Schuldenkrise Schröders Geschwätz von vorgestern

Altkanzler Gerhard Schröder ist inzwischen zu einem echten 68er herangereift. Und entsprechend bricht er mit allem Althergebrachten – vor allem seiner eigenen Europa-Politik.

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Schröder mit Euro Quelle: dpa

Dem knorrigen Seniorkanzler Konrad Adenauer wird der pragmatisch-programmatische Spruch zugeschrieben: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“ Sein Nachnachnachnachnachnachfolger Gerhard Schröder eifert dem Alten aus Rhöndorf nun kräftig nach. In einem Interview mit dem Handelsblatt liefert der Genosse aus Hannover den Beweis, dass Vergesslichkeit nicht nur eine Alterserscheinung sein muss, sondern auch ein raffiniertes taktisches Instrument sein kann.

Denn Schröders Antworten zur Europapolitik wollen verschleiern, dass er selbst als Chef der rot-grünen Bundesregierung mit die Grundlagen für die heutige Euro-Krise gelegt hat. Dabei geht es weniger um die Deregulierung der Banken (fiel auch in seine Amtszeit), als um das Aufweichen des Maastricht-Vertrages mit seinen Stabilitätskriterien. Denn es waren die Haushaltssünder Deutschland und Frankreich, die 2005 die Defizitgrenze rissen und prompt dafür sorgten, dass fürderhin nicht mehr so streng gemessen wurde wie einst verabredet. Sonst hätte es für die beiden führenden Staaten des Kontinents Sanktionen gegeben. Genau das wäre nicht nur vertraglich geboten gewesen, sondern hätte auch ein starkes Exempel auf die Werthaltigkeit der Stabilitätsversprechen sein können: Seht her, selbst die Stärksten müssen büßen, wenn sie nicht solide wirtschaften. Stattdessen drückten Schröder und sein zum Kumpel gemachter bürgerlicher französischer Gegenpart Jacques Chirac durch, dass die EU-Kommission das Defizitverfahren aussetzte.

Altkanzler mit Erinnerungslücken

Doch daran scheint sich der Altkanzler nicht mehr genau erinnern zu können – oder zu wollen. Die Beschlüsse zur Stabilisierung der Euro-Zone vom Dezember legten die Grundlage für eine stärkere Integration in Richtung auf eine politische Union, „die zu meiner Zeit als Bundeskanzler politisch noch nicht möglich war“. Dabei war es doch Schröder, der das Zusammenwachsen mit dem Wunsch nach weniger Vereinheitlichung und einer Sonderbehandlung des Sünders Deutschland torpedierte. Nun käme es endlich zur Wirtschaftsregierung, „die wir schon lange gefordert haben. Den Anfang könnte beispielsweise ein Euro-Finanzminister machen“. Wie das funktionieren soll, lässt Schröder allerdings offen. Sehen sich aufgrund der seit zwei Jahren tobenden Turbulenzen derzeit gerade die Anhänger der so genannten Krönungstheorie bestätigt, nach der eine gemeinsame Währung erst der Schlussstein einer politischen Integration sein könnte, will der Genosse nun also sogar noch weiter vorpreschen. Was sollte aber ein europäischer Finanzminister tun, solange die Kompetenzen der nationalen Politik nicht auf die höhere Ebene übertragen wurden? Und gerade eine finanz- und haushaltspolitische Oberhoheit Brüssels hatte Schröder ja 2005 verhindert.

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