Ukrainische Finanzministerin Natalia Jaresko "Griechenlands Luxus fehlt der Ukraine"

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"Unser Land braucht jetzt Investitionen"

Registrieren Sie verstärkt ausländische Investitionen?

Ja. Kürzlich hat sich ein japanisches Unternehmen angesiedelt, das in der Westukraine 3000 Jobs schaffen will. Am 1. Januar tritt das Freihandelsabkommen mit der EU in Kraft. Unsere Unternehmen bereiten sich darauf vor, indem sie EU-Standards übernehmen. Wer das schafft, der wird künftig nicht nur nach Europa, sondern mit europäischen Standards auch nach Afrika oder Nahost exportieren können.

Unternimmt Europa genug, um die Ukraine wirtschaftlich zu unterstützen?

Wir sind dankbar für die bisherige Hilfe bei der fiskalpolitischen Stabilisierung. Ebenso wissen wir zu schätzen, dass Brüssel die Sanktionen gegen Russland bis zu einer Umsetzung des Minsk-Abkommens aufrecht erhält. Aber unser Land braucht jetzt Investitionen. Da könnte der Westen über Förderbanken wie die EBRD oder KfW mithelfen. Es geht um den Ausbau der Infrastruktur, aber auch um die gezielte Förderung von Einzelunternehmen. Am 23. Oktober werden wir in Berlin um Investoren werben.

Ihr Land befindet sich weiterhin im Krieg mit Russland. Doch seit einigen Wochen scheint es, dass die Kämpfe in der Ost-Ukraine abflauen. Wie stehen die Chancen auf haltbaren Frieden?

Die Ukrainer wünschen sich nichts mehr als Frieden. Ich kann die Zukunft nicht vorhersagen – aber wir tun dafür alles, was uns möglich ist. Die Kiewer Seite setzt Bedingungen des in Minsk vereinbarten Abkommen um. Aber wir erwarten, dass auch die russische Seite ihre Waffen abzieht, die Gefangenen freilässt und uns unsere Grenzen kontrollieren lässt.

Russland hat die Halbinsel Krim annektiert, Teile der Ost-Ukraine halten weiterhin die von Moskau unterstützten Separatisten besetzt...

...eines muss ich ganz klar sagen: Reguläre russische Truppen besetzen unsere Gebiete, tausende professionelle Soldaten sind in unserem Land und an den Grenzen stationiert. Die Situation bleibt sehr schwierig, aber wir haben die russische Aggression gestoppt!

Wie wollen Sie Ihr Land wieder vereinen?

Abgesehen von der Umsetzung des Minsker Abkommens gibt es nur einen Weg: Wir müssen die Ukraine zum wirtschaftlichen Erfolg machen. Zugleich müssen wir zeigen, dass wir europäische Werte respektieren wie die Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit. Dann werden wir auch die Einheit wieder herstellen können.

Dafür haben die Ukrainer einen enormen Preis gezahlt. Haben Sie einen Überblick über die Schäden?

Natürlich sind die 8000 Toten und 17000 Verletzten ein fürchterlich hoher Preis. Darüber hinaus schätzen wir, dass die Ukraine etwa 20 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung infolge der Okkupation von Krim und den Ostteilen des Landes zumindest vorüber gehend verloren hat. Wie hoch die Schäden in den besetzten Gebieten sind, kann ich nicht abschätzen – wir haben ja keinen Zugang. Aber nach allem was ich höre, muss die Infrastruktur massiv beschädigt sein. Und ich kenne Agrarunternehmer, deren Felder nun vermint sind.

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