Die Aussicht auf eine Übernahme von großen Teilen der Air Berlin durch Lufthansa weckt Kartellbedenken in den betroffenen Ländern. Die österreichische Wettbewerbsbehörde BWB befürchtet eine dominante Stellung auf vielen Strecken von und nach Wien, weil die Lufthansa auch die österreichische Air-Berlin-Tochter Niki kauft. Die Behörde werde ihre Bedenken dazu bei der EU-Kommission anmelden, sagte eine BWB-Sprecherin am Freitag. Auch das deutsche Bundeskartellamt nimmt den Fall unter die Lupe. "Die EU-Kommission wird sich das genau ansehen, und wir werden das dortige Verfahren begleiten", erklärte Behördenchef Andreas Mundt.
Wie die Kartellprüfung in Brüssel läuft
Als Obergrenze für die alleinige nationale Zuständigkeit gilt ein Umsatz aller Beteiligten zusammen von fünf Milliarden Euro. Diese Summe überschreitet allein die Lufthansa mit knapp 32 Milliarden Euro Gesamtumsatz (2016) klar.
Zuständig auf EU-Ebene ist Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Das deutsche Kartellamt wird das Brüsseler Verfahren begleiten, wie Präsident Andreas Mundt erklärte.
Gerade im innerdeutschen Flugverkehr dürfte die Ermittlung des Marktanteils schwer fallen. Dort gibt es schließlich noch konkurrierenden Bahn- und Busverkehr. Die Prüfung muss wohl nach einzelnen Strecken getrennt ablaufen.
Die EU-Kommission prüft auf Grundlage der europäischen Fusionskontrollverordnung. Die Stoßrichtung ist: keine marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens - mit Blick auf die europäische Dimension. Nach der offiziellen Anmeldung von Übernahmeplänen hat die Kommission erst einmal 25 Arbeitstage Zeit, das Geschäft abzuklopfen. Haben die Experten wettbewerbsrechtliche Bedenken, können sie vertieft prüfen. Dann wären noch einmal 90 Arbeitstage Zeit. Bis zum Abschluss liegt das Geschäft auf Eis.
In früheren Luftverkehrsverfahren hat die Kommission mehrfach Auflagen gemacht. So mussten Käufer Start- und Landerechte auf einzelnen Strecken an Wettbewerber abgeben. Die geplante Übernahme der irischen Aer Lingus durch den großen Konkurrenten Ryanair untersagte die EU, weil das neue Unternehmen auf einer Vielzahl von Strecken marktbeherrschend geworden wäre.
Experten gehen davon aus, dass der Lufthansa eine strenge Prüfung bevorsteht. Die EU-Kommission selbst will sich nicht zu dem Thema äußern, da der am Donnerstag bekanntgegebene Deal noch nicht bei ihr angemeldet ist. Die Behörde ist der oberste Kartellwächter der EU.
Kritik am Air-Berlin-Kauf kommt auch von Lufthansa-Konkurrenten. Die Muttergesellschaft der Fluglinie British Airways (IAG) sieht Probleme. "Wir haben für Air Berlin geboten, aber unser Eindruck war immer, dass die Lufthansa den Zuschlag bekommen würde", sagte IAG-Chef Willie Walsh am Rande einer Branchenkonferenz in London. "Wir werden das genau beobachten, weil wir glauben, dass es bedeutende wettbewerbsrechtliche Probleme gibt", fügte er hinzu. Ähnlich hatte sich der irische Billigflieger Ryanair geäußert. Ryanair hatte von einem abgekartetem Spiel zugunsten des deutschen Marktführers gesprochen und deshalb erst gar kein Angebot für Air Berlin abgegeben.
Die Lufthansa will von Air Berlin rund 80 der noch gut 130 Maschinen übernehmen und etwa 210 Millionen Euro zahlen. Insgesamt sollen bei der Kranich-Linie 3000 neue Stellen geschaffen werden. Die Air-Berlin-Maschinen sollen die Flotte der Billigtochter Eurowings verstärken. Die Lufthansa investiert in den Ausbau 1,5 Milliarden Euro, denn die von Air Berlin bisher nur geleasten Flugzeuge kauft der Dax-Konzern zum Teil.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr hatte im September erklärt, das für Air Berlin abgegebene Gebot sei das maximal mögliche unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten. In Unternehmenskreisen hieß es daher: "Wir glauben, wir haben gute Aussichten auf eine Genehmigung, aber es sind einzelne Auflagen zu erwarten." So musste die Lufthansa in der Vergangenheit bei der Übernahme von Swiss oder Austrian Airlines schon Verkehrsrechte für einzelne Strecken abgeben.
Nach Einschätzung der Lufthansa wird die Fusionskontrolle nicht nur den deutschen, sondern den europäischen Markt betrachten. Hier liegt der deutsche Branchenprimus nach eigenen Angaben mit einem Anteil an den beförderten Passagieren von neun Prozent hinter dem Billigflieger Ryanair mit 13 Prozent. Air Berlin und die Lufthansa setzen darauf, dass die EU-Kommission bis Ende des Jahres grünes Licht gibt. Nach diesem Szenario gäbe es eine vertiefte Prüfung des Verkaufs, bei der aber nicht alle Fristen ausgeschöpft würden. Die EU-Behörde könnte sich gut ein halbes Jahr Zeit nehmen für eine Entscheidung.