Matthias Wissmann "Der Diesel hat eine große Zukunft"

Der oberste Auto-Lobbyist sieht den Abgas-Skandal als ein Problem von VW und sieht deutsche Hersteller beim Elektroantrieb gut gerüstet.

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Matthias Wissmann Quelle: dpa

Herr Wissmann, Volkswagen hat manipuliert. Wie groß ist der Schaden für die deutsche Automobilindustrie?

Die Manipulation einer speziellen Motorsoftware zu Schönung von Abgaswerten ist ein Thema von Volkswagen. Die neue Führung wird die Vorfälle ganz entschieden aufklären und alles unternehmen, um das verloren gegangene Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Einen dauerhaften Schaden für die Gesamtindustrie sehe ich nicht.

Zur Person

Können Sie denn ausschließen, dass auch andere deutsche Hersteller manipuliert haben?

Zulieferer und andere Hersteller haben erklärt, dass sie keine Software-Manipulation zur Schönung von Abgaswerten vorgenommen haben. Zuvor hatte es in den Unternehmen dazu intensive Prüfungen gegeben. Wir gehen fest davon aus, dass die Angaben stimmen; andere deutsche Hersteller haben die Software nicht manipuliert.

Beschädigt VW den Mythos „Made in Germany“

Dennoch sorgen sich viele Menschen in Deutschland um den guten Ruf „Made in Germany“. Ist dieser in Gefahr?

Der Skandal hat einen schweren Reputationsschaden für ein Unternehmen verursacht, aber das Label ‚Made in Germany‘ ist nicht in Gefahr. Das zeigt das Beispiel eines japanischen Herstellers. Das Unternehmen hatte Anfang des Jahrzehnts große Probleme in den USA, die sogar zu Befragungen im US-Kongress geführt hatten. Aber die Probleme haben das Image der japanischen Industrie nicht beschädigt, das betroffene Unternehmen ist wieder zurück im Markt. Auch Volkswagen kann wieder im Markt Vertrauen aufbauen, wenn es dem Unternehmen gelingt, die Kunden umfassend aufzuklären und die Schäden zu bereinigen.

Hat der Diesel denn überhaupt noch eine Zukunft, wenn man bloß mit illegalen oder legalen Tricks die gesetzlichen Vorgaben erreicht?

Es gibt keinen effizienteren Verbrennungsmotor als den modernen Diesel. Bei den ICCT-Messungen hat ein größeres und schweres Auto, der BMW X5, sehr gut abgeschnitten. Beim Euro-6-Diesel, der jüngsten Generation, sind Verbrauch und Schadstoffemissionen so niedrig wie nie zuvor. Selbst beim Ausstoß der Stickoxide werden mit der SCR-Technologie die Werte sowohl bei kleinen als auch bei großen Fahrzeugen um 90 Prozent gesenkt. Die Technik dafür ist teuer, aber effizient. Ich bin sicher: Der Diesel hat noch eine große Zukunft. Es gibt noch weitere Optimierungschancen.

Der VW-Abgas-Skandal im Überblick

Kritiker fordern realistischere Abgastestverfahren. Dann dürfte es noch schwerer für die deutschen Premiumhersteller sein, die Grenzwerte von im Schnitt 95 Gramm CO2 pro Auto, die ab 2020 in der EU gelten, einzuhalten.

Die deutsche Automobilindustrie setzt sich seit langem für realistischere Abgastestverfahren ein. Wir arbeiten mit den Behörden eng zusammen. Der ständige Vorwurf, wir würden strengere Prüfkriterien bekämpfen, stimmt einfach nicht. Wir sind für den neuen Normzyklus WLTP und wir sind für die Einführung des RDE-Tests, der auch auf der Straße die Schadstoffemissionen misst. Aber wir müssen differenzieren: Ein Test auf dem Prüfstand ergibt rein physikalisch-technisch andere Werte als ein Test im Straßenverkehr. Ich vergleiche das mit einem Medizincheck: Ein EKG liefert im Liegen einen Ruhepuls, der viel niedriger ist als das Ergebnis beim Hochleistungsradfahren. Die deutschen Hersteller werden die künftigen Grenzwerte auch unter strengeren Tests einhalten. Aber eines hat die EU-Kommission erklärt: Das 95-Gramm-Ziel wurde auf Basis des NEFZ definiert. Die Einführung des WLTP wird nicht zu einer Verschärfung dieses Ziels führen. Darauf verlassen wir uns.

"Die Schwächen beim E-Antrieb sind längst ausgebügelt"

Die Autoindustrie will sich also strenger kontrollieren lassen? Wie glaubwürdig ist das?

Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Es hat Tests auf der Straße gegeben, die gezeigt haben, dass einige Modelle sogar bessere Verbrauchswerte aufweisen als im Labor. Es geht uns darum, dass Testverfahren entwickelt werden, die für alle gleichermaßen gelten und den Kunden nachvollziehbare und realitätsnähere Werte liefern. Die Automobilindustrie hat den derzeitig gültigen NEFZ-Normzyklus übrigens nicht selbst entwickelt. Das ist eine gesetzliche EU-Vorgabe – und die gilt für alle, die neue Autos in der EU auf den Markt bringen.

Müssen die Hersteller jetzt beim E-Auto Tempo machen, weil es die einzige wirkliche Antwort auf die Emissionsprobleme ist?

Es ist eine Legende, dass die deutsche Autoindustrie ausschließlich auf den Verbrenner orientiert ist. Die Unternehmen investieren jedes Jahr 34 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Das entspricht einem Drittel der Forschungsausgaben der gesamten Industrie in Deutschland. Vor fünf Jahren lagen deutsche Hersteller in punkto Elektroantrieb noch auf den hinteren Plätzen. Die Schwächen beim E-Antrieb sind aber längst ausgebügelt. Bis Jahresende gibt es allein von den deutschen Herstellern 29 Elektroautos – rein batterie-elektrische, Plug-in-Hybride oder Wasserstoff- und Brennstoffzellenautos – auf der Straße. Die deutsche Automobilindustrie ist hier führend und dafür bereits 17 Milliarden Euro in jüngster Zeit investiert.

Mit welchen Hindernissen Elektroautos kämpfen

Dann droht den deutschen Herstellern nicht das Schicksal der Energiekonzerne RWE und E.On, die zu lange an den herkömmlichen Technologien festgehalten haben?

Es gibt kein „entweder Verbrenner oder Elektromotor“. Die deutschen Automobilhersteller investieren seit Jahren in mehrere Bereiche: in die Optimierung der Benziner- und Dieseltechnik, in alternative Antriebe wie Elektro und Brennstoffzelle und in die Digitalisierung der Mobilität. Das vernetzte und automatisierte Fahren ist ja das zweite große Zukunftsthema, wie die IAA gezeigt hat.

In allen Bereichen haben die deutschen Hersteller heute eine Spitzenposition inne.

Die Kosten für die Batterietechnik sinken stetig und liegen heute deutlich niedriger als prognostiziert. Brauchen die Hersteller wirklich noch Kaufanreize für Elektroautos?

Die weitere Reduzierung der Produktionskosten von Elektroautos ist ein strategisches Ziel der deutschen Automobilindustrie. Daran arbeiten Hersteller und Zulieferer intensiv. In den nächsten zwei bis drei Jahren liegen die Kosten aber noch über denen der Verbrennungsmotoren. Wir schlagen zeitlich begrenzte Anreize vor, sprich: ein Drei-Jahres-Programm mit Abschreibungsvorteilen. Auch andere steuerliche Impulse, etwa bei den Betriebskosten oder der Einkommensteuer, wären möglich. Nur so kann sich Deutschland zu einem Leitmarkt für Elektromobilität entwickeln.

Hinter vorgehaltener Hand kritisieren Vorstände von Auto-Konzernen das Krisenmanagement des VDA. Die Konzerne fühlten sich „alleine gelassen“. Ist die Kritik berechtigt?

Wir stehen als deutsche Automobilindustrie völlig geschlossen da. Glauben Sie nicht irgendwelchen Gerüchten.

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