Spätestens seit dem Sommer 2016 zweifelt niemand mehr daran, dass es EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager mit ihrem Kampf für Steuergerechtigkeit sehr ernst meint: Damals verdonnerte sie den US-Konzern Apple dazu, 13 Milliarden Euro an Steuern an den irischen Staat nachzuzahlen.
Am Mittwoch legte Europas höchste Wettbewerbshüterin nach und forderte den Internetriesen Amazon auf, für die Zeit von 2006 bis 2014 Steuern an Luxemburg nachzuzahlen.
Der Gesamtbetrag, um den es diesmal geht, ist weit weniger spektakulär als die Rekordsumme im Fall Apple. Amazon soll rund 250 Millionen Euro nachzahlen. Für Vestager ist der Fall Amazon trotzdem gravierend. „Dreiviertel des Gewinns von Amazon blieb unversteuert“, rechnete die Dänin in Brüssel vor.
Wie wichtig Vestager das Thema Steuergerechtigkeit ist, unterstrich sie am Mittwoch in einem zweiten Schritt: Sie zieht Irland vor den Europäischen Gerichtshof, weil es das Geld von Apple noch nicht einmal in Teilen eingezogen hat.
Damit sendet Vestager über ein Jahr nach ihrer ersten Entscheidung ein klares Signal: Eine Verzögerungstaktik der Regierung in Dublin wird sie nicht hinnehmen. Die irische Regierung hatte vier Monate Zeit, um die Steuern einzutreiben. Vestager macht nun klar, dass sie bei dem Thema nicht mit sich reden lässt.
Politisch ist Vestagers Vorgehen durchaus heikel: Ihr direkter Chef, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, amtierte in Luxemburg als Ministerpräsident und Finanzminister, als Amazon den Steuervorbescheid der Luxemburger Behörden bekam, der nach Einschätzung der EU-Kommission gegen EU-Recht verstößt. Vestager vermied es, etwas Negatives über Juncker zu sagen. Sie habe keine strafrechtlichen Ermittlungen geführt, betonte sie am Mittwoch.
Vestager betonte auch, dass es nicht darum gehe, einzelne Unternehmen zu bestrafen. „Unsere Entscheidung entzieht einen Steuervorteil, den das Unternehmen überhaupt nie hätte bekommen sollen.“ Die Schuld sieht sie bei den EU-Mitgliedsländern, die einzelnen Unternehmen Steuervorteile zugestehen.
Amazon betrieb in Luxemburg eine Holding ohne Mitarbeiter, Büro und Geschäftsaktivitäten, die nach luxemburgischem Recht keine Körperschaftssteuer zahlen musste. Dank dieser Konstruktion zahlte das Unternehmen nur einen Bruchteil dessen, was ein etwa Mittelständler an den Fiskus abgeben hätte müssen.