Schwächeres Wachstum drückt Aussichten China wird für deutsche Industrie zum Problemfall

Das Wachstum in China ist so niedrig wie seit sechs Jahren nicht mehr. Das spürt auch die deutsche Industrie: Das BIP-Wachstum der Bundesrepublik wackelt. Doch ausgerechnet Volkswagen gibt sich optimistisch.

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Ausgerechnet der gebeutelte Autobauer ist in der Volksrepublik optimistisch. Quelle: Reuters

Peking Die ganz fetten Jahre in China sind vorbei. Das wird immer mehr deutschen Unternehmern klar, wenn sie in ihre Geschäftsbücher und auf die düsteren Daten blicken, die Peking Monat für Monat vorlegt. Am Montag waren die Wachstumszahlen für das dritte Quartal dran: Mit 6,9 Prozent legte das Bruttoinlandsprodukt der Volksrepublik zwar leicht stärker zu als von Analysten erwartet – aber trotzdem nur so wenig wie seit sechs Jahren nicht mehr.

Bereits in der vergangenen Woche hatten die Behörden für bisherige chinesische Verhältnisse katastrophale Zahlen zum Außenhandel bekanntgegeben. Dieser war im September erneut kräftig um 8,8 Prozent eingebrochen. Besonders die Einfuhren aus dem Ausland traf es hart: Die Importe fielen den elften Monat in Folge – diesmal sogar um 17,7 Prozent im Vorjahresvergleich.

„Auch wenn kaum jemand an eine harte Landung glaubt: Der Abwärtsdruck in den vergangenen Monaten war größer, als es uns lieb ist“, sagt der Manager eines deutschen Dax-Konzerns, der in China aktiv ist. Dass sich unter deutschen Firmen Pessimismus breitmacht, hat auch die Deutsche Handelskammer kürzlich in einer Umfrage festgestellt. Jeder zweite befragte Unternehmer gab an, seine Ziele im Reich der Mitte nach unten korrigiert zu haben. Eine Mehrheit von 62,7 Prozent der in China Befragten sagte, dass die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihr Geschäft negativ beeinflussten.

Ganz anders bei Volkswagen: Der durch den Abgas-Skandal gebeutelte Autobauer sieht beim Pkw-Absatz in China ein Ende der Talfahrt. Der Gesamtmarkt habe sich insbesondere im September erholt, davon habe auch Volkswagen profitiert, teilte der Konzern am Montag in Peking mit. „Wir erwarten, dass sich dieser positive Trend bis zum Jahresende fortsetzen wird“, sagte China-Chef Jochem Heizmann.

Volkswagen werde sein Modellangebot auf dem weltgrößten Pkw-Markt weiter ausbauen. Heizmann begründete dies damit, dass die Nachfrage nach Autos in den mittleren und kleineren Städten im Landesinneren in den nächsten Jahren weiter zunehmen werde. Die Wolfsburger hatte auf seinem größten Absatzmarkt in den ersten neun Monaten zusammen mit seinen beiden chinesischen Gemeinschaftsunternehmen 2,58 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert, gut fünf Prozent weniger als vor Jahresfrist. Im September schrumpfte der Absatz um 0,8 Prozent.

Der chinesische Automarkt war im September erstmals seit sechs Monaten wieder etwas gewachsen. Der Herstellerverband rechnet daher nicht mehr mit einer Stagnation des weltgrößten Automarktes, sondern wie früher erwartet mit einem Zuwachs im Gesamtjahr um drei Prozent. Dazu könnten auch die ab Oktober greifenden Steuererleichterungen für Wagen mit kleineren Motoren beitragen. In China ist der Autobauer kaum vom Abgas-Skandal betroffen und muss nach eigenen Angaben lediglich 1946 Tiguan und vier Passats mit den betreffenden Motoren zurückrufen.


Kein „weiter wie bisher“

Andere Branchen blicken wesentlich angespannter auf das Reich der Mitte: Auch bei Roland Berger sieht man empfindliche Folgen der schwächeren Entwicklung für Deutschland und Europa. Laut einer Studie der Unternehmensberatung wuchs China zwei Jahrzehnte fast dreimal so schnell wie die Weltwirtschaft und ist heute für 40 Prozent des globalen Wirtschaftswachstums verantwortlich.

Die Exporte europäischer Firmen nach China seien in den vergangenen fünf Jahren um 164 Milliarden Euro gestiegen, womit das Land zum zweitwichtigsten Handelspartner Europas aufstieg. „Wenn der chinesische Wachstumsmotor ins Stocken gerät, könnte sich der bisher positive Impuls auf die anderen Länder sehr schnell ins Negative umkehren“, erklärt Roland-Berger-Experte Tobias Raffel.

Dass Deutschlands Wirtschaft von der chinesischen Wachstumsschwäche in den Abgrund gerissen werden könnte, befürchten Experten jedoch nicht. So schätzt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, dass Deutschland eine weitere konjunkturelle Eintrübung in China in diesem Jahr maximal 0,2 Prozentpunkte und 2016 maximal 0,3 Prozentpunkte Wachstum kosten wird.

Bei einem vorhergesagten Gesamtwachstum von rund 1,8 Prozent sei dieser Effekt zwar „unangenehm, aber für die deutsche Wirtschaft insgesamt verkraftbar“, sagt Gustav Horn, wissenschaftliche Direktor des IMK. „Noch vor wenigen Jahren hätte ein Wachstumseinbruch in China weitaus stärker auf Deutschland durchgeschlagen.“ Stabilisierend wirke sich neben der regen Nachfrage nach deutschen Waren aus den USA, Großbritannien und verschiedenen Euroländern vor allem die stabile Inlandsnachfrage aus.

Auch wenn andere Weltregionen für Teile der chinesischen Nachfrage einspringen, können deutsche Firmen in China nicht einfach „weiter wie bisher“ machen, sagt Burkhard Schwenker von Roland Berger. Zwar arbeite Peking an einem neuen Fünfjahresplan, der die Wirtschaft auf ein neues Fundament stellen und chinesische Firmen von Billigproduzenten zu innovativen Unternehmen machen soll.

Doch selbst wenn diese Reformen gelingen, stehen Unternehmer aus Deutschland laut Schwenker vor neuen Problemen. „Denn dann werden sie in kurzer Zeit neue chinesische Konkurrenten haben, und die Zahl der chinesischen Weltmarktführer wird stark ansteigen.“

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