Herrenlose Konten Der brisante Schatz der Schweizer Banken

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Von weißem zu schwarzem Geld

Die Branche stapelt lieber tief, das Thema ist politisch brisant. „Hat die Bank den Kontakt zum Kunden verloren, kann der Kunde Einkünfte nicht versteuern – die Bank verwaltet in dem Moment Schwarzgeld“, sagt Thierry Boitelle von der Schweizer Kanzlei Bonnard Lawson. Seitdem die Regierung darauf poche, dass Banken nur noch „weißes Geld“ verwalten, sei das ein Problem.

Lange waren in der Schweiz anonyme Nummern- und Pseudonymkonten üblich. Das zog viel Geld an. Doch wo viel ist, bleibt auch viel liegen. Es gibt Gründe, warum jemand die Informationen zu seinem Konto mit ins Grab nimmt: Diktatoren, die Milliarden beiseite geschafft haben, werden hingerichtet. Millionenschwere Unternehmer fürchten Probleme mit dem Finanzamt. Um wie viel Geld es mitunter geht, verdeutlicht Anwalt Boitelle: Im Schnitt waren auf nachrichtenlosen Konten, mit denen er zu tun hatte, mehr als eine Million Franken.

Das Schweigen der Banken

Frank Arretz, Anwalt von der Kanzlei Schalast & Partner, hat internationale Erbfälle aufgearbeitet. Er sagt: „In den Unterlagen stößt man oft durch Zufall auf Dokumente, die in die Schweiz führen.“ Einmal habe jemand eine Wohnung in Süddeutschland geerbt. Im Ordner für den Immobilienkredit habe er einen alten Brief von einer Schweizer Bank gefunden. Von dort kam das Eigenkapital. Arretz fragte bei der Bank in der Schweiz nach – und stieß so auf ein stattliches Vermögen. Aus Erfahrung weiß er: In der Schweiz seien pro Konto „ein paar Hunderttausend Franken“ nicht selten.

Das Interesse der Banken, nach verschollenen Kunden zu suchen, hält sich in Grenzen. Schließlich ziehen vor allem Erben das Geld meist ab. Doch Banken müssen, das ist Vorschrift, Kunden auftreiben. Sie haben daher eigene Abteilungen, die auch mit unterdrückter Nummer und unter einem Vorwand bei Nachbarn anrufen. Aufwand und Kosten für die Suche sollen sich an der Höhe der Vermögenswerte ausrichten. Wer viel hat, wird gründlicher gesucht. Banken beauftragen deswegen immer wieder Anwälte oder Erbenermittler, Kunden oder ihre Erben zu finden.

So lernte Wilhelm Matthias Hansen, Anwalt in Konstanz, das Millionengeheimnis um vergessene Konten kennen. Als Grenzstädter ist er in Deutschland und der Schweiz zugelassen. Seine Kanzlei bekommt „jede Woche fünf Anfragen“ von Schweizer Banken. Er soll überwiegend für kleinere Banken verloren gegangene Kunden auftreiben. Seine Kanzlei hat schon mehr als 100 Mandate bearbeitet. Meist seien wenige 1000 bis 100 000 Franken auf den Konten, sagt der Anwalt. Ab und an ging es auch um Vermögen im Millionenbereich. Einmal sollte er den Besitzer von Goldbarren suchen. Wert: 800 000 Euro.

Die einfachen Fälle löst Hansen durch einen Blick ins Telefonbuch. In die schwierigen jedoch muss er Hirnschmalz stecken. Ein Kunde etwa hatte seinen Wohnsitz in Andorra. In dem Kleinstaat zwischen Spanien und Frankreich gab es nur zehn Anwälte. Hansen rief alle an – einer kannte den Kunden. Ein andermal war der Bank bekannt, dass der Verschollene Apotheker gewesen sei. Also rief Hansen alle Apotheker in seiner Stadt an – einer konnte helfen.

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