führung übernehmen, etwa Verschlüsselungssysteme und U-Boote. Das neue Raketenabwehrsystem Meads etwa soll die deutsche Tochter des Pariser Lenkwaffenherstellers MBDA bauen. Im Umkehrschluss kann es künftig sein, dass etwa der Tornado-Kampfjet vom französischen Modell ersetzt wird und Korvetten aus Italien die Nordsee schützen – damit europäische Rüstungsprojekte schneller und effizienter abgewickelt werden.

Mit wem Deutschland die dicksten Waffengeschäfte macht
Ägypten Quelle: dpa
Algerien Quelle: Arche Caracalla, CC BY-SA 3.0 Wikimedia Commons
Schweden Quelle: dpa
Südkorea Quelle: dpa
Saudi-Arabien Quelle: dpa

Ob das klappt? „Kommt es zum Schwur, knickt die Politik doch wieder vor den Lobbyisten der deutschen Wehrindustrie ein und boxt nationale Lösungen durch“, fürchtet Tobias Lindner, Grünen-Verteidigungsexperte im Bundestag. Und manches wird aus wirtschaftlichen Gründen umstritten bleiben: Die Ausschreibung eines Kampfpanzers führt etwa zur Gretchenfrage, wer das Geschütz zuliefern soll: der deutsche Konzern Rheinmetall, wie bisher, oder etwa die Franzosen?

Was Panzerhersteller Frank Haun sich wünscht, ist klar: „Die Politik muss bessere Bedingungen für den europaweiten Rüstungseinkauf schaffen.“ Doch der KMW-Chef ist Realist genug, um nicht mit raschen Fortschritten zu rechnen. Bis auf Weiteres will Haun sich auf seine eigenen Firmen-Manöver verlassen.

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