Auto-Trends auf der CES „Nur vier Autobauer können alles selbst entwickeln“

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„Nur wenige Hersteller können alles selbst machen“

Müssen die Autobauer die Software dann selbst entwickeln?
Keese: Nur drei oder vier Autokonzerne haben die Fähigkeiten und Kapazitäten, das selbst zu machen. Das lohnt sich aber auch nur, wenn die Funktionen markendifferenzierend sind – sprich sie sich mit der eigenen Lösung vom Wettbewerb abheben können. Nicht jeder Hersteller wird jede kleine Standard-Funktion selbst entwickeln. Trägt es nicht zur Markenbildung bei, werden die großen und die kleinen Hersteller weiter auf Zulieferer zurückgreifen. Das heißt dann, dass die Zulieferer sich an diese Anforderungen anpassen müssen.
Bernhart: Etwas Ähnliches lässt sich zurzeit in China beobachten. Dort liegen die Produktentwicklungszeiten für Infotainment- und Connectivity-Lösungen in der Regel unter 18 Monaten. Das sind zwar oft Standard-Lösungen und bei weitem nicht so angepasst wie die Systeme deutscher Hersteller, aber es geht. In diesem Zeitraum ein komplettes Infotainmentsystem zu entwickeln, müssen westliche Zulieferer erst noch lernen.

Die Highlights der CES 2017

VW will in den kommenden drei Jahren 1000 IT-Experten in den unterschiedlichsten Bereichen anstellen. Ist das nicht viel zu spät?
Keese: Zu einzelnen Unternehmen äußern wir uns nicht. Aber generell gilt in der Branche: Das Problem ist nicht die Leute einzustellen, sondern die Leute zu finden. Eine solche Ankündigung kann auch ein Versuch sein, überhaupt die Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen, um auch branchenfremde Fachkräfte zu erreichen. Das gilt übrigens auch in den USA: Im Großraum Detroit fehlen tausende Software- und Elektronikentwickler bei den großen drei US-Herstellern und ihren Zulieferern.

Dabei sind die US-Universitäten eigentlich recht nah an der Praxis.
Keese: Das ist richtig, der Lehre kann man keinen Vorwurf machen. In der Automobilentwicklung ist ein neuer Berufszweig entstanden, Software- und Elektronikingenieure waren früher einfach nicht gefragt. Im Fokus standen die klassischen Maschinenbauer. Das hat sich komplett gedreht, der Bedarf ist größer als das Angebot.

Das sind die Auto-Flops des Jahres
Alfa Romeo Stelvio Quelle: Alfa Romeo Stellantis
Audi Q2 Quelle: Audi
BMW 7er Quelle: BMW
Bugatti Chiron Quelle: Volkswagen
Hundai iX35 Fuel Cell Quelle: Hyundai
Maserati Levante Quelle: Maserati
Mercedes GLC Coupé Quelle: Daimler

In Sachen Elektroantrieb und autonomes Fahren haben branchenfremde Unternehmen zuerst die Schlagzeilen und die Entwicklung bestimmt. Was müssen die Autobauer anders machen, damit sie bei den nächsten Megatrends von Anfang an vorne liegen?
Keese: Wir haben eine sehr traditionelle Industrie, die es gelernt hat, in Zyklen von sechs oder sieben Jahren zu denken. Die heutigen disruptiven Entwicklungen verändern grundsätzlich auch das Verhalten der Autobauer: Es wird mehr in Forschung investiert, Venture-Capital-Gesellschaften gegründet, Geschäftsmodelle hinterfragt. Dadurch werden die Konzerne automatisch agiler. Zudem haben sie verstanden, dass sie bei der Elektromobilität geschlafen haben.

Müssen die deutschen Autobauer von Tesla lernen?
Keese: Tesla wird von vielen gelobt, sie hatten auch zur richtigen Zeit das richtige Auto. Wenn ich mir aber die anstehenden Modellneuheiten der kommenden fünf Jahre anschaue, dann hat jeder namhafte Hersteller mindestens zwei bis drei reine Elektroautos mit annehmbarer Reichweite auf dem Markt. Dann wird auch Tesla wieder mehr an den Rand gedrängt. Die Autoindustrie ist nicht die innovativste, aber wenn sie sich auf einen Weg festgelegt hat, ist sie sehr gut und schnell darin.

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