Nein, ganz so stark wie die Karnickel vermehren sie sich dann doch nicht. Aber der Boom der SUV ist ungebrochen. Im Januar stiegen die Neuzulassungen der sportlichen Geländewagen um 22 Prozent. Mit 47.319 erstmals erfassten Fahrzeugen machen die SUV inzwischen mehr als ein Fünftel aller Neuwagen in Deutschland aus.
Mit dem guten Jahresauftakt bleiben die Pseudo-Offroader weiter auf der Überholspur. Wurden 2014 noch rund 529.000 SUV neu zugelassen, haben die hochgelegten Autos im vergangenen Jahr die Marke von 600.000 Autos nur denkbar knapp verpasst: 578 Exemplare haben gefehlt.
Die beliebtesten SUV im Januar
Modell: Audi Q7
Neuzulassungen: 1.332 Fahrzeuge
Quelle: Kraftfahrtbundesamt
Modell: Hyundai Tucson
Neuzulassungen: 1.515 Fahrzeuge
Modell: Audi Q5
Neuzulassungen: 1.549 Fahrzeuge
Modell: Opel Mokka
Neuzulassungen: 1.818 Fahrzeuge
Modell: BMW X1
Neuzulassungen: 1.848 Fahrzeuge
Modell: Nissan Qashqai
Neuzulassungen: 1.854 Fahrzeuge
Modell: Ford Kuga
Neuzulassungen: 1.911 Fahrzeuge
Modell: Mercedes GLC
Neuzulassungen: 1.973 Fahrzeuge
Modell: Audi Q3
Neuzulassungen: 2.586 Fahrzeuge
Modell: VW Tiguan
Neuzulassungen: 4.426 Fahrzeuge
Das Wachstum von dreizehn Prozent ist beeindruckend – der Gesamtmarkt konnte nur um 3,3 Prozent zulegen. Das starke Jahr 2015 ist auf zwei Trends zurückzuführen, die sich 2016 noch verstärken werden:
- Bei zahlreichen wichtigen Modellen steht ein Generationswechsel an oder wurde gerade vollzogen.
- Die Autobauer bringen vollkommen neue, kleinere und damit auch günstigere SUV auf den Markt.
Ein Beispiel: Der ewige Erste im deutschen SUV-Ranking, der VW Tiguan, konnte im Januar entgegen dem Markentrend zulegen. VW verlor fast neun Prozent, der Tiguan lag 3,7 Prozent im Plus. Dabei geht es aber noch um das alte Modell, der neue Tiguan steht erst im April bei den VW-Händlern. Ein kräftiges Absatzplus rund um den Verkaufsstart – alleine schon wegen der unzähligen Vorführwagen – ist sicher.
Wie dieser Effekt aussieht, konnten die Wolfsburger im vergangenen Jahr bei der Konzerntochter Audi beobachten. Im Juni kam die zweite Auflage des Q7 auf den Markt. Auf Anhieb hat es das Fünf-Meter-Schiff – immerhin mindestens 61.000 Euro teuer – in die deutschen SUV-Top-Ten geschafft. Hausintern wird der Q7 nur von den kleineren Brüdern Q5 und Q3 geschlagen. Zu den zehn beliebtesten SUV in Deutschland gehören sie aber alle.
Die beliebtesten Autos der Deutschen
Modell: Audi A4/S4
Neuzulassungen 2015: 52.493 Fahrzeuge
Neuzulassungen 2014: 48.278 Fahrzeuge
Veränderung zum Vorjahr: 8,7 Prozent
Quelle: Kraftfahrtbundesamt (KBA)
Modell: Opel Corsa
Neuzulassungen 2015: 52.741 Fahrzeuge
Neuzulassungen 2014: 55.151 Fahrzeuge
Veränderung zum Vorjahr: -4,4 Prozent
Modell: Opel Astra
Neuzulassungen 2015: 56.079 Fahrzeuge
Neuzulassungen 2014: 46.193 Fahrzeuge
Veränderung zum Vorjahr: 21,4 Prozent
Modell: Audi A3/S3
Neuzulassungen 2015: 57.858 Fahrzeuge
Neuzulassungen 2014: 65.199 Fahrzeuge
Veränderung zum Vorjahr: -11,3 Prozent
Modell: Skoda Octavia
Neuzulassungen 2015: 57.907 Fahrzeuge
Neuzulassungen 2014: 52.620 Fahrzeuge
Veränderung zum Vorjahr: 10,0 Prozent
Modell: VW Tiguan
Neuzulassungen 2015: 58.978 Fahrzeuge
Neuzulassungen 2014: 61.947 Fahrzeuge
Veränderung zum Vorjahr: -4,8 Prozent
Modell: Mercedes C-Klasse
Neuzulassungen 2015: 67.549 Fahrzeuge
Neuzulassungen 2014: 60.350 Fahrzeuge
Veränderung zum Vorjahr: 11,9 Prozent
Modell: VW Polo
Neuzulassungen 2015: 69.967 Fahrzeuge
Neuzulassungen 2014: 68.103 Fahrzeuge
Veränderung zum Vorjahr: 2,6 Prozent
Modell: VW Passat
Neuzulassungen 2015: 97.586 Fahrzeuge
Neuzulassungen 2014: 72.153 Fahrzeuge
Veränderung zum Vorjahr: 35,2 Prozent
Modell: VW Golf
Neuzulassungen 2015: 270.952 Fahrzeuge
Neuzulassungen 2014: 255.044 Fahrzeuge
Veränderung zum Vorjahr: 6,2 Prozent
Fast jeder dritte Audi ist heute ein SUV. Geht es nach Audi-Chef Rupert Stadler, wird der Anteil in den kommenden vier Jahren noch zunehmen. „Der Zeitplan ist abgesteckt: 2016 kommt der kleine Q2, dann der Q8“, sagt Stadler. „Und wenn wir dann die zweite Generation des Q5 auf dem Markt haben, können wir über weitere Ableger nachdenken.“ Nicht zuletzt mit dem Q2 erwartet Stadler, dass 2020 zwei von fünf verkauften Audis SUV sein werden.
Obendrauf kommt noch der Q6 e-tron, der 2018 seine Premiere feiern soll. Bei den Stückzahlen dürfte das Elektro-SUV vorerst aber keine überragende Rolle spielen.
Nicht nur Audi weitet sein SUV-Angebot deutlich aus. BMW hat mit Ausnahme des X2 sämtliche X-Modelle vom kompakten X1 bis zum großen SUV-Coupé X6 besetzt und ein siebensitziger X7 für die USA ist bereits angekündigt.
Bei Mercedes war 2015 das „Jahr der SUV“
Die Premium-Konkurrenz aus Stuttgart hatte 2015 zum „Jahr der SUV“ ausgerufen und dieses auch als solches genutzt: Die Palette wurde überarbeitet oder mit komplett neuen Modellen bestückt: vom kleinen GLA über GLC und GLE bis hin zum großen GLS zeigt jetzt jeweils der dritte Buchstabe, zu welcher der bekannten Mercedes-Baureihen das SUV gehört. Im Stil des BMW X6 haben die Stuttgarter mit dem GLE Coupé bereits ein SUV-Coupé im Programm, ein weiteres auf Basis des GLC wird folgen.
Wie sich das Geschäft mit Premium-SUV lohnt, lässt sich auch bei Porsche beobachten. In seinem ersten vollen Verkaufsjahr ist der Macan (auf Basis des Audi Q5) mit über 80.000 verkauften Exemplaren auf Anhieb das gefragteste Porsche-Modell geworden. Mit 73.000 Fahrzeugen folgt auf Platz zwei der Cayenne. Damit sind über 153.000 der 225.000 verkauften Porsche keine Sport-, sondern Geländewagen.
Der Ölpreis stützt den SUV-Boom
Trotz der Gefahr, dass sich die eigenen Gelände-Modelle gegenseitig die Kunden wegnehmen und so auf die Margen drücken, halten es Experten für den richtigen Schritt, das SUV-Angebot weiter auszubauen.
„Momentan geht der Markt weltweit in Richtung SUV. Deshalb ist es nur logisch, in weitere Modelle dieses boomenden Segments zu investieren“, sagt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management. „Ein weiteres SUV, das sich weltweit gut verkaufen lässt, dürfte sich viel schneller rechnen als etwa eine neue Cabrio-Generation, wo der Markt stark rückläufig ist.“
Die beliebtesten Automarken der Deutschen
Marke: Seat
Absatz 2015: 94.673 Fahrzeuge
Marktanteil: 3,0 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 1,7 Prozent
Quelle: Kraftfahrtbundesamt (KBA)
Marke: Hyundai
Absatz 2015: 108.434 Fahrzeuge
Marktanteil: 3,4 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 8,6 Prozent
Marke: Renault
Absatz 2015: 110.039 Fahrzeuge
Marktanteil: 3,4 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 4,5 Prozent
Marke: Skoda
Absatz 2015: 179.951 Fahrzeuge
Marktanteil: 5,6 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 3,7 Prozent
Marke: Ford
Absatz 2015: 224.579 Fahrzeuge
Marktanteil: 7,0 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 7,4 Prozent
Marke: Opel
Absatz 2015: 229.352 Fahrzeuge
Marktanteil: 7,2 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 4,7 Prozent
Marke: BMW
Absatz 2015: 248.565 Fahrzeuge
Marktanteil: 7,8 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 4,3 Prozent
Marke: Audi
Absatz 2015: 269.047 Fahrzeuge
Marktanteil: 8,4 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 3,7 Prozent
Marke: Mercedes
Absatz 2015: 286.883 Fahrzeuge
Marktanteil: 8,9 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 5,3 Prozent
Marke: Volkswagen
Absatz 2015: 685.669 Fahrzeuge
Marktanteil: 21,4 Prozent
Änderung zum Vorjahr: 4,4 Prozent
Auch Branchenanalyst Frank Schwope von der NordLB hält es für „plausibel und logisch“, SUV auch in höheren und niederen Segmenten anzubieten: „Solange der Ölpreis relativ niedrig ist, verkaufen sich SUV wie geschnitten Brot.“
Die Pseudo-Offroader sind für die Autobauer aber ein süßes Gift. Zwar streichen sie heute fette Gewinne ein, an einer anderen Stelle könnte ihnen der SUV-Erfolg aber auf die Füße fallen. Laut einer Auswertung des CAR-Instituts der Universität Duisburg-Essen stößt ein solches Auto im Schnitt 148 Gramm CO2 pro Kilometer aus – 22 Gramm mehr als der Durchschnitts-Neuwagen. „Für die Autobauer ist das eine risikoreiche Entwicklung“, bilanziert CAR-Leiter Ferdinand Dudenhöffer.
Zwar investieren vor allem die Premium-Autobauer in Forschung und Entwicklung, um Spritspar-Technologien, Plug-In-Hybride und Elektroautos voranzutreiben. Zumindest bei den großen SUV haben Audi, BMW, Mercedes und Porsche Plug-In-Hybride im Programm. Die Kunden halten sich aber zurück und greifen lieber zu Diesel oder Benziner. Die Herausforderung für die Hersteller, 2021 das Flottenziel zu erreichen, wird dadurch nicht geringer. Die Gewinne sind aber zu verlockend.
Neuheiten-Flut endet auch 2016 nicht
Egal ob Audi mit dem Q2, Jaguar mit dem F-Pace oder Mercedes mit dem GLC Coupé – die Neuheiten-Flut wird nicht abebben. Und zwar nicht nur bei den Premium-Herstellern, sondern auch auf dem Massenmarkt: Anfang März werden Seat und Skoda auf der Genfer Automesse ihre SUV-Modelle vorstellen, Kia zeigt mit dem Niro die Studie eines Hybrid-SUV.
Auf der Straße haben die Koreaner auch ein neues Modell: Noch vor dem VW Tiguan hat der neue Kia Sportage seine Premiere gefeiert. Die nunmehr vierte Generation des Korea-SUV, der seit 2007 in der Slowakei gebaut wird, ist für Kia so wichtig wie für der Golf für Volkswagen. 27 Prozent aller Kias in Europa sind Sportage.
In Europa ist die Wahrnehmung des Begriffs Sportage aktuell höher als die der Marke Kia. Die Leute denken zuerst an das SUV, dann an die Marke, sagt die verantwortliche Produktmanagerin Véronique Cabral.
Diese Wahrnehmung des Sportage hat sich auch in den Deutschland-Verkaufszahlen für 2015 niedergeschlagen: Mit 12.700 verkauften Exemplaren war das letzte volle Jahr des alten Sportage das erfolgreichste – und Kia beteuert, nicht mit hohen Rabatten nachgeholfen zu haben. „Das ist schon ungewöhnlich“, sagt Steffen Cost, Geschäftsführer von Kia Deutschland. „Wir führen das auf zwei Dinge zurück: das allgemein wachsende Segment für Kompakt-SUV und unser zeitloses Design.“
Kia rechnet in Europa im C-SUV-Segment – also der Größe eines VW Tiguan zum Beispiel – 2018 mit einem Gesamtmarkt von 1,8 Millionen Autos pro Jahr. Noch größer ist das Potenzial in China. Waren in dem größten Automarkt der Welt über Jahre vor allem klassische Limousinen als Statussymbol gefragt, sind die staugeplagten Autofahrer inzwischen auch auf Premium-Kompaktwagen und –SUV gekommen. 38 Prozent aller verkauften Premium-Autos im Reich der Mitte waren zuletzt SUV – Tendenz steigend.
So verwundert eine Entscheidung von Renault kaum: In ihrem ersten China-Werk bauen die Franzosen etwa nicht die Limousine Fluence oder ein spezielles Modell für China. Sondern den Kadjar – ein SUV.