Heidelberger Bahnstadt Größte Passivhaussiedlung der Welt entsteht in Deutschland

In der Stadt am Neckar wird ein nachhaltiger und emissionsfreier Stadtteil gebaut. Möglich macht das ein einzigartiges Energiekonzept.

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Die Bahnstadt soll Europas größter Null-Emissions-Stadtteil werden. Quelle: dpa

Pflanzen, die sich an den Hauswänden hochranken, im Sommer für Kühlung und im Winter für Dämmschutz sorgen. Solarpanele an den Wänden. Dazwischen Farbe, die Stickoxide zu unschädlichen Nitraten oxidiert. Der Stadtteil, der mitten in Heidelberg entsteht, sorgt für ein ausgeglichenes Mikroklima – und soll die größte Passivhaussiedlung der Welt werden.

Verantwortlich dafür ist unter anderem der Freiburger Architekt Wolfgang Frey. Für ihn ist ökologischer und nachhaltiger Wohnungsbau mehr als eine Vision: Für ihn ist es eine Lebensphilosophie, die er seit Jahrzehnten realisiert.

Ihm geht es dabei nicht nur um Umweltschutz, sondern um eine Gemeinschaft. In den von ihm geplanten 162 Wohneinheiten, in denen es Ein-Zimmer-Apartments und Wohnungen für Familien mit Kindern gibt, sollen Menschen aus allen Gesellschaftsschichten zusammen leben. Menschen, die eine Gemeinschaft bilden – vom Studenten über die alleinerziehende Mutter bis zum Manager.

Im Heidelberg Village sollen Menschen aller Gesellschaftsschichten zusammen wohnen. (Foto: Frey Gruppe)

„Das Nutzungskonzept des neuen Stadtquartiers zielt bewusst auf eine heterogene Nachbarschaft ab, um ein enges, vertrauensvolles Zusammenleben von Familien, Singles, jungen und alten Menschen sowie Menschen mit Behinderung und Pflegebedarf zu ermöglichen“, erklärt der Architekt.

Bundesweit einzigartiges Konzept

Frey will mit einem „gesellschaftlichen Modellcharakter als nachhaltiger Lebensraum“ überzeugen. Für dieses Projekt hat er im Rahmen des Demografiekongresses 2015 den Preis der Initiative „Deutschland – Land des Langen Lebens“ bekommen.

Auch bautechnisch heben sich die beiden Gebäude ab. Das fünfgeschossige Gebäude wird partiell achtgeschossig ausgeführt, woran sich ein weiteres, durchgehend fünfgeschossiges Gebäude anschießt, die beide barrierefrei sind. „Heidelberg Village - „Living Community” nennt Frey das Stadtquartier, das auf einer Fläche von 15.000 Quadratmetern Wohnnutzung und Gewerbe vereint.

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Es entsteht inmitten der Heidelberger Bahnstadt, der vermutlich größten Passivhaussiedlung der Welt. Ein bundesweit einzigartiges Energiekonzept sorgt dafür, dass die meisten der Gebäude im Jahr nur 15 Kilowattstunden Heizenergie pro Quadratmeter brauchen – zehnmal weniger als herkömmliche Gebäude. 

7000 Arbeitsplätze sollen entstehen

2007 haben sich die Politiker der Universitätsstadt Heidelberg (Baden-Württemberg) dazu entschlossen, eine Siedlung zu bauen, die ausschließlich aus Passivhäusern besteht. Fast zehn Jahre später nimmt der Komplex auf einem 116 Hektar großen Areal langsam Gestalt an.

2.600 Menschen leben hier bereits, etwa 6.000 sollen es eines Tages sein. 7.000 Arbeitsplätze sollen hier entstehen. Es ist eines der größten Städtebauprojekte in Deutschland und wird rund zwei Milliarden Euro verschlingen.

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Die Siedlung auf dem ehemaligen Rangier- und Güterbahnhof ist ein Aushängeschild für die Stadt am Neckar, Experten aus der ganzen Welt interessieren sich für das Projekt. Das Konzept wurde schon mehrfach auf internationalen Klimaschutzkonferenzen vorgestellt, etwa bei der Rio+20 Konferenz oder den Treffen der C 40, den 40 größten Städten der Welt. Stadtplaner aus allen wachsenden Regionen wie Asien und Südamerika haben sich vor Ort über die Bahnstadt informiert.

Wohnen per Knopfdruck

Der Stadtteil hat einen Hauch von Leben in der Zukunft. Lüften, heizen und das Öffnen der Rollläden funktioniert per Knopfdruck vollautomatisch. Smart Meter, die eine bessere Kontrolle des Stromverbrauchs ermöglichen, sind Standard. Die Fernwärme wird zu über 90 Prozent aus Kraft-Wärme-gekoppelt erzeugt. 66 Prozent der Dachflächen sind begrünt, um Regenwasser aufzufangen.

Thermische Solaranlage unterstützen die Warmwasserbereitung und die Stadt Heidelberg baut gemeinsam mit den Stadtwerken ein Holz-Heizkraftwerk, das künftig so viel Energie erzeugen soll, dass die gesamte Bahnstadt mit Wärme und Strom versorgt wird. Bilanziell soll es damit zu einem der größten Null-Emissions-Stadtteile in Europa  werden.

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Neben der Kindertagesstätte sollen sich in der Bahnstadt auch Kultur, Gastronomie und Forschung ansiedeln. Ein Einkaufszentrum samt Kino folgt, eine Straßenbahnlinie wird demnächst verlegt. Wahrzeichen der Siedlung sind die für 60 Millionen Euro von der gemeinnützigen Max-Jarecki-Stiftung errichteten „SkyLabs“ - ein neunstöckiger Turm, um den sich auf einem 5,5 Hektar großen Campus Wissenschaft, forschungsnahe Unternehmen sowie Forschungseinrichtungen ansiedeln wollen.

Wohnungspreise steigen

Bisher ist das Konzept noch nicht aufgegangen. Etabliert hat sich die Passivhaussiedlung dennoch. Während am Anfang eine Eigentumswohnung in der Bahnstadt ab 2800 Euro pro Quadratmeter kostete, ist der Preis mittlerweile auf 3500 und 4000 Euro geklettert.

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In das „Heidelberg Village“ von Frey ist noch niemand eingezogen. Erst im kommenden Jahr sollen die beiden Gebäude, die von der Frey Gruppe investiert, geplant und gebaut werden, fertig gestellt sein. Vermietet wird erst einige Monate vorher. Das Interesse an dem innovativen Modellcharakter des „Heidelberg Village“ sei jedoch sehr groß, erzählt Qiaozhi Meng von der Frey Gruppe. „Die Menschen sprechen über unser einzigartiges Konzept.“ 

Um aus den Mietern eine Gemeinschaft zu machen, wird ein professioneller Quartiermanager die Organisation und Moderation der nachbarschaftlichen Aktivitäten übernehmen. Für Frey ist das der Schlüssel zu einer gelingenden Nachbarschaft.

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