In den Niederlanden schreitet die Digitalisierung des Alltags fort – deutlich schneller, als hierzulande. Im Juli wurden Papiertickets für den Nahverkehr komplett abgeschafft. Wer Bus und Bahn benutzen möchte, braucht eine spezielle Chipkarte, über die die Fahrstrecke automatisch abgerechnet wird. Der Fahrpreis wird dabei vom aufgebuchten Guthaben abgezogen.
Was für den Alltagsfahrer praktisch klingt, ist datenschutztechnisch ein Dilemma: Die Karte speichert auch die Fahrstrecke und enthält alle relevanten Nutzerdaten inklusive Kontonummer. Damit lässt sich das Fahrverhalten des Kartenbesitzers relativ lückenlos überblicken. Es ist möglich, den Zwang einer persönlichen Karte zu umgehen, dafür zahlt der Benutzer allerdings einen Aufpreis von einem Euro – angeblich, um die Kosten für die Einzelnutzungskarte zu decken.
Die Betreiber des niederländischen Nahverkehrs geben an, mit den übertragenen Daten vertraulich umzugehen. Was aber passiert, wenn Hacker Zugriff auf die Datenbanken erlangen, ist unklar. So können die Verkehrsbetriebe rein theoretisch ein recht klares Bewegungsprofil des Benutzers erstellen. Diese Daten könnten außerdem für Marketingzwecke genutzt werden.
Datenschützer schlagen Alarm
Die Niederlande selbst sehen sich als Vorbild für andere Länder, vor allem, wenn es um politische und gesellschaftliche Belange geht. Die niederländische Stiftung Privacy First sieht dies allerdings etwas anders. Zum einen sei der zum Einsatz kommende RFID-Chip der Nahverkehrskarte eine Gefahr: er lasse sich zu einfach von Fremden auslesen oder manipulieren. Außerdem sorge die Karte für eine dauerhafte Überwachung des Nutzers, die rein technisch unnötig sei. Deshalb fordert die Stiftung eine Rückkehr zu den klassischen Papiertickets.
In London wird der Nahverkehr ähnlich gehandhabt. Die sogenannte Oyster Card ist ebenfalls mit einem RFID-Chip ausgestattet. Sie kann entweder als Prepaid-Karte oder als Abo-Karte genutzt werden, je nach Wunsch. Alternativ gibt es die Travelcard als Zeitkarte mit einer Woche Gültigkeit. Papiertickets gibt es aktuell noch, allerdings sind damit klassische Einzelfahrscheine deutlich teurer: Pro Fahrt kosten diese ein Pfund mehr. Der Grund: Nahverkehrsnutzer sollen dazu ermuntert werden, auf die Oyster Card umzusteigen. Im Gegensatz zum niederländischen System sind nur Monats- und Jahreskarten personenbezogen. Wer eine Wochenkarte oder eine Prepaidkarte benutzt, benötigt keine vorherige Registrierung und kann sie weitergeben.
In Deutschland ist ein solches System bisher nicht in Planung. Unternehmen wie die Deutsche Bahn gehen zwar einen ähnlichen Weg. Mit dem Angebot Touch&Travel können Bahnreisende ticketlos reisen. Sowohl am Start- als auch am Zielbahnhof wird per Smartphone ein- und ausgecheckt, das System rechnet anhand dessen den Fahrtpreis aus. Zudem können Bahncard-Kunden mit ihrer Karte Punkte sammeln. Beide Systeme sind aber freiwillig, müssen also im Gegensatz zum niederländischen Modell nicht zwangsweise benutzt werden.
Die niederländischen Behörden argumentieren mit größerer Sicherheit und Effizienz. Dies soll auch für das Parken in den großen Metropolen gelten: Sowohl Amsterdam als auch Rotterdam führten bereits das sogenannte Kennzeichenparken ein. Um ein Parkticket zu erhalten, muss man am Automaten sein Kennzeichen eingeben, statt mit Bargeld muss man mit Karte oder Handy zahlen. So sollen sich die Kontrollen der Parktickets leichter gestalten lassen. Parktickets können außerdem nicht mehr weitergegeben werden.
Dieser Trend verbreitet sich immer weiter, in Deutschland bleiben sie bislang Zusatzangebote, die über die bekannten Lösungen hinaus angeboten werden – es ist aber denkbar, dass sie bald die bestehenden Systeme ablösen. Die Industrie dürfte es freuen, die Bedenken der Datenschützer sollten allerdings ernst genommen werden. Immerhin schränkt die Pflicht zu digitalen Tickets die Freiheit des Einzelnen ein, sich unüberwacht zu bewegen.