Streetscooter und e.Go Wie Aachen die Autobranche aufmischt

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Deutschlands günstigstes Elektroauto

Von dort aus ist es ein kurzer Spaziergang durch den Campuspark zum Cluster für Produktionstechnik, in dem die Ingenieure gerade an ihrem nächsten Coup arbeiten: einem Elektroauto für den Stadtverkehr. Günther Schuh, der schon das Postauto mitentwickelt hat, ist der Kopf des Teams. Ein hochgewachsener Mann, der in langen Schritten durch die Fabrikhalle schneidet. Er bleibt an einem gedrungenen Kleinwagen stehen und klopft auf die Verkleidung des Autos, dumpf hallt es zurück. „Thermoplast“, sagt Schuh, „im Prinzip wie beim Trabi früher, nur ist das Material heute viel besser“.

Verbrenner, Elektro, Brennstoffzelle: Antriebstechniken im Vergleich

Der Professor für Produktionssystematik ist gleichzeitig Geschäftsführer einer weiteren Ausgründung aus dem universitären Umfeld: der e.GO Mobile AG. Mit diesem Unternehmen will Schuh nun direkt an den Konsumenten heran, nachdem er das Postauto zusammen mit Kampker schon an die großen Kunden aus der Wirtschaft erfolgreich vermarktet hat.

Der e.Go wirkt äußerlich wie ähnliche Modelle der Kategorie Kleinwagen: vier Sitze, drei Türen, allerdings wegen der Batterie nur 130 Kilometer Reichweite. Neupreis: 15.900 Euro, von der noch die Umweltprämie von 4.000 Euro abgeht. Die spendiert der Staat momentan für den Kauf eines Elektroautos. „Es ist der günstigste Neuwagen mit Elektroantrieb, den es in Deutschland momentan zu kaufen gibt“, sagt Schuh und wippt dabei beglückt vor und zurück. Täglich habe das Unternehmen etwa 15 Vorbestellungen, obwohl die Serienproduktion erst kommendes Jahr im Mai beginnen soll. Nicht einmal die Fabrik dazu ist fertig.

300 neue Arbeitsplätze

Entscheidend für die Entwicklung des e.GO zur Serienreife ist, dass Schuh die sogenannte Anlauffabrik hier auf dem RWTH Campus nutzen kann. Das Unternehmen mietet die Halle, um eine Montagelinie zu entwerfen und so den späteren Produktionsprozess vorzubereiten. Gleichzeitig entsteht am anderen Ende der Stadt ein neues Werk in Aachen-Rothe Erde, einer von Großindustrie geprägten Gegend. e.GO will dort knapp 300 Beschäftigte einstellen, die ab Mitte 2018 in zwei Schichten arbeiten sollen. „Wir brauchen jetzt zu Beginn besonders erfahrene Leute, vor allem Kfz-Mechaniker und Mechatroniker“, sagt Schuh. Die aber seien gar nicht so leicht zu finden, wolle man nicht den umliegenden Autowerkstätten in der Region das Personal abgraben.

Je länger Schuh redet, umso euphorischer klingt er. Man könnte den Mann auch für einen freundlichen, aber etwas entrückten Professor halten, der nicht einsehen will, dass der Automarkt in Deutschland seit mindestens einem halben Jahrhundert von wenigen Großkonzernen bestimmt wird. Wäre da nicht der Erfolg, den die Ingenieure um Schuh und seinen Weggefährten Kampker schon mit dem Postauto hatten. Schließlich hat der Verkauf der Streetscooter GmbH an die Deutsche Post erst das nötige Kapital eingebracht, um das Kleinwagenprojekt zu starten.

Für den Bau des neuen Werks und die Serienproduktion mussten außerdem fremde Investoren überzeugt werden. Insgesamt habe das Projekt bisher ein Volumen von mehr als 50 Millionen Euro, sagt Schuh. Was hier gerade in Aachen entsteht, ist mehr als das Spielzeug einiger experimentierfreudiger Ingenieure.

Dieser Artikel ist zuerst bei Zeit Online erschienen.

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