Aus den Misserfolgen der Asiaten und Amerikaner sollte die Konzernführung von Hyundai wichtige Erkenntnisse gezogen haben. Die Koreaner setzen bei der Erstpositionierung von Genesis auf die drei Säulen Design, Marke und Technologie. In Sachen Design muss man sich angesichts des bisherigen Portfolios und der verantwortlichen Kreativköpfe wohl keine ernsthaften Sorgen machen. Und auch bei der Technik sollte es Dank jahrzehntelanger Erfahrung klappen. Schließlich darf man sich im prall gefüllten Konzernregal bedienen und im Heimatland Südkorea gibt es seit vielen Jahren potente Luxusmodelle. Wie etwa den Genesis EQ 900 oder den Genesis G 80, die es allemal mit der europäischen Konkurrenz aufnehmen können.
Das Topmodell EQ 900, in anderen Ländern als Genesis G90 verkauft, wird beispielsweise von einem mächtigen Fünfliter-V8 mit 420 PS angetrieben. Andere Versionen des Genesis G80, der selbstbewusst gegen 5er BMW, Mercedes E-Klasse oder Audi A6 antritt, werden von einem aufgeladenen 3,3-Liter-V6 mit Turboaufladung oder einem 3,8-Liter-Sauger angetrieben. Achtgang-Automatik, Allradantrieb und allen nur erdenklichen Reiseluxus und Assistenzsysteme haben die Modelle von Genesis ohnehin an Bord. Weltweit wurden zuletzt rund 100.000 Fahrzeuge verkauft – bisher fast ausschließlich in Korea, wo die drei Konzernmarken Hyundai, Kia und Genesis einen nationalen Marktanteil von rund 65 Prozent haben.
Nach dem etablierten Heimatmarkt gingen die Koreaner jüngst in den USA an den Start und konnten insbesondere mit dem Topmodell G90 nennenswerte Erfolge erzielen. Dort sind es die Kunden gewohnt, dass Volumenhersteller ihrer Premiummarke einen eigenen Namen geben.
Doch ab 2019 werden die Karten neu gemischt, denn weder China noch Europa werden sich im Sturm erobern lassen. Da die Fahrzeuge von Genesis zunächst nur im heimischen Stammwerk von einem der beiden gebuchten zwei Bänder laufen, ist man in China eine Importfirma. Das verteuert die Importfahrzeuge deutlich. Immerhin wird es für die neuen Modelle sämtlichst Langversionen geben, die in China besonders nachgefragt werden. Sollte der chinesische Markt schneller als erwartet anspringen, ist nach Angaben der Genesis-Verantwortlichen auch eine eigene China-Produktion denkbar.
Genesis setzt auf Direktvertrieb in Europa
Noch deutlich schwieriger sollte sich der Markteinstieg jedoch in Europa und damit insbesondere in Deutschland gestalten. Daher will Genesis-Markenchef Manfred Fitzgerald warten, bis die rechten Produkte verfügbar sind und ein Markenimage positioniert ist. „Ende 2019 / Anfang 2020 werden wir über ein komplett neues Portfolio verfügen. Dann werden wir starten“, gibt es für Fitzgerald aktuell keinen Grund zur Eile. So wird die Luxuslimousine G90 als Konkurrent von BMW 7er und Mercedes S-Klasse bis dahin eine gründliche Modellpflege bekommen und der kommende G80 komplett neu entwickelt sein. Zu groß ist selbst bei dem frisch aufgelegten Genesis G80 Sport mit seinem 3,3 Liter großen V6-Doppelturbo und 370 PS das Minus gegenüber Klassenprimus BMW 5er und der Mercedes E-Klasse.
Derzeit laufen in den Konzernzentrale in Seoul und insbesondere im Entwicklungszentrum Namyang unter Leitung des ehemaligen BMW-M-Technikchefs Alfred Biermann die Arbeiten an neuen Modellgenerationen. Mehr Zeit denn je verbringen Biermann und sein Team daher auch an den beiden Außenstellen in Rüsselsheim und dem Nürburgring. Um auf dem europäischen Markt bestehen zu können, kommt dem geplanten Einstiegsmodell des Genesis G70 eine zentrale Bedeutung zu. „Bei dessen Entwicklung ist der BMW 3er für uns der Maßstab, an dem wir uns orientieren“, ergänzt Alfred Biermann mit Blick auf seinen alten Arbeitgeber, die Garchinger M GmbH.
Doch mit G70, G80 und G90 allein ist weder in den USA, noch in China oder den USA gegen die übermächtige Konkurrenz etwas zu holen. Des Weiteren wird es zum Jahrzehntewechsel zwei SUV geben, deren größere Version GX80 sich mit einem Audi Q7 messen soll, während der kleine Bruder GX70 es mit den kommenden Generationen von BMW X3 / X5 oder Mercedes GLC / GLE aufnehmen wird. Hybridmodelle wird es nicht geben, da Genesis ab 2021 / 2022 zwei Elektroplattformen präsentieren wird, die SUV und Limousinen eine elektrische Heimat geben sollen.
Doch ebenso sehenswerte wie technisch zeitgemäße Fahrzeuge sind das eine. Bleibt die Frage, wie die Modelle selbst bei entsprechender Markenpositionierung unter die Leute gebracht werden sollen. Hier setzt Genesis in den meisten Ländern und so auch in Deutschland, England oder der Schweiz auf einen Direktvertrieb. Dazu wird es in einigen Metropolen im Stadtzentrum schicke Markenshops mit Boutique-Charakter geben. Noch sind keine Entscheidungen getroffen, doch München, Zürich und London scheinen dabei als Startpunkte gesetzt. „Die Suche nach den richtigen Objekten läuft gerade“, berichtet Fitzgerald. Wartung, Reparaturen und Testfahrzeuge stehen dann in einer Niederlassung weiter außerhalb. Der Rest läuft ohne Händler – ebenso komplett online vernetzt wie die Autos selbst.
Zwei Jahre hat Hyundai noch, den Genesis-Start in Europa vorzubereiten. Es gibt viel zu tun, denn die Aufgabe, die Premiummärkte in der alten und neuen Welt im Gleichschritt zu erobern, könnten nicht größer sein.