Brennstoffzellenautos Wie "Zero Emission" im Alltag funktionieren kann

Reichweitentest: Mit der Brennstoffzelle quer durch Europa. Quelle: Pressebild, Montage

600 Kilometer Reichweite, in drei Minuten aufgetankt: Mit einem Elektroauto unmöglich, mit einem Brennstoffzellenauto kein Problem. Wird die Tesla-Alternative so langstrecken- und alltagstauglich?

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Wären die blauen Aufkleber nicht gewesen, hätte es wohl kein Passant gemerkt. Nahezu lautlos rollen die zehn weißen SUV durch die Straßen von Bergen. Die leisen Elektroautos sind in Norwegen keine Seltenheit. In keinem anderen Land der Welt ist die Dichte von stromgetriebenen Autos so hoch wie dort. In der Küstenstadt Bergen etwa fährt bereits jedes dritte Auto emissionslos, wie Paul Kaarbø stolz betont.

Auch ohne die vor kurzem ausgelaufenen üppigen Förderungen vom Staat, die der Elektromobilität in dem Land auf die Sprünge geholfen haben, dürften sich die Stromer weiter gut verkaufen. Norwegen ist nicht nur reich vom Öl, sondern auch reich an Wasserkraft – und damit an preiswerter und vor allem erneuerbarer Energie. Und wo der umweltfreundlich produzierte Strom vorliegt, kann dieser auch einfach und kostengünstig Autos unter Strom setzen.

Die weißen SUV aber sind anders. Auf ihren Türen steht in großen Lettern „Fuel Cell“ oder „Powered by hydrogen“. Auch sie werden von Elektromotoren angetrieben. Diese ziehen ihren Strom aber nicht aus einer großen Batterie, sondern einer mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzelle. Es sind auch keine Prototypen: Seit 2013 verkauft Hyundai den iX 35 Fuel Cell als erster Hersteller in Serienproduktion – wenn auch noch in homöopathischen Stückzahlen.

Das Wichtigste über Wasserstoff und Brennstoffzelle

Kaarbø setzt in die Technologie große Hoffnungen. Der Lokalpolitiker der Region Hordaland, in der Bergen liegt, will sich nicht nur auf Elektroautos verlassen, wenn er über seine Pläne für einen umweltfreundlichen Transport redet. Während Deutschland noch über Sinn oder Unsinn der Kaufprämie für batterieelektrische Autos diskutiert, denkt die Politik in Norwegen bereits wieder einen Schritt weiter. Vielleicht zu weit?

Norwegen, das gelobte Land der Elektromobilität

Das Prinzip ist denkbar einfach: Statt den Strom in großen und schweren Batterien an Bord des Elektroautos zu speichern, wird er erst im Auto erzeugt. In der Brennstoffzelle wird mit reinem Wasserstoff aus dem Tank und Sauerstoff aus der Umgebungsluft Strom produziert, der dann die Elektromotoren antreibt. Einziges Nebenprodukt des Mini-Kraftwerks ist pures Wasser.

In einem Auto heißt das: Statt für 200 Kilometer Reichweite stundenlang laden zu müssen, ist der Wasserstofftank in wenigen Minuten wieder voll. Eine Tankladung soll laut Hyundai beim iX 35 für 594 Kilometer reichen. Das sind Werte, die keinen Vergleich mit einem Benziner scheuen müssen.

1500 Kilometer ohne ein Gramm CO2

Diese Zahlen sind auch in den Chefetagen der deutschen Autokonzerne bekannt. Nicht nur, weil sie den Hyundai selbst ausführlich getestet haben. Sondern vor allem, weil sie selbst seit Jahren an der Technologie forschen. Volkswagen, Audi und BMW haben immer wieder einzelne Prototypen vorgestellt.

„Wasserstoff ist das bessere Öl. Und es ist Zeit für einen Ölwechsel“, pries Daimler-Chef Dieter Zetsche noch im Jahr 2011. Damals zeigte Mercedes die fünfte Generation seiner Brennstoffzellen-Studien. Seit dem hat die B-Klasse F-Cell unzählige Testkilometer abgespult – über eine sündhaft teure Kleinserie ist sie aber nie hinaus gekommen.

So braust Toyota in die Zukunft
Wasserstoffauto Mirai Quelle: dpa
Wasserstoffauto Mirai kommt im Dezember nach Japan Quelle: dpa
Wasserstoffauto Mirai startet im September 2015 in Deutschland Quelle: Toyota
Wie unsere Redaktion berichtete, plant BMW im Rahmen der Kooperation mit Toyota ein eigenes Brennstoffzellenauto . Insider rechnen damit, dass der Wasserstoff-BMW mehr Leistung bringen wird als der Mirai. Einem Bericht des britischen "Autocar "-Magazins zufolge soll das Modell BMW i5 heißen. Quelle: REUTERS
Wasserstoffauto Mirai beruht auf dem Toyota Sedan Quelle: Toyota
Wasserstoffauto Mirai hat 500 Kilometer Reichweite Quelle: Toyota
Wasserstoffauto Mirai stößt nur Wasserdampf aus. Quelle: Toyota

Die Führung bei den Brennstoffzellenautos, in der Branche FCEV abgekürzt (Fuel Cell Electric Vehicle, in Unterscheidung zu den BEV Battery Electric Vehicle), haben stattdessen die Asiaten übernommen. Toyota hat mit dem Mirai ein Serienmodell im Angebot, Honda den FCV und eben Hyundai den iX 35.

In diversen Tests haben die Brennstoffzellenautos bereits bewiesen, dass sie im Alltag eines Berufspendlers ohne große Probleme einen Benziner oder Diesel ersetzen können. Doch auch wie bei den BEV liegt die deutlich größere Herausforderung für die FCEV nicht im Alltag mit Fahrten von unter 50 Kilometern, sondern auf der Langstrecke.

Von Bergen nach Bozen ohne ein Gramm CO2

Mit einem Verbrennungsmotor ist es ohne weiteres möglich, von Bergen nach Bozen zu fahren. Tankstellen gibt es entlang der 2.500 Kilometer langen Strecke mehr als genug. Bei Wasserstoff sieht das derzeit noch anders aus. Dennoch – oder gerade deswegen – hat Hyundai zu genau dieser Fahrt geladen.

Mit sechs Tank-Stopps soll es von der norwegischen Westküste über Dänemark quer durch Deutschland in Richtung der Alpen gehen, wo die Tour in Nord-Italien endet. Die Wahl der Route zwischen Start und Ziel ist aber nicht frei wählbar, sondern wird von den derzeit noch spärlich gesäten Tankstellen vorgegeben. Statt den kürzeren Weg von Bergen in das südnorwegische Kristiansand zu nehmen, wo eine Fähre nach Dänemark ablegt, schlängelt sich die Route über 400 Kilometer in Richtung Ostküste nach Larvik, etwa 100 Kilometer südlich von Oslo. Dort legt auch eine Fähre ab, mit der Station in Porsgrunn ist aber auch eine der begehrten Tankstellen in der Nähe.

Ähnliches Bild in Deutschland: Statt von Hamburg die direkte Nord-Süd-Verbindung nach München zu nehmen, führt die Route über Düsseldorf und Frankfurt in den Süden – entlang der A7 befindet sich keine öffentlich zugängliche Wasserstoff-Tankstelle. Der Umweg über das Rheinland mit der Tankstelle in Düsseldorf ist unausweichlich.

400 Wasserstoff-Tankstellen bis 2023 geplant

Wie die Mobilität mit Wasserstoff vorbildlich aussehen kann, zeigt Dänemark: Während es in ganz Deutschland bislang nur 16 Wasserstoff-Tankstellen gibt, sind es im deutlich kleineren Dänemark neun Zapfsäulen. Die nächste Tankstelle ist maximal 50 Kilometer entfernt. In wenigen Jahren sollen es nur noch 15 Kilometer sein, verspricht zumindest Teis Laustsen Jensen, Chef der dänischen Partnerschaft für die Wasserstoff-Wirtschaft.

Das deutsche Pendant ist die CEP, Clean Energy Partnership. In Europas größtem Demonstrationsprojekt haben sich haben sich 20 Industriekonzerne über Branchengrenzen hinweg zusammengeschlossen, um den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur zu fördern. Aus der Autoindustrie sind neben Hyundai auch Daimler und BMW dabei, Mineralölkonzerne wie Shell und Total, die Gase-Konzerne Linde und Air Liquide, aber auch Technologieunternehmen wie Siemens.

Ausgemachtes Ziel der Initiative ist es, in Deutschland bereits 2023 rund 400 Wasserstoff-Tankstellen zu betreiben. Zurzeit sind es in der Statistik 30 Stationen in der Bundesrepublik, aber nur rund die Hälfte davon ist für jedermann nutzbar. Der Rest liegt verschlossen auf Werksgeländen, wo nur die eigene Flotte von Brennstoffzellenautos oder Wasserstoff-Gabelstapler getankt werden kann.

Das führt dazu, dass auf der Etappe zwischen Hamburg und Düsseldorf eher Schleichfahrt angesagt ist. Denn obwohl die Reichweite des Hyundai offiziell bei knapp 600 Kilometern liegt, mahnt der Bordcomputer bereits nach etwa 400 Kilometern zum nächsten Tankstopp. Bei zügiger Fahrt ist der 700-bar-Tank noch schneller leer. Wie bei Benzinern und Diesel liegt der Realverbrauch auch bei dem Brennstoffzellenauto etwa 30 Prozent über dem Prüfstandwert – statt der versprochenen 0,95 Kilo Wasserstoff pro 100 Kilometer gingen bei der Testfahrt etwa 1,3 Kilo durch die Leitungen.

Dass die rund 300 iX 35 Fuel Cell, die derzeit in Europa unterwegs sind, noch selten auf der Langstrecke eingesetzt werden, zeigt die Erfahrung von Hyundai. „Die Kunden aus den meisten Ländern verlangen nach mehr Reichweite“, sagt Frank Meijer, Leiter des Brennstoffzellen-Programms bei Hyundai Motor Europe. „Nur die Deutschen wollen mehr Höchstgeschwindigkeit.“

Wie aus vertraulichen Quellen zu hören ist, werden die Koreaner bei dem für 2018 geplanten Nachfolger die aktuelle Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h wohl um 20 Stundenkilometer erhöhen – bei gleichzeitig gesteigerter Reichweite. Ob die durch einen größeren Tank oder eine effizientere Brennstoffzelle zustande kommen soll, will Hyundai noch nicht verraten. Nur so viel: Es soll wieder ein SUV werden.

Brennstoffzellen-Mercedes kommt 2017

Mehr Reichweite zusammen mit einem dichteren Tankstellennetz wird die Alltagstauglichkeit nochmals erhöhen, beziehungsweise auf einigen Strecken überhaupt erst möglich machen. Denn sind die derzeit rund fünf Kilo Wasserstoff an Bord aufgebraucht, hilft nur noch der Abschleppdienst.

Das will Mercedes bei seinem ersten Serienmodell anders machen. Die Wasserstoff-Variante des SUV GLC, die im Herbst 2017 auf den Markt kommen soll, vertraut beim Antrieb nicht alleine auf die Brennstoffzelle. Der GLC F-Cell wird ein Plug-In-Hybrid. Ist gerade kein Wasserstoff zur Hand, kann er auch rund 50 Kilometer mit dem Strom aus der Batterie fahren, die an jeder Haushaltssteckdose geladen werden kann.

Für Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber steht die Marktreife des Brennstoffzellenantriebs außer Frage. „Die Batterietechnologie verspricht zunehmend auch große Reichweiten bei immer niedrigeren Kosten“, so Weber. „Die Brennstoffzelle wird aber auch in Zukunft mindestens einen klaren Vorteil haben: Hohe Reichweiten bei gleichzeitig kurzen Betankungszeiten von nur drei Minuten.“

Einer der Gründe, warum es so lange mit dem ersten Brennstoffzellen-Mercedes in Serienproduktion gedauert hat, waren die Kosten. Im Vergleich zu den bisherigen Wasserstoff-Modulen von Mercedes wird der Anteil des teuren Edelmetalls Platin um 90 Prozent auf noch 20 Gramm sinken. Wie viel der GLC am Ende kosten wird, will Daimler noch nicht verraten. Unter 60.000 Euro wird es aber wohl kaum gehen.

Damit wäre der Mercedes aber immer noch günstiger als die Asiaten – wohl auch, weil diese noch mehr Platin verbaut haben. Der Hyundai kostet 65.400 Euro, Toyota verlangt für den Mirai mindestens 80.000 Euro.

Die technischen Daten des Hyundai ix35

Für Hyundai-Manager Meijer liegt die große Herausforderung bei der nächsten Generation des Brennstoffzellenautos, das 2018 kommen soll, nicht nur bei den Themen Reichweite, Höchstgeschwindigkeit und Preis. „Wir reden da nicht von hunderten, sondern tausenden Autos pro Jahr“, sagt der Niederländer. „Bis dahin müssen auch die Händler und Mechaniker für die Technologie vorbereitet sein, um die Autos verkaufen und warten zu können.“

Die größte Herausforderung, um die Brennstoffzellenantriebe umweltfreundlich zu gestalten, liegt aber nicht in der Hand der Autobauer. Genau wie die batterieelektrischen Autos nur dann emissionsfrei fahren, wenn der Strom aus CO2-neutralen Quellen stammt, kommt es bei den Brennstoffzellen auf die Produktion des Wasserstoffs an.

Wasserstoff ist zwar das am häufigsten vorkommende Element überhaupt, auf der Erde kommt es aber fast ausschließlich in gebundener Form vor – etwa als Wasser oder Erdöl. Aus diesen chemischen Verbindungen muss der Wasserstoff erst herausgelöst werden. Im Falle von Wasser geschieht das mittels der Elektrolyse. Kommt der Strom hierzu nicht aus regenerativen Energien, ist die Umweltbilanz des Wasserstoffautos genauso hin wie die eines Elektroautos, das mit Kohlestrom geladen wird.

Die Tour von Hyundai zeigt, wo das Wasserstoff-Auto gerade steht: Die Fahrzeuge selbst sind marktreif, von den ganzen Vorgängen im Auto bekommen die Insassen nichts mit. Der iX 35 fährt sich wie ein gewöhnliches Elektroauto, der Unterschied besteht nur im schnellen Tanken. Das aber ist der große Knackpunkt. Steigen wie etwa Daimler weitere Autokonzerne ein und es gibt mehr Brennstoffzellenautos auf der Straße, rentieren sich auch die Investitionen in Tankstellen.

Ob es aber wirklich 400 Tankstellen in sieben Jahren werden, steht noch in den Sternen. Mit praxistauglichen Tankzeiten dürfte es aber einfacher sein, Autofahrer vom Wasserstoff zu überzeugen. Vielleicht kommt diese Technologie dann auch ohne eine Kaufprämie aus. Vielleicht.

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