Dämmung Den Mantel für's Haus gibt es jetzt in grün

Ein Großteil der Dämmstoffe ist hochgradig umweltschädlich. Ein Schaum auf Holzbasis soll das ändern.

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Auch in diesem Jahr ist WiWo Green wieder Medienpartner der GreenTec Awards, einem der größten Preise für grüne Technologien, Initiativen und Unternehmen in Europa. Die Awards werden am 29. Mai in Berlin verliehen. Die Gewinner in der Kategorie Bauen & Wohnen sind in diesem Jahr Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung (WKI) in Braunschweig. Was deren Innovation so besonders macht, lesen Sie hier:Deutschland ist als Land der Dämmer verschrien. Das Wochenmagazin "Der Spiegel" prangerte kürzlich sogar eine "Volksverdämmung" an, die die Deutschen erfasst habe. Und tatsächlich: Von staatlicher Förderung unterstützt, packen jährlich rund 200.000 Hausbesitzer ihre Gebäude in dicke Hüllen ein, auf dass keine Wärmeenergie mehr verschwendet werde.

Das ist grundsätzlich eine gute Idee. Allerdings: Bevor sich der Aufwand nach mehreren Jahren rechnet, hat manche Dämmung schon das Ende ihrer Lebensdauer erreicht. Fast noch schlimmer als das in dem Fall verschwendete Geld ist, dass das Dämmen der Umwelt und dem Klima sogar schaden kann. Die Wirkung auf das Klima nämlich wird dann negativ, wenn dick gedämmte Gebäude mit erneuerbaren Energien heizen.

Denn das zum Großteil verwendete Styropor ist als Dämmstoff zwar konkurrenzlos billig. Es hat aber drei entscheidende Nachteile: Styropor ist aus Erdöl, hat also eine miese Klimabilanz, außerdem sind die Flammschutzmittel in den Dämmplatten giftig. Hinzu kommt, dass sie schlecht zu recyceln sind.

Die sonst so umweltschutzfixierten Deutschen pappen sich also in Form der Dämmung massenhaft künftigen Abfall an die Fassaden, der sich kaum vernünftig wiederverwerten lässt.

Doch der Umweltfrevel muss nicht sein, dachte sich der Materialexperte Volker Thole. Zusammen mit einem Team hat der Professor des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung (WKI) in Braunschweig eine Alternative entwickelt.

Herausgekommen ist ein Dämmstoff, der zu 100 Prozent aus Holz besteht. Genauer gesagt ist es ein Schaum, der sich problemlos recyceln lässt und ohne giftige Flammschutzmittel auskommt. Das Besondere zudem: Der Stoff ist druckfest, eine Qualität, die nicht alle auf erneuerbaren Rohstoffen basierenden Dämmungen aufweisen.

Backpulver in der FassadeDen Holzschaum können die Forscher aus allen möglichen Holzarten herstellen, sogar aus Altholz oder Sägeabfällen. Dafür mahlen Maschinen das Holz fein und quetschen es dann; ein Verfahren, das aus der Papierindustrie bekannt ist.

So entsteht aus dem Holz eine schleimige Masse, die die Forscher in einem zweiten Schritt mit Gasen oder Chemikalien wie Backpulver (Natron) aufschäumen. Beim Trocknen verfestigen sich die Stoffe, die dem Holz schon im Baum die Stabilität gaben. Am Ende ist der Stoff leicht und fest wie Kork.

Bis Hausbesitzer den Holzschaum verbauen können, haben die Fraunhofer-Forscher aber noch etwas Arbeit vor sich. So verbessern sie zum Beispiel derzeit noch die Herstellung. „Entscheidend ist der Energiebedarf beim Trocknen“, sagt Volker Thole. Je schneller sich der Schaum bildet, desto schneller verdampft das enthaltene Wasser. Wenn die Forscher diesen Prozess also beschleunigen können, ließe sich der Energieeinsatz verringern. Und der ist der eigentliche Kostenfaktor bei der Herstellung.

Auch das beste Mittel zum Aufschäumen – also eine Alternative zum Backpulver – suchen die Forscher noch. In einem Jahr aber, so hofft Thole, könnten Pilotanlagen den Ökodämmstoff im größeren Maßstab produzieren.

Schon jetzt signalisieren Branchenexperten wie Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbandes der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen, starkes Interesse an der Entwicklung.

Verarbeitung ähnlich wie StyroporWie teuer Dämmplatten aus Holzschaum einmal sein werden, hänge von der hergestellten Menge ab, sagt Volker Thole. „Bei den Kosten werden wir in den Bereich von flexiblen Holzfaserdämmstoffen kommen“, schätzt Julia Scholtyssek vom WKI, die an der Entwicklung des Holzschaums beteiligt war.

Solche weichen Dämmplatten aus Holzfasern werden beispielsweise zwischen Dachsparren verbaut. Sie kosten laut einer Preisübersicht der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR) zur Zeit mehr als doppelt so viel wie Styroporplatten.

Der günstigste nachwachsende Rohstoff zum Dämmen ist nach wie vor Zellulose, die etwa 50 Prozent teurer ist als Styropor. Der Nachteil hier: Sie muss in Wände eingeblasen werden und ist als Außendämmung daher nur bei zweischaligem Mauerwerk geeignet. Die Holzschaumplatten aber könnten, weil sie fest sind, ebenso gut montiert werden wie Styropor, sagt Volker Thole.

Als Flammschutzmittel hat sein Entwicklungsteam das ungiftige Phosphat im Auge, das auch als Dünger eingesetzt wird. „Es kann in die gemahlene Masse sehr viel effizienter und gleichmäßiger eingebracht werden als in die langfaserigen Dämmplatten aus Holz“, sagt Thole.

Andere Dämmungen aus nachwachsenden Rohstoffen werden mit Borsalz oder Alaun versetzt, um die Brennbarkeit herabzusetzen. Das schränkt aber wiederum die Recyclingfähigkeit (was bei diesen Materialien vor allem Kompostierung bedeutet) ein. Nachwachsende Dämmstoffe bringen also auch ihre Probleme mit sich.

Die Palette der Alternativen zu herkömmlichen Dämmstoffen wie Styropor und Mineralwolle und damit auch die Konkurrenz zum Holzschaum der Fraunhofer-Forscher ist groß. Zur Verfügung stehen Baumwolle, Flachs, Getreidegranulat, Hanf, Kokos, Kork, Rohrkolben, Schafwolle, Schilf, Seegras, Stroh, Wiesengras und Zellulose und demnächst vielleicht sogar Baumrinde.

Im Jahr 2011, aktuellere Zahlen fehlen, betrug der Marktanteil von Ökodämmstoffen nach Berechnungen der FNR nur sieben Prozent. Davon stellen Zellulose und Holzfaserplatten den Löwenanteil. Der Markt ist also groß genug, um auch die Entwicklung der WKI-Forscher aufzunehmen.

Eine Lösung für das Kostenproblem ist an anderer Stelle auch schon gefunden. Architekten wie der Berliner Taco Holthuizen dämmen bei Gebäudemodernisierungen nur noch so viel wie nötig. Er setzt auf einen Mix aus günstigen erneuerbaren Energien und Dämmung, um Gebäude klimafreundlicher zu machen.

„Wenn wir ganz viel saubere Energie zur Verfügung haben und es in den Wohnungen mit wenig Dämmung behaglich ist, warum sollte ich dann die Häuser noch dicker einpacken?“, fragt er.

Das bedeutet häufig, dass deutlich weniger Material gebraucht wird – damit fallen die höheren Kosten für die grüne Dämmung kaum mehr ins Gewicht.

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