Kleiderrecycling High-Tech-Garn aus alten Strümpfen

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Grafik: Gefragt und teuer Quelle: IVC / Bloomberg, Statista

Das würde einen gigantischen Abfallstrom umlenken: 30 Kilo Hemden, Hosen und Unterwäsche wirft jeder Deutsche pro Jahr in den Müll. Eine gigantische Verschwendung. Denn der Einsatz gebrauchter Ware spare bis zu 50 Prozent der Rohstoffkosten, sagt Bekleidungstechniker Thomas Schneider von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin.

Am besten lassen sich bislang Kunstfasern zurückgewinnen, darunter Polyester und Polyamid. Im Gegensatz zu Naturfasern lassen sie sich chemisch recyceln. Führend dabei ist der japanische Konzern Teijin, der als erstes Unternehmen einen Kreislauf für die Polyester-Wiederverwertung entwickelt hat, dem wichtigsten Stoff für Bekleidung überhaupt.

Weltweit lässt Teijin jährlich Tausende Tonnen Textilien sammeln, in Asien, in den USA und in Europa. Damit sich in die neuen Stoffe keine giftigen Chemikalien mischen, nimmt Teijin allerdings nur Textilien aus hauseigenem Polyester zurück. Denn für die eigene Produktion gelten rigide Standards: Bromierte Flammhemmer, chlorhaltige Chemikalien sowie Stickstoffbeschichtungen und Farben sind tabu.

Fasern recyceln, Produktionskosten senken

Sobald die Jacken und Hosen zurück in Japan sind, reißen riesige Maschinen, die an Aktenvernichter von der Breite eines Bulldozers erinnern, die Altkleider in winzige Stücke. In einem nächsten Schritt ziehen Magnete die Reißverschlüsse heraus.

Anschließend entfärben Chemikalien die Stoffreste, um sie danach bis zu 280 Grad Celsius zu erhitzen. Dabei verwandelt sich die Kunstfaser unter anderem in Ethylenglykol. Die Chemikalie ist der Ausgangsstoff der Polyesterproduktion. Und deshalb ist die recycelte Faser nicht von neuer Ware zu unterscheiden. „Unser Produkt ist genauso rein“, sagt Niko Heimann von Teijin Deutschland in Hamburg.

Alle großen Kunstfaserhersteller sind laut Bekleidungstechniker Schneider daran interessiert, ihre Fasern zu recyceln und die Produktionskosten zu senken. Schneider setzt dafür auf ein neues Verfahren: das bloße Umschmelzen von Synthetikkleidung. Das sei schneller und effizienter, sagt er. Allerdings müssen Altkleider zuvor sogar nach Farben sortiert werden.

Altkleider einschmelzen

Für ein deutsches Unternehmen entwirft Schneider daher Funktionsbekleidung, die von Knopf bis Etikett aus nur einem Material besteht – noch ist der Auftraggeber Geheimsache. Getrennt nach Farben soll eine spezielle Anlage diese Altkleider später bei gut 200 Grad Celsius einschmelzen und sofort zu neuen Fasern spinnen können. „Kleidung aus Polyamid oder Polyester kann beliebig oft umgeschmolzen werden“, sagt Schneider. Die Fasern würden durch dieses Verfahren sogar besser. Denn Verschmutzungen, etwa der giftige Katalysator Antimon aus der Erzeugung von Polyester, werden mit jedem neuen Schmelzvorgang herausgelöst. Selbst Damenstrumpfhosen ließen sich so fertigen, dass das Nylon mit jedem Lebenszyklus besser würde.

Genau das versucht der französische Strumpfhersteller Dim: Das Unternehmen aus der Nähe von Lyon investiert 250 000 Euro in eine „unsterbliche Strumpfhose“, wie Braungart sie nennt. 2012 soll sie auf den Markt kommen. Elegant und bequem müsse sie sein, heißt es bei dem Unternehmen, für das schon Top-Model und Präsidentengattin Carla Bruni Bein zeigte.Auch Dim baut auf Braungarts Cradle-to-Cradle-Konzept: Das Unternehmen hat bereits einen Partner gefunden, der gebrauchte Strümpfe einsammeln und ans Werk liefern wird, heißt es bei französischen Experten.

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