Erschöpfung. Die Lunge brennt, die Knie schmerzen. Das Laufen wird zur Qual. Nur das Lied aus den Kopfhörern motiviert zum Endspurt bis zur Wohnungstür. Geschafft.
Wenige Klicks auf dem Smartphone stoppen die Kopfhörer-Musik. Jetzt schallt die Siegeshymne aus den Lautsprechern im Wohnzimmer. Du bist ein Gewinner, brüllen sie. Ein weiterer Klick lässt auch die Boxen im Badezimmer erklingen. Zeit für die Dusche.
Mit Szenen wie dieser werben Elektronik-Unternehmen derzeit für drahtlose Kopfhörer und Soundsysteme. Kabel sind Vergangenheit, heißt die Botschaft. Musik aus der Luft die Zukunft.
Lange war das Segment etwas für die Nische. Für Technikbegeisterte. Für Spielkinder. Für Nerds. Normale Musikfans sahen keinen Nutzen und waren von den hohen Preise der Geräte abgeschreckt. Audiophile High-End-Konsumenten verdrehten aus Angst vor Qualitätsverlusten angewidert die Augen.
Mittlerweile boomt der Markt für kabellosen Musikgenuss in den eigenen vier Wänden. Laut der Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik (gfu) machen drahtlose Lautsprecher nach Stückzahl aktuell 35 Prozent des Marktes aus, nach Umsatz sogar 59 Prozent. Laut den Konsumforschern von GfK Retail and Technology hat sich der Umsatz mit kabellosen Audio-Home- und Multi-Room-Systemen in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.
Angetrieben wird die Entwicklung vom Boom des Musikstreamings. 18 Millionen Deutsche nutzen nach neuen Angaben der Marktforscher der GfK schon Streamingdienste wie Spotify oder Deezer. Tendenz stark steigend.
Wie die Mp3-Dateien verändert auch das Streaming die Art, wie und wo wir Musik abspielen. „Die Kunden tragen die Musik bereits mit dem Smartphone herum und können sie von dort über kabellose Systeme direkt abspielen“, sagt Bettina Jönsson, Sprecherin der Philips-Tochter Woox – einer der Größen im Bereich von Soundsystemen für den Massenmarkt.
Kabellos Kasse machen
Zu den Gewinnern der Entwicklung gehört auch Sonos. Das amerikanische Unternehmen stieg vor zwölf Jahren als einer der Ersten ins Geschäft mit der kabellosen Musikübertragung ein und spezialisierte sich auf Mehr-Raum-Systeme. Über das Wlan-Netz im Haus verteilt Sonos die Musik an verschiedene Lautsprecher. Im Wohn- und Schlafzimmer dasselbe Lied hören und gleichzeitig im Bad ein anderes – kein Problem. Ein Klick auf dem Smartphone macht es möglich.
Alles, was die Sonos-Boxen brauchen, ist ein Stromkabel und Anbindung ans Wlan, Netzwerk- oder Audiokabel sind überflüssig. Radiomusik zieht sich das System aus dem Internet. Wer seine eigene Musik hören will, gibt die Mp3-Sammlung auf dem PC frei oder bindet einen Streamingdienst ein.
Markt für drahtlose Soundsysteme für zu Hause
Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hat den Markt für drahtlose Musikübertragung in Deutschland zwischen Januar 2013 und August 2014 untersucht.
Januar 2014 - August 2014 | Wachstum im Vergleich zum Vorjahr (jeweils Januar bis August) | |
Stückzahlen | 369.244 | 145% |
Verkaufswert (Euro) | 91.483.207 | 110% |
In Deutschland ist Sonos zum Marktführer aufgestiegen. „Nicht nur im Segment der Mehr-Raum-Systeme, sondern im gesamten Hifi-Bereich“, sagt Jörn Taubert, zuständig für das Geschäft in Mitteleuropa.
Nach eigenen Angaben verkauft sich in Deutschland kein Musiksystem besser als die Boxen aus dem Hause Sonos. 150 Prozent Wachstum bei den Produktverkäufen verzeichnete das Unternehmen im laufenden Jahr und machte 2013 weltweit 535 Millionen Dollar Umsatz.
Von dem wachsenden Markt wollen auch andere profitieren. HiFi-Spezialist Teufel hat mit seiner Raumfeld-Serie ein vergleichbares Multi-Room-System im Angebot. Mehrere Hersteller haben sich mit Lautsprechen positioniert, die Apples Airplay unterstützen und ähnlich Funktionen bieten. Seit Jahresbeginn mischt auch Samsung auf dem Multi-Room-Markt mit.
Die Preise aller Anbieter beginnen meist bei 200 Euro für einen Lautsprecher, können aber schnell auf 1000 Euro klettern. Und teurer geht immer.