Tesla Wie lange der Hype noch als Geschäftsmodell ausreicht

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Ein Auto ist komplexer als ein iPhone

Für die neuen Batteriezellen vom Typ 2170, die Tesla in der Gigafactory für das Model 3 fertigt, ergäben sich so essentielle Kosteneinsparungen. Noch im vergangenen Frühjahr gab Tesla an, dass die Batteriekosten bereits unter 190 Dollar pro Kilowattstunde (kWh) lägen. Legt man diese Zahl zugrunde, könnten die Kosten für die neuen Batteriezellen bei nur noch 125 Dollar/kWh liegen – ein 55 kWh großes Batteriepack würde damit unter 7000 Dollar kosten. Über die genauen Kosten für die Batterien schweigen die Autobauer meistens – bei einem Preis von 190 Dollar/kWh kommt selbst die kleinste Batterie-Variante in einem Model S auf über 11.000 Dollar.

Offen ist aber, ob Tesla diese Kostenvorteile auch in der Batterie-Massenproduktion halten kann – laut Batterie-Experten sind die im Kleinen erzielten Ergebnisse oft nicht beliebig skalierbar, es können also jederzeit neue Probleme – und Kosten – auftreten. Auch die Fertigung des Model 3, die hochautomatisiert ablaufen soll, ist noch nicht angelaufen – auch hier lauern teure Risiken.

Die Tesla-Chronik

Ein weiteres Risiko für den Erfolg des Model 3 kommt ausgerechnet von General Motors: Mit dem Chevrolet Bolt hat GM bereits jetzt ein Elektroauto im Programm, dass bei Preis und Reichweite auf den angekündigten Niveau des Model 3 liegt. Für Piper-Jaffray-Analyst Potter ist das aber kein Grund, seine Bewertung zu senken. "Die Produkte von Tesla haben einen fesselnden Einfluss auf die Verbraucher und die Aktionäre. Dieser Vorteil wird schwer zu replizieren sein", schrieb er in seiner aktuellen Analyse. "Auch wenn der Produktionsstart des Modells 3 schlecht läuft, denken wir, dass Kunden (und vor allem die Aktionäre) sich mit einem Urteil zurückhalten werden."

Trotz der von Analysten wie Potter ausgestellten Vorschuss-Lorbeeren darf Tesla den Produktionsanlauf des Model 3 keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen. Es ist das erste Mal, dass Tesla derart große Stückzahlen produzieren will. Da sind Probleme vorprogrammiert, selbst bei etablierten Autobauern mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Autoproduktion.

Tesla streicht das Einstiegsmodell

Gerade der Hardware-Teil des Geschäfts wird an der Wall Street oft nicht ausreichend bedacht. Tesla wird eher wie eine Technologie-Aktie behandelt – die Investoren setzen auf eine Fähigkeit, einen Markt für Elektroautos und Energiespeicherung zu dominieren, wie es Facebook, Uber und Apple in ihren Bereichen machen. Bei Geschäftsmodell und -entwicklung mag Tesla auch diesen Firmen ähneln, doch es gibt einen großen Unterschied: die Hardwarekosten.

Wenn Facebook ein Problem mit einer neuen Funktion hat, schieben sie ein Software-Update hinterher. Bei Apple wird das schon etwas komplizierter, aber iPhones können von fast jedem Händler verkauft und in vielen Läden repariert werden. Doch um Autos zu verkaufen und zu warten – ja, auch ein Tesla muss irgendwann in die Werkstatt – braucht es ein verzweigtes Servicenetz. Zumindest, wenn man irgendwann mehr als eine Million Autos im Jahr verkaufen will. Und die Produktion eines Elektroautos ist zwar simpler als die eines mit Verbrennungsmotor, ungleich komplexer als eine Smartphone-Fertigung bleibt sie dennoch.

Dieser Spagat zwischen Tech- und Autofirma erklärt auch die gespaltenen Analysteneinschätzungen zu Tesla. "Ist es fair? Nein, es ist nicht fair", sagte auch die US-Branchenberaterin Maryann Keller der Agentur "Bloomberg". "Auch wenn Tesla irgendwann einen Gewinn einfährt, müssen sie schließlich genug verdienen, um diese Bewertung zu rechtfertigen."

Kurzfristig interessiert das Tesla und seine begeisterten Anleger aber kaum. Gemessen an der Marktkapitalisierung sind die Kalifornier jetzt das sechstgrößte Auto-Unternehmen der Welt – nach Toyota, Daimler, Volkswagen, BMW und Honda. Morningstar-Analyst Whiston geht davon aus, dass Tesla bald schon Honda überholt – die Japaner kommen derzeit auf rund 52 Milliarden Dollar, der Vorsprung ist minimal.

Bis zum Marktwert von Toyota, immerhin 172 Milliarden Dollar, ist es selbst für Tesla noch ein langer Weg. Angesichts des Tesla-Hypes an der Wall Street könnte man sich aber an den Toyota-Slogan erinnert fühlen: "Nichts ist unmöglich."

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