Superzoom-Kameras sind nicht teuer. Schon für weniger als 300 Euro gibt es die Digicams mit den Riesenobjektiven. Aber kann so ein "Plastikbomber" mit einer Telebrennweite von 1000 mm oder mehr tatsächlich akzeptable Bildqualität abliefern?
Die Wiwo-Redaktion hat vier aktuelle Digicams in einem ausführlichen Praxistest ausprobiert. Die verfügen zwar allesamt über leistungsfähige Bildstabilisatoren. Trotzdem gelingen die Aufnahmen im extremen Telebereich sicherer mit Stativ, vor allem, wenn schlechte Lichtverhältnisse Verschlusszeiten von mehr als einer 1/100 Sekunde verlangen.
Deshalb haben wir bei einigen Fotos das Rollei Compact Traveler No.1 als Stativ verwendet. Das Rollei ist ein leichtes und doch ausreichend stabiles Stativ.
Nikon Coolpix P900: Rekordverdächtiges Supertele
Mit einem optischem 83fach-Zoom und einer sagenhaften Brennweite von 24 bis 2000 Millimeter (Kleinbild) steht Nikons Coolpix P900 in der Riege der Superzoom-Kameras in der ersten Reihe. Dementsprechend massiv ist das Gerät geraten: groß wie eine Spiegelreflex und mit fast 900 Gramm ebenso schwer. Der optische Aufbau mit 16 Linsen in 12 Gruppen benötigt nun mal einen dicken Objektivtubus und der schlägt aufs Gewicht. Der CMOS-Bildsensor fällt dagegen mit 1/2,3 Zoll (5,6 x 4,2 mm) sehr klein aus. Riesenobjektiv und Minisensor, das ist eine Kombination, die in Sachen Bildqualität eher skeptisch stimmt.
Die Befürchtungen erweisen sich im Praxistest aber schnell als unbegründet. Für eine Kamera, die für Einsteiger und Hobbyfotografen gedacht ist, ist die Bildqualität gut. Ausreichende Schärfe, natürliche Farben und Kontraste - mehr kann man von einer Consumerkamera nicht erwarten. Nikon hat der P900 hochwertige Super-ED-Glas-Linsen (Super ED, Extra-low Dispersion) spendiert. Diese gewährleisten gute Farbabbildung.
Dicke Luft bei Supertele
Mit einem Spitzentele für mehrere tausend Euro kann die P900 natürlich nicht mithalten. Im Telebereich weichen die Kontraste auf und die Schärfe lässt nach. Außerdem wirken die Bilder mit steigender Brennweite wie durch einen Schleier geknipst. Das ist allerdings nicht der Technik anzulasten. Die Optik muss bei entfernt liegenden Motiven viel mehr Luftmasse "durchdringen". Wechselnde Temperaturzonen und Wind lassen bewegte Luftschichten mit unterschiedlichem Lichtbrechungs-Index entstehen. Auf diese Weise entstehen dunstige Bilder oder das typische Flimmern im Telebereich. Damit sind auch teurere Objektive überfordert.
Einen erstaunlich guten Job macht der Bildstabilisator. Tatsächlich gelingen mit der Nikon auch bei voll ausgefahrenem Tele viele unverwackelte Schnappschüsse.
Tipps: So nutzen Sie die Superzoom-Kamera
Achten Sie beim Kauf nicht nur auf die Telebrennweite, sondern auch auf die maximale Weitwinkelposition.
Im Telebereich ist der Einsatz eines Stativs sinnvoll. Man kann damit auch dann noch Fotos schießen, wenn schlechte Lichtverhältnisse das Fotografieren aus der Hand unmöglich machen und auch der Bildstabilisator überfordert ist.
Reisestative sind leicht und lassen sich so zusammenklappen, dass sie auch in den kleinen Rucksack passen. Gute Stativ sind aus Aluminium oder sogar Carbon, diese Modelle sind leicht und stabil zugleich.
Nutzen Sie die Superzoom-Kamera auch für Videos? Dann ist ein Stativ unverzichtbar, vor allem bei Tele. Kaufen Sie ein Modell mit Führungsgriff.
Auf dem Stativ sollte der Bildstabilisator deaktiviert sein.
Ist die Verschlusszeit zu lang? Durch Öffnen der Blende (je kleiner die Zahl, desto offener die Blende) und Hochsetzen des ISO-Werts verkürzt sich die Belichtungszeit.
So halten Sie das Bild auch bei längerer Verschlusszeit ruhig: Einatmen, ausatmen, Pause, knipsen.
Mit etwas Geschick lässt sich die Kamera auch durch die richtige Körperhaltung stabilisieren. Manche Fotografen nehmen die Digicam in beide Hände und stützen die Ellbogen an der Brust ab. Ausprobieren.
Der Zoom-Motor im Teleobjektiv benötigt viel Strom. Dies lässt sich teilweise ausgleichen, wenn Sie das Display ausschalten und dafür den elektronischen Sucher nutzen – sofern die Kamera über einen solchen verfügt.
Durch die zweckmäßige Bedienung macht das Fotografieren mit der Coolpix P900 Spaß. So findet sich beispielsweise auf der linken Seite des Objektivs ein zusätzlicher Hebel zum Verstellen der Brennweite. Ein sinnvolles Feature ist die Überblickstaste. Hat man beim Ranzoomen an ein Objekt die Kamera verzogen und das Objekt aus dem Blick verloren, dann fährt das Objektiv durch Tastendruck auf Weitwinkel zurück. So kann man das Objekt wieder ins Visier nehmen. Lässt man die Taste los, fährt das Zoomobjektiv wieder an das Objekt heran.
Daneben lässt sich die Brennweite auch in Zoomstufen verändern. Dann fährt die Kamera nicht einfach von Weitwinkel bis Tele durch, sondern macht bei jeder Stufe halt. Will der Fotograf noch näher heran, betätigt er den Zoomhebel einfach wieder.
Praxisnah ist auch das frei schwenkbare Display. Akkupower sparen kann der Nutzer mit dem zusätzlichen elektronischen Sucher. Hobbyfotografen finden reichlich Einstellmöglichkeiten, und neben WLAN ist auch ein GPS-Empfänger integriert.
Fazit: Gelungener Superzoom-Bolide
Die Coolpix P900 ist eine üppig ausgestattete Superzoom-Kamera mit riesigem Brennweitenbereich und guter Bildqualität. Durch die vielen Einstellmöglichkeiten und das durchdachte Bedienkonzept macht die P900 auch Hobbyfotografen Spaß. Der Preis ist angemessen.
Preis: 619 Euro
Sony DSC-H400: Für Einsteiger geeignet
Sony DSC-H400: Preiswerte Zoom-Kamera für Einsteiger
Der Elektronikriese Sony hat sich bei ambitionierten Fotografen mit exklusiven Systemkameras Respekt verschafft. Derzeit sorgt die extrem kompakte Vollformatkamera Alpha 7R II Furore. Spitzentechnik für 3499 Euro.
Die DSC-H400 gehört definitiv nicht in diese Liga. Sie kostet auch nur 299 Euro. Auch der kleine Bildsensor (1/2,3 Zoll, 5,6 x 4,2 mm) verweist die DSC-H4000 in die Einsteigerklasse. Der mächtige 63fach-Zoom (24,5 mm – 1550 mm) macht die elegant designte Kamera zumindest für Gelegenheitsfotografen interessant, die sich keine teure Systemkamera mit starkem Teleobjektiv leisten können oder wollen.
Die Sony hat durchaus ihre Qualitäten. So ist zusätzlich zum TFT-Display auch ein elektronischer Sucher integriert. Und Hobbyfotografen können die vielen Optionen bei Belichtung und Scharfstellung nutzen. Das Zoomobjektiv ist trotz des gigantischen Brennweitenbereichs erstaunlich kompakt geraten.
Die Bildqualität ist für die Preisklasse gut, wenn auch nicht überragend. Im extremen Telebereich lassen Schärfe und Kontraste nach. Wer sich die Fotos nur auf dem Tablet anschaut, ist bestens bedient. Auch auf einem 24-Zoll-Monitor wirken die Bilder detailreich und scharfzeichnend.
Autofokus und Belichtung geben ebenfalls keinen Anlass zum Tadel, hier arbeitet die Kameraelektronik einigermaßen schnell und zuverlässig.
Bildstabilisator hilft bei Teleaufnahmen
Ein Highlight ist Sonys "Steadyshot"-Bildstabilisator. Das gyroskopisch gelagerte Objektiv gleicht gerade bei Teleaufnahmen manchen Wackler aus, der ansonsten unweigerlich zu unscharfen Bildern führen würde. Im Praxistest wurden aus der Hand geschossene Bilder mit 1300 mm Tele und einer Verschlusszeit von 1/125 scharf.
Lästig beim Fotografieren ist, dass nach jedem Schnappschuss etwa eine Sekunde vergeht, bis das Foto vom Display oder vom elektronischen Sucher verschwindet und die Kamera bereit für das nächste Foto ist. Auch die Qualität des 3,0 Zoll (7,5 cm) großen Displays ist nicht berauschend, die Farben wirken unnatürlich.
Fazit: Superzoom-Kamera für Einsteiger
Die DSC-H400 ist eine formschöne Superzoom-Kamera zum kleinen Preis. Die Bedienung ist einfach und ohne Macken, die Bildqualität der Preisklasse entsprechend gut.
Preis: 299 Euro
Coolpix P7800: Billige Alternative
Nikon Coolpix P7800: Souveräne Kompaktkamera
Die Coolpix P7800 ist eine preiswerte Kompaktkamera, die trotzdem mit einem gewissen Anspruch daherkommt. Dafür sprechen schon das funktionale Design und das nüchterne schwarze Gehäuse. Eine Superzoom-Kamera ist die Nikon nicht. Das Objektiv bietet eine Brennweite zwischen 28 Millimeter Weitwinkel und 200 Millimeter Tele (Kleinbild). Das sind ausgesprochen moderate Werte.
Dennoch könnte die Nikon ja als Alternative zu den massigen Superzoom-Modellen interessant sein. Schließlich lassen sich einzelne Bildpartien in der Bildbearbeitung am PC genauso heranholen als hätte man sie mit dem Supertele ins Visier genommen. In der Praxis klappt das aber nur sehr eingeschränkt. Die Bildqualität, die das Nikkor-Objektiv (13 Linsen in 10 Gruppen) in Kombination mit dem 1/1,7-Zoll-CMOS-Sensor (12,2 Millionen Pixel) liefert, ist im Prinzip sehr gut, die Farbgebung neutral, Schärfe und Detailreichtum für eine Digicam dieser Preisklasse ausgezeichnet. Auch auf einem 24-Zoll-Bildschirm sehen die Fotos noch gut aus. Vor allem die natürlichen Farben und die feinen Kontraste überzeugen. Nur bei voll ausgefahrenem Tele lassen Schärfe und Kontraste sichtbar nach.
Treibt man die Ausschnittvergrößerung aber so weit, dass Brennweiten im Supertelebereich simuliert werden, werden die Bilder schnell pixelig. Der kleine Bildsensor (7,5 x 5,5 mm) bietet hier einfach zu wenig Reserven in der Auflösung. Ein Ersatz für eine Superzoom-Kamera ist die Nikon also nicht.
Optionen für fortgeschrittene Fotografen
Dafür bekommt der Nutzer aber eine technisch ausgereifte Kompaktkamera, die auch für den Hobbyfotografen viele Einstellmöglichkeiten mitbringt. Fokus und Belichtungsmessung arbeiten schnell und zuverlässig, unter Hunderten Fotos im Test war kaum ein Fehlschuss dabei. Darüber hinaus liegt die P7800 gut in der Hand, und das frei schwenkbare Display ist ebenfalls praktisch. Wer das Display abschaltet und beim Fotografieren den elektronischen Sucher nutzt, spart eine Menge Strom. Im Praxistest hielt die Nikon drei Tage intensiven Fotografierens durch, bevor der Akku wieder aufgeladen werden musste.
Auch bei Videos zeigt die P7800 eine gute Leistung. Sie dreht Videoclips in Full HD und verfügt sogar über einen Mikrofonanschluss.
Fazit: Solide Digicam für Aufsteiger
Als Superzoom-Kamera ist sie nicht konzipiert und wegen des kleinen Sensors spielt sie auch nicht in der Oberklasse mit. Dafür erhält man eine gut ausgestattete und technisch souveräne Kompaktkamera mit guter Bildqualität, die auch dem Hobbyfotografen viele Features und Einstellmöglichkeiten bietet.
Preis: 350 Euro
Powershot G3X: Gestochen scharfe Videos
Canon Powershot G3X: Kompaktkamera mit Hightech-Qualität
Schon das sattschwarze Metallgehäuse und die präzise verarbeiteten Einstellräder der Powershot G3X vermitteln Hightech-Flair. Canon versucht bei der Kamera zudem, die Vorzüge eines Superzooms mit der Technik einer anspruchsvollen Digicam zu verbinden. Der Preis von 899 Euro weckt hohe Erwartungen.
Das Objektiv mit 25fach-Zoom liefert eine Brennweite von 24 – 600 mm (Kleinbild). Das ist kein extremes Supertele wie es Nikons Coolpix P900 und Sonys DSC-HA400 bieten. Dafür ist die Canon-Optik (18 Linsen in 13 Gruppen) mit der Blendenöffnung 1:2,8 einigermaßen lichtstark. Der ein Zoll große Bildsensor (12,8 x 9,3 mm) verspricht mehr Qualität als diejenigen der Konkurrenzmodelle.
Die überlegene Technik macht sich im Wiwo-Praxistest deutlich bemerkbar. Die Bilder sind allesamt feinauflösend, detailreich und scharf, die Farben dabei eine Spur satter als etwa bei der Nikon Coolpix P900. Hochwertige Optik, ein relativ großer Bildsensor und Canons Bildprozessor Digic machen hier einen guten Job.
Gute Leistung im Telebereich
Einen Vorgeschmack auf die Bildqualität liefert unterwegs das brillante 3-Zoll-Touch-Display (1.620.000 Bildpunkten), das noch oben und unten schwenkbar ist. Im Telebereich bietet die Canon eine sehr gute Leistung. Abgesehen von einem leichten Dunstschleier ist der Verlust an Schärfe und Kontrast bei Telebrennweiten weniger stark als bei der Sony DSC-H400 und der Nikon Coolpix P900. Insgesamt bietet die Canon eine ausgezeichnete Bildqualität, die die Kamera auch für ambitionierte Fotografen attraktiv macht.
Ähnlich wie die Nikon P900 verfügt auch die G3X über eine Taste an der linken Objektivseite, mit der die Optik aus dem Tele in Weitwinkelstellung zurückfährt, wenn man das Motiv aus dem Auge verloren hat. In Weitwinkelstellung erscheint dann ein Rahmen, der die ursprüngliche Telebrennweite markiert. Damit richtet man die Kamera wieder auf das Motiv aus, lässt die Taste los und die Optik zoomt wieder heran. Ebenfalls positiv: Verwacklungen werden durch einen Bildstabilisator mit fünf Achsen recht wirksam ausgeglichen.
Auch die Kameraelektronik, sowie die Fülle der Funktionen und Einstellmöglichkeiten überzeugen. Autofokus und Belichtung agieren schnell und zuverlässig, der Nutzer kann Messmethoden und Arbeitsweise vielseitig verändern und anpassen.
Die Canon macht auch schöne Videos im Full-HD-Format (1920 x 1080 Pixel) mit bis zu 60 Bildern pro Sekunde. Die Videoclips sind gestochen scharf mit satten Farben. Videofilmer werden den Mikrofonanschluss zu schätzen wissen.
Einige wenige Minuspunkte sind der Canon anzukreiden. So vermissen Hobbyfotografen einen elektronischen Sucher und auf GPS muss man auch verzichten.
Fazit: Edle Kompaktkamera mit starkem Zoom
Die Powershot G3X bietet zwar nicht die gigantischen Telebrennweiten der Coolpix P900 oder der DSC-H400, dies gleicht sie jedoch durch sehr hohe Bildqualität und eine semiprofessionelle Funktionsvielfalt aus. Eine teure, aber qualitativ hervorragende Digicam für Hobbyfotografen, die auf einen elektronischen Sucher verzichten können.
Preis: 899 Euro