Kleinwagen Smart ist Schlüssel zu Daimlers Zukunft

Der neue Smart kommt, sogar als Viersitzer. Das gab es schon mal - und floppte. Doch Daimler hat gelernt und beweist, dass der City-Flitzer mehr als ein Mosaikstein im großen Premium-Konzept ist.

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Klein geblieben, groß geworden
Der Smart musste anfangs viel Spott ertragen: Mal wurde er „motorisierter Einkaufswagen“ oder schlicht „Bobbycar“ genannt. Doch selbst die über Jahre eingefahrenen Verluste haben Daimler nicht von dem Kleinstwagenkonzept abgebracht. 16 Jahre nach der Premiere des ersten Smart fortwo haben die Stuttgarter jetzt die dritte Generation ihres Winzlings vorgestellt. Quelle: REUTERS
Am Konzept des Stadtflitzers hat sich wenig geändert, bei Design und Technik schon: Wie der Vorgänger ist er exakt 2,69 Meter lang, die Dreizylindermotoren sitzen nach wie vor im Heck, auch die zweifarbige Lackierung bleibt erhalten. Doch sonst ist alles neu: Die Optik ist eigenständiger geworden, aber dennoch typisch Smart geblieben. Die Motoren stammen von Renault, der Kleinstwagen wurde zusammen mit den Franzosen entwickelt. Quelle: REUTERS
Neben dem „Klassiker“ fortwo feierte auch gleich sein viersitziger Ableger Premiere: der forfour. Unter diesem Namen gab es von 2004 bis 2006 bereits einen Viersitzer von Smart, damals auf der Plattform eines Mitsubishi Colt. Der Wagen floppte am Markt. Der neue forfour teilt sich zwar wieder die Plattform mit einem Konkurrenten, dem Renault Twingo. Trotzdem soll alles besser – und vor allem eigenständiger – werden. So sind laut Smart nur zehn Prozent der Karosserieteile mit dem Twingo identisch, Gemeinsamkeiten gibt es nur unter dem Blech. Quelle: dpa
Zur Premiere der „jungen“ und „hippen“ Smart-Modelle gibt sich sogar Daimler-Chef Dieter Zetsche (im Bild mit Smart-Chefin Annette Winkler) in Jeans und Ledersneaker ungewohnt leger – sogar auf eine Krawatte hat er verzichtet. Quelle: REUTERS
Dank der Kooperation mit dem französisch-japanischen Autobauer Renault-Nissan könne Daimler den neuen Smart günstiger produzieren, bestätigte auch Konzernchef Dieter Zetsche zur Premiere in Berlin. „Mit dem Kooperationspartner Renault-Nissan zeigen wir auch, dass wir den Business Case deutlich verbessern können“, sagte er. Quelle: REUTERS
Gegenüber der zweiten Generation ist der fortwo zwar keinen Millimeter länger, aber zehn Zentimeter breiter geworden. Das soll nicht nur etwas mehr Platz im Innenraum bringen, sondern auch das Fahrverhalten stabiler machen. Die neuen Smarts sollen im November in den Handel kommen. Der Zweisitzer steht mit mindestens 10.300 Euro in der Preisliste, dafür gibt es einen 1,0-Liter-Saugmotor mit 60 PS. Für den forfour mit diesem Triebwerk werden 600 Euro mehr fällig. Dafür gibt es dann 80 Zentimeter mehr Länge, zwei Türen und zwei Sitzplätze mehr sowie mehr Platz für das Gepäck. Quelle: Presse
Die 60-PS-Version wird zum Marktstart allerdings noch nicht verfügbar sein, so lange bildet die 71 PS starke Variante des Dreizylinders die Einstiegsmotorisierung. Die kostet dann 10.895 Euro für den fortwo und 11.495 Euro für den forfour. Ein 0,9-Liter-Turbobenziner mit 90 PS rundet vorerst das Angebot nach oben ab, eine stärkere Brabus-Version wird später das obere Ende der Motorenpalette beschließen. Der 0,8-Liter-Diesel ist bereits bei den letzten Fahrzeugen der zweiten Generation aus dem Programm geflogen. Der Smart electric drive wird übrigens noch zwei Jahre auf Basis des alten Smarts weitergebaut, erst dann folgt der Umstieg auf die aktuelle Generation. Quelle: Presse

Zwei Meter neunundsechzig – und keinen Millimeter mehr. Der neue Smart bleibt, was er  ist – ein ultrakleiner Stadtflitzer. Das Auto, das selbst noch im Hinterhof zwischen zwei Mülltonnen Platz findet, das vorwärts einparkt, wo „normale“ Autos längs zur Fahrbahn stehen. Die Schwaben haben den Rat „ändere nie ein funktionierende System“ befolgt und obendrein noch die Macken des Vorgängers beseitigt.

So gibt es jetzt endlich eine ordentliche Federung und eine Fünfgang-Handschaltung mit Schaltknauf. Die gewöhnungsbedürftige Halbautomatik gehört damit der Vergangenheit an. Daimler hat aus den Fehlern der selbigen gelernt. Den wohl größten haben Zetsche und der damalige Smart-Chef Andreas Renschler 2004 begangen. Den Smart forfour in Kooperation mit Mitsubishi.

Lauter lustige Knubbelnasen - Weltpremiere vom neuen Smart

Der neue forfour muss klappen

Der Viersitzer sah nicht aus wie ein Smart und hatte auch nicht dessen Architektur. Basis war eine Mitsubishi-Plattform. Das Modell machte weder seinen Besitzern noch den Mercedes-Managern viel Freude. „Die Kosten sind völlig aus dem Ruder gelaufen“, erinnert sich Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch-Gladbach. Nach anfänglich guten Verkaufszahlen, brach die Nachfrage dramatisch ein.

Daimler hatte den Wettbewerb auf dem Kleinwagenmarkt unterschätzt, 2006 wurde der forfour eingestellt. Eine Schmach für den erfolgsverwöhnten Premiumautobauer. In den Stuttgarter Büros ist die Anspannung dieser Tage denn auch merklich höher. „Dieser Schuss muss sitzen“, sagt Bratzel. Ein zweites Mal möchte sich keiner blamieren. Die Chancen stehen gut, dass es dazu nicht kommen wird.

Die neuen Smarts und Twingo im Vergleich

Smart fortwo und Smart forfour basieren auf der neuen gemeinsam mit Renault entwickelten Plattform, die auch den neuen Twingo trägt. Daimler ließ sich bei der Entwicklung wenig reinreden. „Renault musste da manche Kröte schlucken“, glaubt Bratzel. So etwa den Heckantrieb, den die Schwaben bei den Franzosen durchsetzen.

Die gemeinsame Plattform macht die Modelle deutlich wirtschaftlicher. Und – auch das lässt auf eine erfolgreiche Zukunft für den Viersitzer hoffen – produziert wird im slowenischen Werk Novo Mesto, wo der Stundenlohn maximal 40 Prozent des deutschen Niveaus erreicht. Smart-Chefin Annette Winkler, die seit 2010 die Geschäfte der Mercedes-Tochter lenkt, hat ihre Hausaufgaben gemacht.

Smart auf einen Blick

Fehlt nur noch, dass die Kunden den neuen Premium-Kleinwagen nachfragen. Die Absatzzahlen der Konkurrenten BMW Mini und Audi A1 belegen – Lifestyle-Flitzer liegen im Trend. Das Kleinwagensegment gewinnt insgesamt an Bedeutung – 2011 lag der Anteil von Kleinwagen an den Neuzulassungen in Deutschland noch bei 5,8 Prozent. 2013 waren es schon 7,9 Prozent. Dabei ist es den Premiumhersteller gelungen, den klassischen Volumen-Marken wie Fiat und Ford in den vergangenen Jahren Marktanteile abzuluchsen.

So fährt die Konkurrenz

In den weitgehend gesättigten Märkten sind die kleinen Modelle eine der wenigen Möglichkeiten für die Hersteller, ihre Marktanteile zu halten. Denn sie werden als Zweit- oder Drittwagen angeschafft. Wer ausreichend hohe Stückzahlen verkauft und Synergien durch Plattformen oder Kooperationen hebt, wie Daimler mit Renault, „für den ist es auch lukrativ“, erklärt Bratzel.

Der CO2-Killer in der Gesamtbilanz

So ist der Smart für Daimler mehr als ein nettes Zubrot. Er wird immer mehr zu einer tragenden Säule im Gesamtkonzept des Konzerns. Seine größte Wirkung entfaltet der Kleine in der CO2-Flottenbilanz. Allein im Mai konnte Mercedes (ohne Vans) seinen Flottenausstoß in Deutschland um mehr als vier Gramm pro Kilometer senken. „Das ist richtig viel“, lobt Bratzel. Zum Vergleich: Die neue Mercedes S-Klasse pustet zwischen Stadtfahrt und Autobahn 115 bis 279 Gramm CO2 pro Kilometer in die Luft, der Smart zwischen 86 und 104 g/km. Der Smart fortwo electric drive – von dem 2013 in Deutschland immerhin 1900 Stück privat zugelassen wurden und damit die Statistik der E-Autos in Deutschland anführt – fährt vollständig emissionsfrei.

Seine Rolle als Bilanz-Schöner erfüllt der Smart bereits bravourös – nicht weniger erfolgreich setzt Chefin Winkler das Stadtmobil als Vorreiter für neue Mobilitätskonzepte ein. „Mit Car2Go hat Daimler das Carsharing auf eine ganz neue Stufe gehoben“, zieht CAM-Leiter Stefan Bratzel die Bilanz aus dem fünfjährigen Bestehen.

Smart soll Städter mobil machen

Seit 2008 eilt Car2go von Rekord zu Rekord und zählt aktuell 600.000 Kunden in 25 Städten von bis. Bereits fünf Prozent aller Smarts stehen in einer Car2Go-Flotte. Bis 2020 will Daimler 40 bis 50 weitere Standorte weltweit erschließen. Von kleinen Rückschlägen wie eben in London lässt man sich dabei nicht abschrecken. In der Briten-Metropole floppte das Konzept. „Zu viele administrative Hürden“, nennt Car2Go-Europa-Geschäftsführer Thomas Beermann Gründe für den Rückzug, außerdem angelnde Unterstützung der Kommunen und das innige Verhältnis der Briten zu ihrem Privatauto.

Prognostiziertes Wachstum in der Shared Mobility

Milliardenschwerer Markt fürs Teilen

Kein Grund, nicht weiterzumachen, findet Christian Freese, Mobilitätsexperte der Unternehmensberatung Roland Berger und Co-Autor der Studie Shared Mobility, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt. „Das Potenzial des Marktes ist noch riesig“. Roland Berger geht bis 2020 von jährlichen Wachstumsraten im Carsharing von 30 Prozent aus. Freese: „Shared Mobility ist keine Non-Profit-Veranstaltung“, stellt er klar. Nach den Berechnungen von Roland Berger ist der dann Markt 3,7 bis 5,6 Milliarden Euro schwer. Tendenz steigend. In fünf bis zehn Jahren werden die Hersteller signifikante Umsätze machen. Doch schon jetzt lohnt sich der Einstieg.

600.000 Nutzer weltweit in über 25 Städten von Berlin bis Vancouver. Car2Go hat sich seit 2008 rasant entwickelt. Quelle: Presse

„Die Hersteller können auf diesem Weg noch wesentlich mehr über ihre Kunden“, betont Freese. Carsharing sei daher eine riesige Chance für die Autokonzerne, direkt an Daten zu kommen, die sonst – wenn überhaupt – nur den Händlern bekannt seid. Ganz nebenbei lässt sich die Kundschaft mit Elektroautos vertraut machen und – so hofft Daimler-Chef Zetsche – die Generation Z für sich begeistern, also die Jahrgänge ab 2000, die mit Smartphone und sozialen Medien aufgewachsen sind.  

"Die iPhone-Liebe spielt uns in die Karten", freut sich Smart-Chefin Winkler. Denn es spielt in der Shared Mobility eine wichtige Rolle. Dank Suchen, Mieten und Bezahlen übers mobile Internet laufen Unmengen an kostbaren, digitalen Bewegungsmustern zusammen. Mit dem High-Tech drängen aber auch Konzerne wie Google und Apple auf den Markt. Sie werten schlicht Daten aus und setzen sie in ein passendes Produkt um, dazu muss man nichts vom Autobauen verstehen. „Das ist eine große Bedrohung für die Konzerne“, warnt Freese.

Daimler hat sich gut positioniert. Car2Go ist der am schnellsten wachsende Anbieter in Deutschland. Gelungen ist das, weil die Schwaben von Beginn an nicht mit Investitionen gegeizt haben. „Beim allen Shared Mobility Angeboten gilt es, von Anfang an groß zu denken“, erklärt Mobilitätsexperte Freese, „vorsichtiges Testen ist wichtig, reicht aber nicht aus". Der Kunden möchte von Beginn ein umfassendes, funktionierendes Angebot. Damit täten sich die großen Unternehmen oft schwer.

Daimler dagegen hat Car2Go wie ein Startup aufgestellt – klein und agil und mit viel finanzieller Feuerkraft. BMW musste schließlich nachziehen, fährt aber noch hinterher. Opel beginnt erst zum Jahresende mit einem eigenen Carsharing-Angebot und Audi zieht es vor, das Thema vollständig zu ignorieren. Das könnte sich schon bald rächen. „DEN Autofahrer und DEN Bahnfahrer gibt es nicht mehr“, beobachtet Freese. Mit der U-Bahn zum Fernbahnhof, mit dem Zug in die City und von der den letzten Kilometer mit den Carsharing-Auto – das soll Normalität werden. „Derjenige wird verlieren, der auf sein Verkehrsmittel beharrt“, prophezeit der Mobilitätsforscher, „Die Hersteller müssen ihren Egoismus überwinden und sich im Geiste öffnen.“

Für Smart-Chefin Annette Winkler offenbar kein Problem, sie sagt: „Wir wollen Services bieten für ein einfaches und bequemes Leben in der Stadt“. Smart sei ein „Think Tank“, der viele neue Ideen zulasse. Das kauft man der 54-Jährigen ab, denn Daimler investiert wie kein anderer Autobauer in Start-ups, um in der Shared-Mobility-Welt Fuß zu fassen und will das Angebot an Mobilitätsdienstleistungen systematisch erweitern. Seit 2011 bringt die Onlinebörse Park2gether in Berlin und Hamburg private Parkplatzbesitzer und Suchende zusammen. Die Mobilitäts-App moovel stellt individuelle Fahrpläne zusammen – als Kombination aus öffentlichem Nahverkehr, Taxi, Mitfahrgelegenheit, Mietfahrräder oder Fernverkehr mit der Deutschen Bahn – oder natürlich Car2go.

Imagewerte passen nicht zum Anspruch

Das alles kostet Geld, viel Geld – und wirft so gut wie nichts ab. Car2Go ist erst in wenigen Städten profitabel. „Da darf man nicht zu kurzfristig denken und jeden Cent gegenrechnen“, verteidigt Bratzel die Investitionen. „In Zukunft zählt allein, wer den Kundenkontakt hat.“ Mit Smart, das steht fest, hat Daimler den Schlüssel zur Generation Z fest in der Hand. Einzig - die Zielgruppe will noch nicht so richtig mitziehen.

Die aktuellen Imagewerte, die das Marktforschungsinstitut YouGov aus Köln ermittelt hat, zeigen: mit im Schnitt 8 Punkten auf einer Skala von - 100 bis + 100 ist Smart weit vom Premium-Image der Mutter Mercedes (37 Punkte) entfernt. Konkurrent Mini erreicht immerhin 14 Punkte und Opel überflügelt die kleinen Lifestyle-Flitzer regelrecht mit 20 erreichten Punkten. Die anvisierte junge Zielgruppe der bis 30-Jährigen bewerten Smart sogar noch einen Tick schlechter als der Durchschnitt. Insgesamt liegt Smart damit gleich auf mit Renault. Man scheint sich doch mehr zu teilen als nur eine Plattform.

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