In der kommenden Woche feiern die Protestanten weltweit den 500. Jahrestag der Reformation. Ein wichtiger Tag, weil die Konsequenzen so weitreichend waren. Etwas kleiner dimensioniert, aber vielleicht ebenso von Bedeutung für die heute 45-60-Jährigen, findet am selben Tag der Weltspartag statt. Dieser wurde 1924 ins Leben gerufen, um den Spargedanken zu fördern. Noch vor wenigen Jahren konnte man Horden von Kindern in den Banken und Sparkassen am 31. Oktober dabei beobachten, wie sie den Inhalt ihrer Spardose dort einzahlten und voller Stolz kleine Geschenke entgegennahmen.
Sparen ist also in aller Munde. Das hat allerdings weniger mit neuen Erkenntnissen über die segensreichen Wirkungen des Sparens zu tun, sondern vielmehr mit der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Die belohnt Sparer schon seit einigen Jahren nicht mehr. Stattdessen sorgt sie mit einem niedrigen Zins dafür, dass die Sparer zu Gunsten ihrer Schuldner, allen voran der Regierungen, systematisch ausgebeutet werden. Dennoch ist es aus vielen Gründen unabdingbar, dass in einer Volkswirtschaft gespart wird.
- Erstens fallen Konsum und Einkommen in vielen Fällen zeitlich auseinander. Menschen sparen für eine größere Anschaffung, zum Beispiel eine Wohnung oder ein Auto; oder sie wollen eine teure Reise machen, für die sie ebenfalls gespart haben müssen. Junge und alte Menschen haben ohnehin keine Gelegenheit, Einkommen zu erzielen. Während die Jungen von den Einkommen ihrer Eltern leben, müssen die Alten vorgespart haben.
- Sparen ist also auch wichtig für individuelle und kollektive Altersvorsorge, sofern man sich nicht vollständig auf die staatliche Rente verlassen will. Diese macht – mit fallender Tendenz – nicht einmal die Hälfte des letzten Einkommens aus und wird durch Ersparnis oder eine Betriebsrente (ebenfalls eine Art kollektiver Ersparnis) ergänzt.
- Ein drittes Argument für das Sparen ist die Notwendigkeit von Investitionen, die in der Regel nicht durch die Ersparnis der Investoren selber finanziert werden, sondern aus der Ersparnis zahlreicher individueller Sparer gespeist wird. Bei Banken und anderen Kapitalsammelstellen werden die Ersparnisse gebündelt.
- Reiche Volkswirtschaften können das angesparte Kapital zudem Investoren in Entwicklungsländern zur Verfügung stellen. Dort kann Kapital mehr bewirken, aber die Ersparnis selber ist niedriger als in Industrieländern.
In der Theorie hängt die Menge des Ersparten vom Zinssatz ab. Der Zins wirkt wie ein Preis für die Zeit, in der Sparer dem Investor das Kapital überlassen. Steigt der Zins, steigt auch die Ersparnis. Sinkt der Zins, wird weniger gespart.
Korrekterweise muss der Realzins, also jener Zins, der die Inflation miteinberechnet, berücksichtigt werden, was nicht immer allen Anlegern bewusst ist. Je niedriger er ist, desto höher ist die Bereitschaft bei Investoren zu investieren. Auch für Regierungen werden Ausgaben in der in Gegenwart dann billiger; leider sind es in den selteneren Fällen Investitionsausgaben.
Doch wie hoch sollte ein optimaler Sparzins sein? Dazu gibt es keine Norm. Es gibt aber so etwas wie einen Konsens, dass die Bereitstellung von Ersparnissen an Investoren durch diese vergütet werden sollte – insbesondere wenn Kapital knapp ist. In der aktuellen Situation finden einige Beobachter, dass die Ersparnisbildung überaus hoch und die Notwendigkeit zur Investition sehr niedrig ist. Dann spräche man von einer Sparschwemme und der negative Realzins wäre sozusagen normal.